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Kreuzzüge und Dschihad

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Und welchen Krieg führte der Feind? Die Muslime hatten keine klare Vorstellung von den Beweggründen ihrer Gegner. Sie kannten das Wort „Kreuzzug“ nicht, das erst im 19. Jahrhundert ins Arabische übersetzt wurde, und dachten, dass die ungläubigen Barbaren zusätzlich zu ihrer natürlichen Gottlosigkeit vor allem von der Habgier und der Eroberungslust angetrieben wurden, was die islamische Welt jedoch nicht daran hinderte, die Konfrontation als einen religiösen Konflikt zu empfinden. Als eine politisch gespaltene Gemeinschaft mit Entsetzen entdeckte, dass der Feind in das Herz von Dar al-Islam eingedrungen war, reagierten der Kalif von Bagdad und der seldschukische Sultan und riefen die Gläubigen zum Dschihad auf.

So hat sich in unserer Kultur eine Parallele zwischen den Kreuzzügen und dem Dschihad unter dem gemeinsamen Vorzeichen des Heiligen Kriegs durchgesetzt. Gewiss ist der Dschihad fi sabillilah, „die Bemühung auf dem Weg Gottes“, den die Theologen den „kleinen Dschihad“ nennen, um ihn von der Bemühung um Selbstkontrolle und innere Reinigung oder dem „großen Dschihad“ zu unterscheiden, ein Krieg gegen die Feinde des Glaubens unter der Ägide des Gottes der Heerscharen. Doch in der islamischen Kultur gleicht die legalistische Debatte über den Dschihad eher der christlichen und abendländischen Debatte über den gerechten Krieg als der Verherrlichung des Heiligen Krieges, die die Zeit der Kreuzzüge kennzeichnet. Die Parallele ist legitimer, wenn man sich auf die emotionale Auswirkung bezieht, die die Verkündigung des Dschihad auf die Gläubigen haben konnte und heute noch haben kann. Aus diesem Grund und weniger aus einem plötzlichen Wechsel zum Begriff des Heiligen Krieges haben die muslimischen Herrscher in der letztlich siegreichen Bemühung, die Ungläubigen ins Meer zurückzutreiben, die Verkündigung des Dschihad eingesetzt.

In der Zeit der Kreuzzüge merkten die muslimischen Intellektuellen, dass diese neue Popularität des Dschihad ein Merkmal ihrer Zeit war. Am Beginn des 12. Jahrhunderts verfasste der syrische Prediger al-Sulami ein Buch des Dschihad, in dem er bedauerte, dass nach der glorreichen Zeit der „wohlgelenkten Kalife“, der ersten Nachfolger des Propheten, denen man die großen Eroberungen verdankte, die Verpflichtung, für den Glauben zu kämpfen, in Vergessenheit geraten sei. Erst die fränkische Aggression habe sie wiederbelebt. Dieser Ansatz unterschied sich sehr von demjenigen, der die derzeitige Rückkehr des Dschihad kennzeichnet: Die Notwendigkeit, den Feind zu besiegen, wurde als Mittel gesehen, ein wichtigeres Ziel zu erreichen, nämlich das Erwachen und die moralische Erneuerung der muslimischen Welt. Die faulen und korrupten islamischen Herrscher waren genauso und vielleicht noch mehr die Zielscheibe der Moralisten als die ausländischen Feinde.

Aus dieser Sicht hielt der von den Kreuzzügen ausgelöste Effekt an. Die osmanischen Sultane begingen nicht den Fehler, den Dschihad zu vernachlässigen und setzten ihn weiterhin ein, um der Öffentlichkeit zu beweisen, dass sie ihre Pflicht nicht vergessen hatten, wobei sie in der Bevölkerung das Gefühl nährten, dass hinter den Grenzen des gut geschützten Bereichs – die man als die der Umma, der weltweiten islamischen Gemeinschaft, hinstellte – perfide und gefährliche Feinde lebten, die immer bereit waren, zum Angriff überzugehen. Vom 14. bis zum 18. Jahrhundert kopierte und zitierte man ununterbrochen die mittelalterlichen Chroniken, während die muslimischen Historiker die Geschichte der Kriege gegen die Franken schrieben sowie ihre Helden von Saladin bis hin zu Baibars I. idealisierten und die Öffentlichkeit im Mittleren Orient fürchtete, die Aggression werde sich wiederholen. Im Jahr 1701, als in Europa die ersten Geschichtslehrbücher herauskamen, in denen die Kreuzzüge als ein Wahn dargestellt wurden, der für das ferne und barbarische Mittelalter typisch sei, widersetzten sich die Honoratioren von Jerusalem dem Besuch des französischen Konsuls von Konstantinopel, der die Heilige Stadt besuchen wollte, und flehten den Sultan an, ihm die Erlaubnis nicht zu erteilen, weil sie wussten, dass ihre Stadt im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Ungläubigen stand und sie deshalb befürchteten, diese könnten die Stadt erneut besetzen, wie dies in der Vergangenheit so oft der Fall gewesen war.

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