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Kapitel 11 Liebelei

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Immer, wenn Ihmel tom Brook das Wort an seine schöne Tischdame richtete, bemerkte sie das merkwürdige Glitzern seiner Augen. Foelke wusste nicht genau, ob das seine Art war, oder nur geschah, wenn er mit ihr sprach. Entzückt versuchte sie, dieses seltsame Glitzern seiner Augen herauszufordern. Es wirkte angenehm erotisierend auf sie. Ein Spiel mit dem Feuer? Gewiss, aber ein unerhört fesselndes. Wenn Ihmel seinen Arm vertraulich um ihre Schultern legte, sie sanft an sich zog, empfand sie wohlig die warme Ausstrahlung seines Körpers, und sie wehrte sich nicht einmal gegen seine Hand, wie sonst, wenn ein Mann sie umfassen wollte.

Während nach alter Sitte das Trinkhorn kreiste, stieg die Stimmung. Das heisere Grölen vieler Männerkehlen und helle Gelächter der Frauenstimmen wurde immer lauter und ausgelassener.

Ihmel tom Brook aber beschäftigte sich damit, Foelkes schmale Taille zu umfangen oder gar seine Hand über die weiche Linie ihrer Hüfte entlang zum Oberschenkel gleiten zu lassen. Dann und wann schmiegte Foelke ihren Körper in seine Hand oder ließ bedeutungsvoll ihre Finger mit sanftem Druck über sein Knie gleiten. Das schickte sich nicht, sie wusste es. Aber, sie hatte ein Ziel vor Augen... „Weißt du, was für eine wunderbare Frau du bist?” fragte Ihmel ganz nah an ihrem Ohr, so dass sein heißer Atem ihre Wange streifte.

„Das hat mir noch niemand gesagt. Wie sollte ich es da wissen?” entgegnete sie kokett und führte den Becher an die Lippen.

„Natürlich weißt du es. Du weißt es doch. Gib es zu, dass du es weißt”, beharrte Ihmel und der Druck seiner kräftigen Finger wurde fordernder. „Wenn du es sagst, wird es wohl so sein.” Sein Gesicht war ganz nah dem ihren, hochrot vom Genever, mit kleinen Schweißperlen auf der Stirn und bebenden Nasenflügeln. „Magst du mich? Foelke, sag, magst du mich?” drängte Ihmel mit vibrierender Stimme als sie nicht sofort antwortete.

„Ich glaube schon.” „Ehrlich? Sag ehrlich, ob du mich magst.”

„Ja doch, ich mag dich.” „Sehr? Magst du mich sehr? Noch viel mehr?” Sein ausgeprägter Gurgelknoten bewegte sich unruhig auf und ab.

„Vielleicht?” „Das heißt ‚ja’, nicht wahr? Sag doch, dass es ,ja’ heißt.”

„Ich weiß nicht.” Es fiel ihr schwer, nicht zuzustimmen. Von neuem begann Ihmel sein Spiel. Er umklammerte ihre Taille, rieb sein Knie an dem ihren...

Mein Gott, wenn er nicht bald aufhört, werd’ ich noch schwach, dachte sie verzweifelt. Eine anständige Frau darf aber nicht schwach werden. Das zärtliche Raunen seiner sanften Stimme an ihrem Ohr raubte ihr den Verstand. Ihr fehlte schon jetzt die Kraft, sich seinem Arm zu entwinden. „Ich muss dich wiedersehen, Foelke. Ich muss! Nicht, wenn die andern dabei sind. Wir beide allein. Werde ich dich wiedersehen?”

„Ich weiß nicht. Das liegt nicht bei mir.”

„Du weißt nicht? Sag doch ‚ja‘, Foelke! Sag einfach ja! Du willst es doch auch oder nicht? Du willst doch, Foelke. Sag ja.”

„Nein.” - „Was heißt das? Du willst mich nicht wiedersehen?” - „Nein.”

„Du beleidigst mich! - Du willst nicht ja sagen?“

Sie schüttelte schamhaft den Kopf.

