Читать книгу Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik - Группа авторов - Страница 117

3. Mikrostruktur der Skalen

Оглавление

Ein genauerer Blick auf die sechs Skalen und ihre Inhalte soll diesen kurzen Einblick in die Konzepte zur PlurikulturalitätPlurikulturalität und Plurilingualität im CEFR Companion vervollständigen. Die Skala Facilitating pluricultural space befasst sich mit drei Schlüsselkonzepten: mit vorwiegend mündlichen sprachmittelnden Äußerungen, die ein Verständnis für kulturelle NormenNormen und kulturell geprägte Perspektiven befördern sollen, mit Einstellungen wie Verständnis und Respekt gegenüber unterschiedlichen kulturellen und soziolinguistischen Normen und mit Missverständnissen, die aufgrund soziokultureller und soziolinguistischer Normen entstehen. Ausgehend von den mittleren NiveaustufenNiveaustufe B1 und B2 wird die Skala nach oben bzw. unten erweitert. Dabei wird auf der Stufe C2 von einer effektiven und natürlichen Vermittlung zwischen den verschiedenen Diskursgemeinschaften gesprochen, die auch eine Leitungsfunktion bei der SprachmittlungSprachmittlung umfassen kann; während auf dem Niveau A1 lediglich rudimentäre Äußerungen wie ein einfaches „Willkommen“ oder auch nonverbale Signale vom Sprachennutzenden erwartet werden. Geht man davon aus, dass den Konzepten der Plurikulturalität nach Byram (1997) oder dem RePARePA (Candelier et al. 2009) (↗ Art. 20) die kompetenzbildenden RessourcenRessourcenKonstituenten von Kompetenz aus kulturellem und interkulturellem Wissen (knowledge) in Kombination mit jenen der Wissensdomänen EinstellungenEinstellungen (attitudes, VolitionalitätVolitionalität) und kommunikativer Handlungsfähigkeit (skills)Handlungsfähigkeit (skills)kommunikative zugrunde liegen (vgl. Council of Europe 2018: 158), auf die der Begleittext zu den Skalen auch explizit Bezug nimmt, so lässt sich im Wortlaut der Deskriptoren zwar eine deutlich auszumachende Steigerung der linguistischen und soziolinguistischen Kompetenz und der damit verbundenen kommunikativen Handlungsfähigkeit ausmachen, Einstellungen jedoch erscheinen nur in einer spärlichen Modellierung (z.B. NiveaustufeNiveaustufe B1+) und auf Aspekte des kulturellen bzw. sozio- und interkulturellen Wissens wird insgesamt explizit nur einmal verwiesen (Niveau B2+). Gerade diese Wissensressourcen sind aber entscheidend für plurikulturelles Handeln, denn nur wer Gemeinsamkeiten und Unterschiede in interkulturellen Begegnungen aufgrund seines plurikulturellen Wissens auszuloten weiß, kann auch die nötigen Strategien zur Schaffung eines wirksamen plurikulturellen Raums und zur Vermeidung von Missverständnissen (↗ Art. 33, 104) entwickeln. Curricula und Leistungsmessungen sind auf dieser allzu vagen und nicht befriedigend ausmodellierten Grundlage nicht zu erstellen (↗ Art. 48, 49).

Die zweite Skala Acting as intermediary in informal situationsActing as intermediary in informal situations (with friends and colleagues) bezieht sich auf Gesprächssituationen, die informell sein können (↗ Art.103); aber auch auf Arbeitssituationen und auf die Wiederholung von Reden und Präsentationen. Es erschließt sich nicht, wo hier die Grenze zur ersten Skala wirklich verläuft und warum gerade informelle Situationen im Titel genannt werden, wenn es auch um berufliche KommunikationKommunikationberufliche geht (↗ Art. 24). Wieder stehen die soziolinguistische Kompetenz und die plurikulturelle Handlungsfähigkeit im Mittelpunkt der Deskriptoren. Die Aspekte des Wissens sind nur implizit durch den Anspruch der zu mittelnden Textsorten wahrnehmbar, die Modellierung von Einstellungen entfällt hier ganz.

In der dritten Skala zur PlurikulturalitätPlurikulturalität im Unterkapitel Mediating ConceptsMediating Concepts findet sich eine sehr ähnliche Konzentration auf das Schlüsselkonzept Handlungsfähigkeit in heiklen Situationen, das von einem taktvollen und respektvollen Umgang miteinander (Niveau C2) bis zu einem einfachen Erkennen unterschiedlicher Meinungen (Niveau A1) reicht. Wieder wird deutlich, dass es bei der Modellierung eigentlich vor allem um mündliche Mediation geht, bei der Konflikte vermieden werden sollen. Weder wird ausreichend transparent, welche Einstellungen auf den unterschiedlichen NiveaustufenNiveaustufe entscheidend sind für einen erfolgreichen Umgang miteinander, noch welche soziokulturellen und -linguistischen Wissensaspekte jeweils im Mittelpunkt stehen. Gerade die Skalierung von Strategien, die heikle Situationen auflösen sollen, kann nicht überzeugen, denn das Vermittlungsverhalten bei critical incidentscritical incidents (↗ Art. 104) scheint kaum operationalisierbar zu sein.

