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Iberische Erinnerungen

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Die divergierende politisch-strategische Bedeutung der Landung Kolumbus’ auf den Antillen und der Entdeckung des Seewegs nach Indien bewirkte auch eine unterschiedliche Aufnahme beider Seefahrer in die jeweiligen nationalen Erinnerungskulturen der iberischen Nationen. In Portugal sorgte eine nationalistisch motivierte Geschichtsschreibung bereits bald nach da Gamas Landung in Indien dafür, dass dieses Ereignis den Charakter einer revolutionären Heldentat erhielt. Im Lauf des 16. Jahrhunderts etablierte sich ein Diskurs in der portugiesischen Historiografie, der darauf abzielte, die portugiesische Herrschaft in Asien als eine universale Leistung festzuschreiben, die Portugal in die Folge der großen Imperien der Menschheitsgeschichte einreiht.

Auffällig bei dieser frühen Literatur der Expansion ist der bewusst gedenkende Akt. Nicht wenige Werke rechtfertigen ihre causa scribendi mit der Notwendigkeit, die Ereignisse schriftlich zu verewigen. So etwa in Fernão Lopes de Castanhedas História do descobrimento e conquista da Índia pelos Portugueses (1551–1561), in der dieser die Eroberung Indiens als Säule der portugiesischen Nationalidentität erscheinen lässt. Die Überlegenheit der Portugiesen – das Bewundernswerte – liegt Castanheda zufolge an der Überwindung von Erfahrungsgrenzen: Wie die Antike haben die Portugiesen Territorien erobert und andere Völker beherrscht; anders als jene hätten die Lusitaner aber dies nicht über Land, sondern über die unbekannten Meere getan.2

Castanheda führt hier ein Element ein, das die Reise von Vasco da Gama zum geeigneten Topos europäischer Erinnerungskultur machte: Das Heldenhafte an der Entdeckung des Seewegs nach Indien war ihm zufolge nicht die politische Herrschaft und auch nicht die kommerzielle Vormachtstellung Portugals im Gewürzhandel; es war vielmehr die epistemologische Revolution, die Überwindung der Wissens- und Erfahrungsschranken und die Eroberung der Meere als plus ultra im Vergleich zur Antike.

Luís de Camões’ Os Lusíadas partizipiert ebenfalls an dieser Idee und macht sie – unter anderem auch durch Aneignung des Epos als europäische narrative Gattung – exportfähig. Portugal wird als Haupt Europas dargestellt: „Und siehe! Am Haupt Europas liegt gebreitet/Der Lusitanen Reich als Scheitel fast.“3 Mehr noch – und für das Verständnis von Vasco da Gama als europäischer Erinnerungsort von Bedeutung: Das Epos besingt zwar die Tapferkeit eines ganzen Volkes, der Portugiesen, doch als primus inter pares hebt sich Vasco da Gama hervor.

In Spanien sorgte Kolumbus selbst in seinem Bordbuch und in seinem Brief an Luis de Santángel für eine Heroisierung seiner eigenen Person, die ihn im hagiografischen Duktus als fast Heiligen stilisierte. Der Seefahrer deutete seine Reisen als heiligen Segen der Katholischen Könige und entwarf das Selbstbild als Christusträger.4 Auch die von seinem Sohn Fernando Kolumbus verfasste Biografie unterstreicht die religiöse Deutung des Christoph Kolumbus, indem er diesen weniger als kühnen Seefahrer denn als sendungsbewussten Missionar skizziert.

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