„Ich verstehe, du willst nur nicht ,ja’ sagen. Aber das wirst du noch, eines Tages wirst du es tun und dann... Vielleicht noch heute.”

Da kam das Trinkhorn erneut zu ihr; ein herrliches Stück, reich verziert mit Goldbeschlägen und goldenem Standfuss. Aber es entglitt Foelkes feuchten Fingern und der rote Wein ergoss sich über ihr Kleid. Oh Gott, wie peinlich! Und während Ihmel tom Brook sich bückte, das Trinkhorn aufzuheben, sprang sie hastig auf und eilte aus dem Saal.

Das kühle Dämmerlicht des Flures umfing sie. Nur eine einzige Fackel am Ende des Ganges spendete dürftiges Licht. Foelke lief den Gang hinunter, fort, nur fort... Vor sich selbst lief sie fort. Oder hoffte sie, dass Ihmel tom Brook ihr folgen würde? Sie wusste es nicht, wusste nur eines: nie zuvor hatte ein Mann solch Feuer in ihr entfacht, nie zuvor... Selbst Folkmar Allena, den sie liebte, oder doch zu lieben glaubte, war das nicht gelungen.

Sie eilte den Gang hinunter, hin zur rot züngelnden Flamme der Fackel. Dort blieb sie stehen, presste die zitternden Hände auf ihr flatterndes Herz, um sich zu beruhigen. Sie horchte. Hörte sie nicht eben rasche Schritte hinter sich? Sie wandte sich um. Nein, eine Sinnestäuschung, niemand, keine Menschenseele, nur überreizte Nerven. - Prüfend betrachtete sie ihr Kleid, putzte sinnlos daran herum. Nein, so ließ sich der hässliche Rotweinfleck auf ihrem Schoss nicht entfernen. „Ich werde das in der Küche auswaschen müssen”, murmelte sie halblaut vor sich hin und ging zurück in die andere Richtung des Flures, wo sie die Wirtschaftsräume wusste.

Gedämpft durch die schwere Eichentür drang dumpf wie Meeresbrausen hitziger Lärm aus dem Prunksaal. Wie dunkel es hier war! Sie hätte doch die Fackel mitnehmen sollen. Vorsichtig tastete sie sich an dem rohen Gemäuer entlang, die feuchte Kühle der Steine, die raue Härte des hervorquellenden Muschelkalks in ihrer Handfläche fühlend. Da! Was war das? Etwas Weiches! Foelke wollte aufschreien, aber harte Finger verschlossen ihren Mund. Wie eine Wildkatze wehrte Foelke sich gegen die kräftigen Arme, die sie eisern umschlossen. „Warum so widerspenstig, meine Schöne. Fürchtest du dich etwa vor mir?”

„Wie sollte ich mich nicht fürchten. Ich wusste ja nicht, wer so unverschämt über mich herfällt!” fauchte Foelke zurück.

„Aber jetzt weißt du es, nicht wahr? Und du hast nichts mehr dagegen?” Warme Lippen senkten sich auf ihren Mund, gaben sie nicht eher frei, als bis sie in heftiger Gefühlsaufwallung den Kuss erwiderte.

„So ist es schon viel besser.” Der Mann drängte sie in eine der Bettbutzen, die auf dem Flur zwecks Beherbergung von Übernachtungsgästen in die Wände eingelassen waren.

„Was willst du von mir?!”

„Was ich von dir will? Weißt du das nicht? Ich nehme mir mein Eigentum.”

„Ha! Dein Eigentum! Ich bin niemandes Eigentum!”

„Komm, sei nicht so spröde, die Zeit drängt.”

„Nein, das darfst du nicht! Das dürfen wir doch nicht. Geh’ lieber, ich bitte dich, geh! Wenn mein Bruder uns hier entdeckt!”

„Der ist total beschäftigt. - Du liebst mich doch. Ich spüre, dass du mich liebst. Sag es, Foelke, sag es!”