Zusammen betrachtet, erscheinen die drei Skalen sehr inkonsistent, die Thematiken der zwei letzteren sehr willkürlich gewählt und die Modellierung der Skalen allenfalls bzgl. der kommunikativen Handlung konsequent. Als Grundlage für die Erstellung eines Curriculums oder einer begründeten Leistungsmessung reichen sie keinesfalls aus (↗ Art. 48, 49). Den Skalen vorgeschaltet wird gleichsam als salvatorische Klausel die Bemerkung, dass die spezifische Zuordnung eines Deskriptors zu einer NiveaustufeNiveaustufe nicht verpflichtend oder zwingend sei.

Die erste der drei Skalen Building on pluricultural repertoire versammelt in sich zahlreiche bereits bekannte fachdidaktische interkulturelle Konzepte. Als Schlüsselkonzepte werden genannt: kulturelle, soziopragmatische und soziolinguistische KonventionenKonventionen erkennen und dementsprechend handeln, Ähnlichkeiten und Unterschiede in Perspektiven und Praktiken bei interkulturellen Begegnungen erkennen und interpretieren, neutral und kritisch evaluieren. Abgesehen davon, dass nicht klar wird, was genau kritisch evaluiert werden soll – die Situation, die involvierten Personen, die Gespräche oder Texte, einzelne Gesprächsbeiträge, die eigenen Gesprächsbeiträge? – wird deutlich, dass auch hier wieder Wissensbestände, Handlungsvermögen und Einstellungen in der Skala versammelt sind (↗ Art. 49). Die einzelnen Deskriptoren sind sehr umfangreich und in ihren Handlungsbeschreibungen bzw. Kompetenzen bunt gemischt. Sie reichen vom Erkennen verschiedener Arten des Zählens und der Zeitangaben (Niveau A1) bis zu sensiblen, kontextadäquaten Handlungen und Ausdrucksformen, die Missverständnisse vermeiden helfen sollen. Rezeptive und produktive Kompetenzen sind oft in einem Deskriptor ebenso vereint wie Bezüge auf lebensweltliche Situationen und fiktionale Kontexte wie die RezeptionRezeption von Filmen und Literatur; so z.B. in einem der Deskriptoren auf dem Niveau C1: „Can sensitively explain the background to, interpret and discuss aspects of cultural values and practices drawing on intercultural encounters, reading, film, etc.“ (ebd.: 159).

Insgesamt entsteht der Eindruck, dass der Versuch gemacht wurde, alle fremdsprachlichen Handlungen – egal ob mündlich, schriftlich, rezeptiv oder produktiv – in einer Skala darzustellen. Es ist nicht vorstellbar, wie dies Curriculumsplanern oder Lehrkräften helfen soll, ein differenziertes Curriculum für bestimmte Jahrgangs- oder Leistungsgruppen zu erstellen und die erbrachten Leistungen zu bewerten. Wie in der ersten plurikulturellen Skala sind auch hier einige wenige Adverbien in einzelnen Deskriptoren zu finden, die Einstellungen skizzieren. Die Zusammenhänge zwischen Wissen, Erkennen von kultureller Differenz und achtsamem Handeln werden aber nicht detailliert und konsequent auf allen NiveaustufenNiveaustufe modelliert. Die Deskriptoren unterliegen nicht immer denselben Qualitätsmerkmalen: Manchmal sind sie anschaulich und konkret formuliert, daneben gibt es in der Skala auch sehr offene und abstrakte Deskriptoren, die mit den unterschiedlichsten Handlungen konnotiert werden können: “Can generally interpret cultural cues appropriately in the culture concerned“ (ebd.: 145). Dieser Deskriptor könnte sich auf ein lebensweltliches Gespräch beziehen, auf die Analyse eines Films, eines Weblogs oder auf die Interpretationen von Gesichtszügen eines Gegenübers – für Curriculumsplaner eher ein problematisches Beispiel für einen Deskriptor.

Die zwei weiteren Skalen dieses Kapitels sind plurilingualen Handlungen zugeordnet: einmal Deskriptoren zum plurilingualen Verstehen, also vorwiegend rezeptiven Kompetenzen, dann dem Aufbau eines plurilingualen Repertoires (ebd.: 160ff.), schließlich einer Skala, die rezeptive und produktive Kompetenzen mischt. Es erscheint wegweisend, dass die plurilinguale Kompetenz dargestellt wird, indem die Deskriptoren jeweils die Floskel „different languages“ als Platzhalter in den Deskriptor einfügen. So z.B. in einem Deskriptor auf der NiveaustufeNiveaustufe A2: “Can use simple warnings, instructions and product information given in parallel in different languages to find relevant information“ (ebd.: 160).

Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik

Подняться наверх