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4.1.3 Intersektorale Versorgungs- und Behandlungskonzepte

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Die existierenden Strukturen führen zu Langzeitbehandlungen und wiederholten KH-Wiederaufnahmen. Das zeigen Zahlen der Barmer (Grobe et al. 2016). Im ambulanten Therapiesetting (Kap 30.7.1 des EBM) werden demnach fast 20 % der betroffenen Patienten über elf Quartale vom speziellen Schmerztherapeuten behandelt. Von den ambulant beim speziellen Schmerztherapeuten behandelten Patienten werden ca. 1,5 % im Quartal 1 nach der amb. Erstbehandlung mit einer IMST stationär behandelt. 0,1–0,6 % der betroffenen Patienten wurden schon vor der ersten ambulanten schmerztherapeutischen Konsultation mit einer IMST stationär behandelt. Eine wiederholte multimodale stationäre IMST war bei ca. 25 % der Betroffenen notwendig.

Die Daten der Barmer zeigen, dass die ambulante Schmerztherapie sehr spät in Anspruch genommen wird. Dadurch finden vollstationäre IMST schon viele Quartale vor dem ersten Kontakt des Patienten mit dem speziellen Schmerztherapeuten statt. Das könnte darauf hindeuten, dass es sich bei diesen Patienten um schwer chronifizierte Patienten handelte, die regelmäßig stationär zur IMST aufgenommen wurden.

Zu kurze Behandlungszeiten können zu einem »Drehtüreffekt« führen.

Wenn man allerdings berücksichtigt, dass die vollstationäre IMST zunehmend mit einem höheren Anteil von niedrigintensiven IMST (Behandlungsdauer 7–13 Tage) behandelt wird ( Kap. 9.1.4), lassen die Daten die Vermutung zu, dass es auch bei der IMST einen Drehtür-Effekt durch wiederholte Krankenhausaufnahmen geben könnte. Da die Daten aus Routinedaten der Krankenkasse stammen, lässt sich der Grad der Schmerzchronifizierung und der Schweregrad der körperlichen oder psychischen Einschränkungen nicht darstellen.

Es kann aber davon ausgegangen werden, dass durchgängige Versorgungskonzepte chronifizierter Schmerzpatienten mit einem intersektoralen Ansatz Fehlversorgung vermindert und den Nutzen für die Patienten verbessern könnte.

Bei der intersektoralen Behandlung werden die Patienten in einem durchgängigen Therapie- und Versorgungskonzept langzeitbetreut und je nach Therapiebedarf im geeigneten Sektor behandelt.

Der Begriff »sektorübergreifend« beschreibt die gemanagte Versorgung von chronischen Schmerzpatienten über alle Behandlungssektoren hinweg nicht korrekt. »Sektorübergreifend« bedeutet, dass Behandler aus einem Sektor in den anderen Sektor greifen, um sich Patienten oder Budget abzuholen. Der Begriff »intersektoral« trifft den Bedarf besser, da er bedeutet, dass die Patienten mit einem durchgängigen Therapie- und Versorgungskonzept langzeitbetreut werden und je nach Therapiebedarf im geeigneten Sektor behandelt werden können.

Der Sachverständigenrat zur Entwicklung im Gesundheitswesen hat bereits 2009 in seinem Jahresgutachten die Vision eines Übergangs von einem anbieter- und sektororientierten Versorgungssystem zu einem populationsbasierten sektorübergreifenden Zukunftskonzept gefordert (Wille et al. 2009). Dabei wurde bereits 2009 postuliert, dass die sektorale Abgrenzung an Bedeutung verlieren würde und regionale Strukturen über den Ort der Leistungserbringung entscheiden. Im Gegensatz zum anbieter- und damit sektorenorientierten medizinischen System mit Hausarzt, Facharzt, Krankenhaus, Pflege, Arzneimittel, Prävention, Hospiz haben die Gutachter ein populationsorientiertes und sektorenübergreifendes Zukunftskonzept skizziert. Populationsorientiert sollte nach Meinung der Gutachter vor allem die Versorgung im ländlichen Raum sein. Diese sollte zwischen den einzelnen Akteuren und Strukturen des Gesundheitswesens abgestimmt sein und eine über die Sektorengrenzen hinwegreichende Versorgung der Patienten gewährleisten.

Leider sind die Grenzzäune zwischen den einzelnen Versorgungssektoren unvermindert hoch. Die Sektoren ambulant und stationär sind grundsätzlich unterschiedlich in ihrer Struktur, ihren gesetzlichen Vorgaben, ihrer Erlösmechanik und in den Trägerstrukturen der Einrichtungen (Krankenhaus versus Praxis, Krankenhausarzt vs. niedergelassener Arzt). Dies führt dazu, dass auch die kulturelle Prägung der Mitarbeiter in den ambulanten und stationären Einrichtungen unterschiedlich ist. Dies macht es häufig einem Krankenhausarzt nicht einfach, vom Krankenhaus in die Praxis zu wechseln. Traditionell führt das dazu, dass die Akteure in den einzelnen Sektoren sich hinter den Sektorengrenzen verschanzen. Dies zeigt sich auch in den Selbstverwaltungsstrukturen der Landes-Krankenhausgesellschaften und kassenärztlichen Vereinigungen.

Seit vielen Jahren ist die Rede von »Ambulantisierung«. Für wenig komplexe Vorgänge/Therapiemaßnahmen wie Operationen ist das schon umgesetzt. Hier gibt es die Paragraf-115-Listen der stationsersetzenden Maßnahmen. Dabei handelt es sich aber selten um chronische Patienten. Bei chronischen Schmerzpatienten ist die Versorgung durch die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie komplex und derzeit an Krankenhäusern angesiedelt.

Die wenigen Modellprojekte und Verträge der besonderen Versorgung (Paragraf 140a SGB V, früher »IV-Verträge«) wurden meistens nicht evaluiert und sind später aus betriebswirtschaftlichen Gründen beendet worden.

Durch die 2016 eingeführten und ab 2020 bis 2024 verlängerten Innovationsfondsprojekte (Gemeinsamer Bundesausschuss 2019) keimt neue Hoffnung auf. Für die Schmerztherapie sind zwei große Projekte im Innovationsfond verankert: das Projekt Rise-uP (Rise-uP Schmerznetz Bayern 2019) und Pain2020 (Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. Barmer 2019).

Innovationsfondprojekte wie »Pain2020« können die schmerzmedizinische Versorgung verbessern.

Das Projekt Pain2020 hat das Potenzial, die ambulante schmerztherapeutische Versorgung Chronifizierung gefährdeter Patienten deutlich zu verbessern, wenn es in die Regelversorgung übernommen werden sollte. Das Projekt basiert auf einem ambulanten interdisziplinären multimodalen Assessment (IMA) und niedrig frequenten und niedrigintensiven interdisziplinären multimodalen Therapieprogrammen.

Rise-uP ist eine Versorgungsforschungsstudie, die sich an der Nationalen Versorgungseitlinie orientiert und verschiedene Behandlungsebenen (Hausarzt-, Facharzt-, Schmerzmedizin-Ebene) miteinander vernetzt. Die Patienten werden frühzeitig nach Chronifizierungsrisiko (niedrig, mittel, hoch) in Risikogruppen unterteilt. Bei Patienten mit hohem Risiko kommen Telekonsile zum Einsatz. Wenn Yellow Flags bestehen und keine Besserung der Rückenschmerzen nach sechs Wochen erreicht werden konnte, werden die Patienten einem IMA zugeführt.

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