„Ja, ja, ich liebe dich, aber jetzt geh. So geh’ doch endlich!” Als Antwort verschloss ein Kuss ihre Lippen, besitzergreifend und leidenschaftlich. „Ich wusste gar nicht, dass du so küssen kannst”, flüsterte sie atemlos.

„Aber ich wusste, dass du es kannst, Liebchen”, raunte der Mann. „Was hast du da?” Sein Mund küsste die feuchte Stelle auf ihrem Rock.

„Einen Rotweinfleck, nichts weiter.”

„Welch verheißungsvoller Ort!” Er legte seinen Kopf in ihren Schoss, und seine Hände streichelten das letzte Aufbäumen ihres schwachen Widerstandes fort. Jeden Nerv brachten diese wissenden Hände zum Entzücken, schürten das Verlangen, ließen Saiten erklingen, von deren Vorhandensein Foelke bisher nichts geahnt, nichts gewusst hatte. Ihr Körper bebte, und all ihre guten Vorsätze zerstoben wie Spreu im Wind... Unvermutet ließ von ihr ab. „Ihmel tom Brook hat gute Vorarbeit geleistet. Es wäre unanständig von mir, das auszunutzen.”

Brüsk richtete Foelke sich auf: „Heißt das, du willst mich gar nicht?”

„Hm, dachtest du, ich würde meine kleine Braut betrügen am selben Tag, an dem ich mein Wort gab? Bin ich ein Schurke?”

Foelke suchte sein Gesicht zu erkennen, doch milde entzog die Dunkelheit ihr den Anblick seines belustigten Lächelns. „Ja, das bist du! - Und ich? Was willst du von mir? Warum hast du das getan?”

Eine Welt stürzte in ihr zusammen. Hatte sie wirklich geglaubt, ihn doch noch zu erringen? Ratlos, den Tränen nahe, wollte sie ihm jedoch nicht zeigen, wie tief sie sich verletzt fühlte.

„Ich wollte ein schönes Weib küssen. Ist das verwerflich? Du bist ein schönes Weib und ein hübscher Zeitvertreib! Ein sehr hübscher sogar. Im Übrigen - du kannst mein Kebsweib werden, wenn du möchtest. Ist das ein Angebot?” Er lachte leise. - Das traf! Zurückgestoßen, beleidigt, obendrein auch noch verhöhnt! Wilder Zorn loderte in ihr auf. In rasendem Schmerz schlug sie ihm ins Gesicht und er sprang verblüfft auf. „Ich bin keine deiner Diken, die auf dem Deich darauf warten, Seeleute abzuschleppen! Verstehst du? Du behandelst mich wie eine Hure! Aber das bin ich nicht! Das wirst du nie wieder tun, Folkmar Allena, nie wieder! Oder du wirst es bitter bereuen, sehr bitter!” Sie schubste ihn beiseite, ordnete fahrig ihre Röcke. „...sonst richte ich dich zugrunde und mein Bruder stampft dich in Grund und Boden, dass dir Hören und Sehen vergeht, mein Lieber...” Foelke straffte ihren Körper, warf den Kopf in den Nacken und stürzte davon.

Eher laut als schön klangen Rundgesänge durch die alkoholschwangere Luft - zu dieser vorgeschrittenen Stunde mit recht obszönem Inhalt. Die Spielleute heizten die Stimmung kräftig an, ihre deftigen Lieder mit nicht minder deftigen Körperbewegungen unterstreichend. - Hin und wieder meldeten sich die Hunde mit schauderhaftem Gejaule, vielleicht, wenn ihnen der Lärm gar zu lästig wurde. - Noch immer hatten die Bordmägde alle Hände voll zu tun, schleppten ständig neue Krüge mit Bier herbei, die im Nu wieder geleert waren. Von der weißgescheuerten Reinlichkeit der Eichentafel sah man schon lange nichts mehr. Braune Fett- und Bierflecken, blaurote Weinlachen - eine obskure Moorlandschaft, in die sich das zarte Grün welkender Birkenreiser seltsam harmonisch einfügte.

