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b) Verzicht auf die Ausschreibung
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Von der zwingenden Vorgabe, alle Professuren öffentlich auszuschreiben, hatte bereits das § 45 HRG 2002 zwei rechtlich und hochschulpolitisch bedenkliche Ausnahmen zugelassen.[66] Gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 HRG 2002 sollte von der Ausschreibung einer Professur abgesehen werden können, wenn eine Professorin oder ein Professor in einem Beamtenverhältnis auf Zeit oder einem befristeten Beschäftigungsverhältnis auf dieselbe Professur in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit oder einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis berufen werden soll. Diese „Privilegierung“ betrifft sowohl Professoren im Zeitbeamtenverhältnis als auch solche, die zunächst in einem befristeten Angestelltenverhältnis an einer Hochschule beschäftigt werden. Bereits vor Inkrafttreten des HRG 2002 spiegelte sich die hier seitens des Bundesgesetzgebers geregelte Fallkonstellation der sog. Erstberufung auf Zeit bspw. in den Hochschulgesetzen Bayerns[67], Baden-Württembergs[68] und Hessens[69] wider. Gemein war (und ist) diesen Landesgesetzen, dass sie gekoppelt an die Kategorie des (erstberufenen) Professors auf Zeit außerhalb eines ordentlichen Berufungsverfahrens Möglichkeiten für die Übertragung einer anschließenden Lebenszeitprofessur geschaffen haben. Derartige Regelungen sind aus mehreren Gründen rechtlich, aber auch hochschulpolitisch umstritten.[70] Erwähnt werden soll an dieser Stelle zum ersten, dass bereits die Konstruktion einer Erstberufung in ein Zeitbeamtenverhältnis, wenn dieses Zeitbeamtenverhältnis nicht besonders begründet wird, vor dem Hintergrund des Regelfalles der Verbeamtung auf Lebenszeit erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt.[71] Zum zweiten ist bis zum heutigen Tage nicht befriedigend geklärt, auf welcher Grundlage und in welchem Verfahren über die „Entfristung“ einer bestimmten Professur entschieden wird. Teilweise wird versucht, mittels Zielvereinbarungen bei der Berufung auf eine Zeitprofessur Parameter für die spätere Entfristungsentscheidung zu fixieren. Derartige Zielvereinbarungen sind potentiell geeignet, die Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit in der Amtsausübung in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise zu beeinträchtigen.[72] Auch wird gegen eine derartige Konstruktion vorgetragen, das Zeitbeamtenverhältnis sei – nicht zuletzt aufgrund des Typenzwangs der unterschiedlichen Arten des Beamtenverhältnisses – eine „Mogelpackung“, da es sich dem Grunde nach – mehr oder minder unverhohlen – um eine verkappte Erprobung handele.[73] Hierauf haben einige Gesetzgeber nun auch – freilich mit mehrjähriger Verzögerung – reagiert.[74] Zum dritten erscheint es zumindest sehr problematisch, ob überhaupt im Hinblick auf die Besetzung von (Universitäts-)Professuren von einer öffentlichen Ausschreibung abgesehen werden kann, da hierdurch das Prinzip der Bestenauslese erheblich tangiert werden dürfte.[75] Aktuell ist freilich zu konstatieren, dass beinahe alle Bundesländer in den Hochschulgesetzen die Möglichkeit vorsehen, von einer Ausschreibung der Professur absehen zu können, wenn ein Professor in einem befristeten Dienstverhältnis auf eine unbefristete Professur berufen werden soll.[76] Die Bedingungen hierfür sind einmal restriktiver und einmal generöser gefasst. So kann bspw. in Rheinland-Pfalz und in Sachsen die „Entfristung“ nur in Bezug auf „dieselbe Professur“ erfolgen[77], während – ebenso exemplarisch – Nordrhein-Westfalen diese Möglichkeit bedingungslos eröffnet.[78]
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Als „neuere“ Entwicklungstendenzen finden sich in den LHGen darüber hinaus drei Fallkonstellationen, in denen ebenfalls vom Gebot der Ausschreibung abgesehen werden kann. Verkürzt lassen sich diese Konstellationen als „Fast Track“; als „Short-List-Verfahren“ und als „Tenure Track“ bezeichnen.
