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4.2 Organisationsformen der multimodalen Therapie in einem abgestuften Versorgungskonzept 4.2.1 Ambulante multimodale Schmerztherapie Marc Seibolt, Anna Langenmaier und Reinhard Thoma 4.2.1.1 Bedarf einer ambulanten multimodalen Schmerztherapie

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Die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST) gilt, wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln erwähnt, als unbestrittener Goldstandard bei der Behandlung von chronischen Schmerzen. Die Definition der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie findet sich in der Ad-hoc-Kommission der DGSS wieder und ist als eine »gleichzeitige, inhaltlich, zeitlich und in der Vorgehensweise aufeinander abgestimmte umfassende Behandlung von Patienten mit chronifizierten Schmerzsyndromen, in die verschiedene somatische, körperlich übende, psychologisch übende und psychotherapeutische Verfahren nach vorgegebenem Behandlungsplan mit identischem, unter den Therapeuten abgesprochenem Therapieziel eingebunden sind« definiert (Arnold et al. 2009, S. 112).

Die ambulante IMST erfordert ein komplexes Vorgehen.

In Deutschland wird diese hochwertige und v.a. intensive multimodale Schmerztherapie bislang nahezu ausschließlich im tagesklinischen und stationären Sektor erbracht, mit dem Ziel, einer bereits bestehenden Chronifizierung sowie den Schmerzen an sich entgegenzuwirken. Außerdem wird im Rahmen von tagesklinischer und stationärer Versorgung eine Akutschmerzbehandlung mit kurzstationärem Aufenthalt angeboten.

Grundsätzlich wird die Behandlung von noch nicht chronifizierten Schmerzpatienten im ambulanten Sektor von unimodalen Therapieansätzen wie bspw. nicht aktivierenden Maßnahmen, Medikamenten, interventionellen Therapien oder Operationen dominiert. Diese werden oft auch parallel von verschiedenen Fachbereichen und ohne eine gemeinsame Abstimmung verordnet. Um aber einer Manifestierung von Schmerz effektiv entgegenzuwirken, wäre ein koordinierter Therapieplan mit einem von den beteiligten Ärzten und Therapeuten gemeinsam abgestimmten Therapieziel unabdingbar (Niemier und Mallwitz 2018). Die Schmerzbewertung, psychische Belastung, soziale Faktoren und Lebensqualität spielen nämlich auch schon in diesem Stadium eine wesentliche Rolle. Werden multimodale Therapiemaßnahmen unter Berücksichtigung des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells frühzeitig, also bereits im Rahmen der ambulanten Versorgung, angewandt, können sie das Fortschreiten einer Chronifizierung eindämmen oder diese sogar gänzlich vermeiden (Sendera und Sendera 2015).

Im ambulanten Sektor besteht für chronische Schmerzpatienten oft eine Unter- und Fehlversorgung.

Tendenziell besteht im Bereich der ambulanten Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen nicht nur eine Fehlversorgung im Sinne der unimodalen Schmerztherapie, sondern auch eine Unterversorgung. Die ambulant tätigen Speziellen Schmerztherapeuten dürfen je Quartal maximal 300 Schmerzpatienten behandeln, was die Zahl der behandlungsbedürftigen Patienten in den meisten Regionen Deutschlands bei weitem unterschreitet und v. a. in Gebieten mit schwachen Versorgungsstrukturen zu langen Wartezeiten für Termine führen kann (Langenmaier und Thoma 2016).

Viele Betroffene entschließen sich erst nach mehreren Wochen der Arbeitsunfähigkeit oder nach mehrfach frustran durchgeführten Therapieversuchen, eine weiterführende Versorgungsform wie eine spezialisierte Schmerzpraxis in Anspruch zu nehmen. In diesen Praxen werden die Patienten eingehend hinsichtlich der Red flags und Yellow Flags untersucht. Liegen keine Anzeichen für eine Chronifizierungsgefährdung vor, können die Betroffenen durchaus im unimodalen Therapiesetting eingestellt und behandelt werden. Für Patienten mit Chronifizierungsgefährdung trifft dies nicht zu. Obwohl eine multimodale Behandlung für sie sinnvoll wäre, müssen sie im Prinzip tatenlos oder mit einzelnen »Therapiebröckchen« darauf warten, dass sich ihre Schmerzmanifestierung verschlimmert, bis die Chronifizierung tatsächlich eingetreten ist. Genau während dieser ungenutzten »Wartezeit« besteht eine Behandlungslücke, die mit einem ambulanten multimodalen Therapieangebot sinnvoll genutzt werden und ggf. sogar tagesklinische oder stationäre Therapiemaßnahmen vermeiden könnte ( Abb. 4.3).

Alles in allem besteht also eine erhebliche Lücke in der Versorgung von episodisch oder subchronifizierten Schmerzpatienten. Dies kommt vor allem in großen Schmerzzentren immer wieder deutlich zum Vorschein. Eine sinnvolle ambulante Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und Vergütungskriterien des EBM ist nicht mehr möglich, und gleichzeitig ist eine tagesklinische oder stationäre Therapie noch nicht indiziert.

Multimodale Schmerztherapie

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