Gelangweilt und schon reichlich müde saß Adda tom Brook vor ihrem Bierkrug. Foelke schien es nicht anders zu gehen. Ganz allein hockte sie unten an der Tafel, denn Addas Vater hatte sich, nachdem Foelke ihm davongelaufen war, den Würfelspielern angeschlossen und zechte nun eifrig mit seinen Freunden. Wie Adda zufrieden feststellte, war Foelkes Gesicht ungewöhnlich bleich. Ob es ihr nicht gut ging? Stumpf starrte sie auf ihre Hände, verzog keine Miene als Addas Onkel Haro seine Possen riss, um sie zum Lachen zu bringen. Auch nicht das kleinste Lächeln spielte um ihren hübschen Mund.

Addas Aufmerksamkeit wurde von Folkmar Allena in Anspruch genommen. „Wird dir das Diadem nicht zu schwer?” fragte er. „Ich finde, es passt gar nicht zu dir.“

„Es ist von meiner Mutter.“

„Ach ja? Das sieht man.“

„Wieso? Ist es nicht schön?“

Folkmar ging nicht darauf ein: „Schau dir die Veilchen an! Ich habe sie gerade gepflückt, unten am Burggraben, wo du gestern..., na ja, wo sich das Missgeschick zugetragen hat. Da habe ich sie auch entdeckt, als ich dich aus dem Wasser gezogen habe. Du lagst auf einem riesigen Teppich blauer Veilchen.”

„Ja? Das weiß ich gar nicht.“ Er pflückt Veilchen? Ein Mann wie er?, dachte sie und sagte: „Ich habe wohl vergessen, mich für die Rettung zu bedanken.”

„Ein glücklicher Zufall, nicht wahr? Ein gutes Omen für uns, denkst du nicht auch? - Aber sieh nur, sie haben die gleiche Farbe wie deine Augen und würden so viel besser dein Haar schmücken als dieses Ding da. Darf ich es abnehmen?” Offenbar erwartete er keine Antwort, sondern löste mit geschickten Fingern das Diadem und schob stattdessen die duftenden Veilchen zwischen die Haarflechten. Ein neuer Rundgesang verschluckte Addas wirres Gestammel, mit dem sie ihren Dank ausdrücken wollte.

Foelke sang nicht mit, das konnte sie einfach nicht. Zu tief verletzt - zuerst von Ihmel tom Brook und dann auch noch von Folkmar Allena. Zum Narren gehalten, gedemütigt, geschmäht, beleidigt! Wie entsetzlich dumm war sie gewesen! Aber warum hatte man solch böses Spiel mit ihr getrieben? Überheblichkeit? Gedankenlosigkeit? Gab es überhaupt einen Grund für dieses impertinente Verhalten? Nein, den gab es nicht, nur die übliche Arroganz der Männer. Sie würde es diesen unverschämten Kerlen heimzahlen! Der Tag würde kommen, an dem sie sich daran erinnern würde, das war so sicher wie das ‚Amen’ in der Kirche. Dann würde sie kalt lächelnd ihre Rache auskosteten. Gewaltsam straffte sie sich, schob die üblen Gedanken von sich und beschloss, den Rest der Nacht in vollen Zügen zu genießen. Sich trüben Gedanken überlassen? Nein, das würde den Sieg der Männer nur noch vergrößern. Und wenn das Herz auch blutete, ihr Gesicht sah fröhlich aus und ihr Mund lachte, wenngleich die Augen keinen Anteil nahmen.

In den frühen Morgenstunden ging es übermütig über Tisch und Bänke. Der Schnaps floss in Strömen, wie auch der Schweiß, und der Geruch der vielen Menschenleiber mischte sich unangenehm mit dem im Raum stehenden Dunst der Speisen und Getränke. Schon lange schmurgelten nur noch letzte Reste dicker Holzscheite in den Kaminen, aber die unermüdlichsten der Gäste ließen immer noch die Bernsteinwürfel tanzen und zechten wacker bis zum Umfallen.

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