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Das Fast-Track-Verfahren ist ein deutliches Indiz für ein rapide zunehmendes Wettbewerbsverhalten der Hochschulen untereinander. Maßgeblich hierfür sind die Föderalismusreform, die Implementierung der W-Besoldung[79], die Verlagerung der Ruferteilungskompetenz auf die Hochschulleitungen[80] und die Erosion des sog. KMK-Kartells.[81] Inhalt der Fast-Track-Vorschriften ist regelmäßig eine angemessene Reaktion der Heimathochschule auf ein an den Hochschullehrer gerichtetes attraktives externes Rufangebot. So erklärt sich die Aussage, von einer Ausschreibung könne auch abgesehen werden, um einen Professor, der ein Berufungsangebot einer anderen Hochschule erhalten hat, durch das Angebot einer höherwertigen Professorenstelle an der Hochschule zu halten.[82] Ersichtlich kann hiermit im Ergebnis auch eine besoldungsrechtliche „Beförderung“ (z.B.: C 3 → W 3 oder W 2 → W 3) realisiert werden, die ihre Grundlage im Hochschulrecht, nicht aber im Besoldungsrecht haben muss.[83]
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Auch für das Short-List-Verfahren ist der Verzicht auf die Ausschreibung prägend. Das Short-List-Verfahren ist nicht nur aus Gründen des Prinzips der Bestenauslese juristisch bedenklich[84], sondern auch deshalb, weil in diesem abgekürzten Verfahren in mehr oder minder intensiver Weise die Partizipation der Fakultäten am Berufungsverfahren verkürzt wird.[85] So kann in Sachsen der Rektor nach „Anhörung“ des Fakultätsbeirates die „außerordentliche Berufung eines Wissenschaftlers, der sein Fachgebiet nachweislich geprägt hat, einleiten, um einen profilbildenden Bereich der Hochschule aufzubauen, zu erneuern oder nachhaltig zu stärken“.[86] Diese Begründungshülse vermag nicht davon abzulenken, dass das Short-List-Verfahren letztlich als Machtinstrument scheinbar strategisch handelnder Präsidenten/Rektoren missbraucht werden kann. Es führt in jedem Fall zu einem Mehr an Intransparenz und definitiv nicht zu einem Qualitätszuwachs des Berufungswesens. Auch das vermeintliche Motiv der Verfahrenszügigkeit greift nicht, da heute auch „ordentliche“ Berufungsverfahren schneller denn je zuvor durchgeführt werden.[87]
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Die dritte Fallkonstellation, in der nach Maßgabe des Landesrechts auf die öffentliche Ausschreibung verzichtet werden kann, ist die originär in § 45 Abs. 1 S. 3 HRG 2002 eröffnete Ermöglichung eines „Tenure Track“ für Juniorprofessoren, die in das Gesetzgebungsverfahren zum 5. Änderungsgesetz zum HRG erst auf Initiative des Wissenschaftsrates[88] hin aufgenommen worden war. Von dieser Option haben inzwischen – auch nach der Föderalismusreform – die meisten Bundesländer Gebrauch gemacht.[89] Auch in diesem Zusammenhang sind verfassungsrechtliche Bedenken anzumelden. Bewusst wird durch einen Verzicht auf die Ausschreibung die Bewerberauswahl für eine (Universitäts-) Professur auf Lebenszeit verengt. Externe Konkurrenz wird ausgeschlossen. Dies ist gewollt, da nach der amtlichen Begründung zum HRG 2002 durch die Einführung eines „Tenure Track“ den Juniorprofessoren Planbarkeit und Sicherheit im Hinblick auf ihren Karriereweg vermittelt werden soll.[90] Da zwingende Gründe für einen Verzicht auf die öffentliche Ausschreibung auch in diesem Kontext nicht ersichtlich sind, bestehen auch gegen die insoweit vorgesehenen Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht wegen des Prinzips der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) nach wie vor erhebliche Bedenken[91], die sich verschärfen, wenn der „Tenure Track“ in der ursprünglichen Ausschreibung keine Erwähnung fand. Inzwischen wird der „Tenure Track“ vereinzelt auch in Konstellationen „W2 → W2/W3“ praktiziert.[92]