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2. Verhältnis Hochschule – Staat/Fakultät – Hochschulleitung
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Umstritten ist seit jeher, in welchem Maß der Universitäts-/Fakultätsvorschlag für die den Ruf erteilende Stelle bindend ist. Die Fragen nach der Bindung an den Berufungsvorschlag treten nicht nur bei einer Abweichung von der Reihenfolge des Berufungsvorschlags bei Ruferteilung auf, sondern auch bei der Listenrückgabe und beim sog. Oktroi.[17] Dabei kann der Staat/die Hochschulleitung „ultra vires“ handeln, ohne eine Auswahlentscheidung zugunsten eines bestimmten Bewerbers getroffen zu haben, im Falle
– | der Listenrückgabe, verknüpft mit der Aufforderung an die Hochschule/an die Fakultät, das anhängige Verfahren bspw. infolge eines vermeintlichen Verfahrensfehlers neu „aufzurollen“; |
– | der Listenrückgabe, verknüpft mit der Aufforderung, eine erneute Ausschreibung durchzuführen (bspw. wenn aus Sicht des Ruferteilers kein geeigneter Kandidat für das Aufgabenprofil der zu besetzenden Stelle gefunden worden ist); |
– | der Listenrückgabe, verknüpft mit der Aufforderung, das Verfahren bspw. aus planerischen Gründen abzubrechen (Umwidmung[18] bzw. Streichung der Professur). |
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Ferner kann die den Ruf erteilende Stelle „ultra vires“ handeln, wenn sie eine Auswahlentscheidung fällt, aber nicht diejenige, die ihr als „Hauptantrag“[19] unterbreitet worden ist. Diese Konstellation ist in der Praxis in ca. fünf bis zehn Prozent aller Fälle gegeben[20] (Ruferteilung in Abweichung von der Reihenfolge des Berufungsvorschlages). Die dritte Konstellation schließlich ist der sog. Oktroi.
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Die Rechtsprechung hat sich bislang zu der gesteigerten Bindungswirkung nicht nur des Vorschlags, sondern auch der in dem Vorschlag dokumentierten Reihenfolge der Kandidaten eher zurückhaltend geäußert. Sie räumt zwar regelmäßig ein, dass die unmittelbar infolge Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation eines Bewerbers der Hochschule zustehe und diese Teilentscheidung als Kernstück des Mitwirkungsrechts der Universität der staatlichen Bestimmung grundsätzlich verschlossen sei.[21] Das Bundesverwaltungsgericht führt jedoch auch aus:
„Diese (die Reihenfolge) hat der zuständige Minister rechtlich nur als einen unter mehreren Gesichtspunkten bei seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Sie hindert ihn nicht, einen Bewerber abweichend von der Reihenfolge des Berufungsvorschlags für die zu besetzende Professorenstelle auszuwählen und zu berufen, weil er seiner Einschätzung nach zu einer ausgewogeneren, vielschichtigeren Zusammensetzung der an der Hochschule vertretenen unterschiedlichen Lehrmeinung beizutragen vermag. Da auch dieser Bewerber von der Hochschule vorgeschlagen und deshalb auch ihrer Meinung nach für die Besetzung der Hochschullehrer qualifiziert ist, wird Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht berührt“.[22]
Hervorhebens wert ist in diesem Zusammenhang, dass die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte außerordentlich inhomogen ist. Während zum Teil explizit auch der Reihenfolge des Listenvorschlags eine Bindungswirkung zugebilligt wird[23], lässt bspw. der Bayerische Verwaltungsgerichtshof[24] den Listenvorschlag der Hochschule zu einer Anregung neben vielen anderen verkommen. Auch die landeshochschulrechtlichen Normen verschaffen in puncto Bindungswirkung keine endgültige Klarheit. Favorisiert wird von der Landesgesetzgebung die Formulierung: „Das Ministerium (bzw. der Rektor/der Präsident; Anm. des Verf.) ist an die vorgeschlagene Reihenfolge nicht gebunden“.[25] Demgegenüber findet sich in einigen Bundesländern auch heute (noch) die Formulierung.[26] Dies deutet immerhin auf einen Begründungszwang der den Ruf erteilenden Stelle bei der Abweichung von der Reihenfolge gegenüber der Hochschule/der Fakultät hin.[27] Wenngleich die unterschiedlichen Vorschriften der LHGe und die heterogene Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte auf einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab der Bindungswirkung hindeuten, existiert eine derartige Divergenz dem Grunde nach jedoch nicht:
„Die gesetzgeberische Aussage, der Dienstherr sei an die Reihenfolge des Berufungsvorschlags nicht gebunden, ist nämlich – zieht man den entsprechenden Wortlaut der Norm heran – mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbar; kann jedoch unter Berücksichtigung dessen, was dem Bundesverfassungsgericht wohl vorgeschwebt haben mag, wenn es auf die traditionelle Berufungspraxis abgehoben hat, verfassungskonform ausgelegt werden. Der Staat muss als Bestandteil des traditionellen Hochschulrechts die äußere Form der Listen als inhaltliche Reihung verstehen und in diesem Sinne auch akzeptieren“.[28]
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In einem mehrstufigen Berufungsverfahren mit klarer Aufgabenverteilung geht es also nicht um die „wechselseitige Korrektur“ bestimmter Entscheidungskomponenten, sondern um die deutliche Zuordnung bestimmter Teilentscheidungen zu bestimmten Entscheidungsträgern. Da die Teilentscheidung „fachliche Qualifikation“ von der Fakultät besetzt ist, ist es der den Ruf erteilenden Stelle verwehrt, auf diesem Gebiet tätig zu werden.[29] Materiell bindet der Vorschlag der Hochschule/der Fakultät die den Ruf erteilende Stelle bei der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung („Auswahlermessen“) hinsichtlich einer bestimmten Teilentscheidung. Bei dieser Teilentscheidung handelt es sich um die dem Vorschlag innewohnende Aussage darüber, wen die Hochschule/die Fakultät in fachlicher Hinsicht für geeignet und befähigt hält, das durch die öffentliche Ausschreibung umrissene Amt wahrzunehmen. Dabei ist der Staat/die Hochschulleitung nicht nur an den Vorschlag als solchen, sondern im Regelfall auch an die Listenreihenfolge gebunden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass diese Teilentscheidung einer wertenden Überprüfung staatlicherseits/durch die Hochschulleitung verschlossen ist. Dies gilt auch für die zum Teil praktizierte Einholung professoraler Obergutachten.[30]