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Weltkriege und Kreuzzüge

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In einem derartigen Klima ist es nicht verwunderlich, dass die Bezugnahme auf die Kreuzzüge ab 1914 die Presse, die Reden und die Propagandaplakate überflutete. Die Deutschen setzten sie weniger als die anderen ein, hatten sie doch ihre osmanischen Verbündeten aufgerufen, den Dschihad zu verkünden. Wer sich der Koalition der kolonialen Großmächte Frankreich und England widersetzte, war unweigerlich versucht, mit dem islamischen Irredentismus zu flirten, und es ist kein Zufall, dass Kaiser Wilhelm II. auf seiner berühmten Orientreise sich vor dem Grab von Saladin verneigte. (Später organisierte Benito Mussolini, der die indigene Bevölkerung Libyens von seiner Ehrfurcht gegenüber dem Propheten überzeugen wollte, eine Inszenierung, in der ihm ein berberischer Anführer feierlich das überreichte, was man als das Schwert des Islam ausgab, das jedoch in Wirklichkeit direkt aus einer Werkstatt in Florenz kam; 1940 hatte der Duce vor, es im zurückeroberten Alexandrien hochzuhalten).

In England hingegen gab es 1914 eine nie da gewesene Identifizierung mit den Kreuzzügen, die von einer klug eingesetzten Propaganda gespeist wurde und im kollektiven Unbewussten agierte. In der Schlacht von Antiochia im Jahr 1097 hatten die Kreuzfahrer geglaubt, der heilige Georg habe ihnen an der Spitze einer Truppe himmlischer Ritter beigestanden, und 1915 ging in England das Gerücht um, in der Schlacht bei Mons hätten die Engel selbst an der Seite der tommies eingegriffen. Zahllose Pfarrpredigten und Zeitungsartikel verbreiteten die Neuigkeit im ganzen Land wie eine bezeugte Tatsache, obwohl der Schriftsteller Arthur Machen, der diese Psychose gänzlich unfreiwillig mit einer Fiktion ausgelöst hatte, allen, die es hören wollten, bestätigte, dass er alles erfunden hatte.

In keinem anderen Land nahm die kollektive Hysterie ein solches Ausmaß an und danach fand man keine Episode mehr, die sich mit der Legende der Engel von Mons vergleichen ließe. Am Ende des Krieges reduzierte sich in den demokratischen Ländern die Verwendung des Wortes „Kreuzzüge“ auf einen rein sprachlichen Ausdruck, der allerdings unvorhergesehene Reaktionenen hervorrufen konnte. Doch zwischen den Kriegen gab es auf der Welt nicht nur parlamentarische Demokratien. Neue, linke oder rechte Regime suchten eine Sprache, mit der sie ihre Propaganda verstärken konnten: Der Öffentlichkeit musste man neue Feinde präsentieren. Jedes Mal, wenn ein rechter Diktator mit den Waffen in der Hand den Kommunismus bekämpfte, rückte die Bezugnahme auf den Kreuzzug auf den Plakaten und in den Schlagzeilen der Zeitungen automatisch wieder in den Vordergrund. Einen von der Kirche abgesegneten Kreuzzug führte etwa der „Caudillo“ Francisco Franco gegen die republikanische Regierung, die in einer Lüge als Emanation der „Roten“ hingestellt wurde, und ein Kreuzzug war auch der Einmarsch Adolf Hitlers in die Sowjetunion, der nicht zufällig den Namen des berühmtesten deutschen Kreuzfahrers erhalten hatte: Operation Barbarossa.

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