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Kapitel 17 Adda zurück auf Burg Broke

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Mild und lau ist die Nacht gewesen, angefüllt mit einer Vielzahl köstlich frischer würziger Düfte. Eine Nacht zum Träumen, geschaffen für die Liebe..., nicht für Mord! Adda kann kaum verstehen, was auf der Itzinga-Burg vorgefallen ist, kann es immer noch nicht fassen.

Im Morgengrauen trifft sie mit ihrem Geleit auf Broke ein. Die Burg – noch nicht zum Leben erwacht. Die mürrische Wache am Tor – nur widerstrebend bereit, sie einzulassen. - Nun sitzt Adda in der Küche, kaut unlustig eine der herumliegenden Möhren und wartet, dass der Großvater endlich herunterkommt oder dass man sie zu ihm vorlässt.

Den ganzen Weg über – von Norden bis nach Broke – war Adda damit beschäftigt gewesen, den Hergang des Verbrechens nachzuvollziehen. Und sie musste sich fragen, ob sie nicht mitschuldig war, dass es überhaupt geschehen konnte. Gewiss, niemand würde ihr einen Strick daraus drehen, dass sie nicht früh genug, nicht sofort alles aufgeschreckt hatte, noch würde sie überhaupt jemand für dieses furchtbare Ereignis verantwortlich machen wollen. Trotzdem aber hatte sie es peinlichst vermieden, zu bekunden, dass sie schon lange vor ihrem Hilferuf gewarnt gewesen war. Wegen ihrer Feigheit war Eberhard Itzinga gestorben. Eines Tages würde sie vor einem höheren Richter stehen und sich dafür verantworten müssen. Was sollte sie dann zu ihrer Verteidigung vorbringen? Schlichte Feigheit? Nein, sie musste dafür sorgen, dass der Schuldige bestraft wurde! Einen anderen Weg, sich reinzuwaschen, konnte es in ihren Augen nicht geben.

Nach einer endlosen Stunde des Wartens hörte Adda ihren Großvater den Flur entlang schlurfen. Er fluchte wie ein Henker, weil man ihn unnützerweise zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett gerissen habe. Entsprechend unfreundlich fiel auch die Begrüßung aus, die er seiner Enkeltochter zuteil werden ließ. Adda bemerkte es nicht oder wollte es nicht zur Kenntnis nehmen. Sie fiel ihrem Großvater um den Hals, und der drückte seine ‚lüttje Puppe’ - schon fast wieder versöhnt - an sich. „Großvater, ich bin gekommen, weil..., ich bin... wie soll ich es sagen... Ich bin als Überbringer eine Nachricht hier, Großvater, und es ist keine gute Nachricht.”

„So, so als Büttel. Haben die Itzinga keinen eigenen Büttel? - Als Büttel von was bist du da? Schlechte Nachrichten? Was soll das heißen?” Fragend zog Keno die borstigen Brauen zusammen, ein wurzeliger, missgelaunter Greis, unausgeschlafen und verknittert. Wie sollte Adda anfangen? Und wo? Sie durfte nicht mit der Tür ins Haus fallen, nein, das ging wirklich nicht... Nervös knetete sie ihre Finger, sagte dann abgehackt: „Großvater, wir sind... überfallen worden.” Sie zitterte plötzlich am ganzen Leibe, zitterte wie Espenlaub, konnte nicht aufhören zu zittern.

„Was heißt das, ihr seid überfallen worden? Hat man die Itzinga-Burg angegriffen? Kannst du dich nicht verständlich ausdrücken, dass dir jeder normale Mensch folgen kann?” fragte Keno barsch zurück.

„Ja, das heißt... also wir sind... wir haben mit ihnen getanzt und in der Nacht... sie sind gekommen und wollten... wollten uns ermorden...”

Addas Großvater sog scharf die Luft durch die Nase, zog sich einen Schemel herbei, setzte sich erst einmal: „Beruhige dich, Lütte. Sei ganz ruhig”, er legte seine große schwere Hand auf Addas Finger, „hier kann dir nichts geschehen, ich bin ja da. Und dann erzähle, ganz langsam, der Reihe nach. Nein, warte noch, Hima soll dir erst einen Becher Tee bringen.” „Nein, nein, das ist nicht nötig. Es war nur die Aufregung und die Anstrengungen... und du warst so böse. – Aber jetzt geht es schon besser, viel besser”, lächelte Adda mit schwimmenden Augen. - Nein, nun brauchte sie keinen Tee mehr. Da sie jetzt die Anteilnahme, das Verständnis ihres Großvaters fühlte, fiel es ihr leichter, alles zu erzählen. - Nach einer Weile wurde trotzdem ein Topf Pfefferminztee gebracht. Tatsächlich, es tat wirklich gut, das heiße Getränk zu schlürfen. Erst jetzt bemerkte Adda, wie durchgefroren sie von dem nächtlichen Ritt war.

„Oh, Großvater, es war alles so schrecklich! Das lodernde Feuer, Djudelt, die kreischenden Mägde und die tollpatschigen Knechte, die sich selbst im Wege standen. Zum Glück ist es ihnen trotzdem gelungen, den Brand zu löschen. Weiß Gott, sonst säße ich nicht hier. Als endlich das Feuer aus war, sah man erst das Unglück in seinem ganzen Ausmaß! Ich sage dir, Großvater, es war grauenhaft. Wie Eberhard Itzinga dalag, halb über dem toten Scholaren, beide das Messer noch in der Faust, mit dem sie sich gegenseitig erstochen hatten. Halb verkohlte Körper, die Stichwunden noch gut zu erkennen. Wunden überall, in Brust und Leib, in Armen und Beinen. Grausig hatten sie einander zugerichtet.” Weinend schlug Adda die Hände vors Gesicht; die ersten erleichternden Tränen. „Großvater, was soll ich nur tun?” schluchzte sie. „Ist es die Strafe Gottes, weil ich die Trauerzeit nicht eingehalten habe? Ich bin ja so unglücklich, so schrecklich unglücklich!”

Tröstend zog Keno sein Enkelkind in den Arm, drückte es warm an seine Brust: „Ganz ruhig, Lütte, ganz ruhig. Was soll ich tun, um dich zu beruhigen? Was zu essen? Nein? - Wir werden alles wieder ins Lot bringen. Ich werde den flüchtigen Mörder fangen. Das dürfte so schwer nicht sein, wo du ihn doch gesehen hast..., du und viele andere auch. Eines möchte ich noch wissen: Was denn mit Djudelt geschehen ist. Ist sie unverletzt geblieben?”

„Djudelt? Ja, das heißt, nein. Ach, beinahe hätte ich’s vergessen. Djudelt kriegte zu allem Überfluss ihre Wehen. Es ist wohl der Schreck und die Aufregung gewesen... Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Hättest du’s gewusst, Großvater?” Der zuckte die Schultern: „Ich denke, es brannte...”

„Ja, natürlich, das auch. Damit waren die dummen Knechte und die hysterischen Mägde genug beschäftigt. Ich stand ganz allein da. Wenn wenigstens Hima dagewesen wäre! Zum Glück wusste Djudelt selber, was zu tun war. Ich half ihr in den Prunksaal und sie trug mir auf, heißes Wasser und saubere Leintücher zu besorgen. Ich war völlig durcheinander als ich zur Küche rannte, das kannst du mir glauben. Da entdeckte ich am Herd ein schnarchendes Weiblein. Ich schrie die Alte an, rüttelte sie, kreischte und zeterte, aber sie verstand nichts, rein gar nichts. Sie war nämlich taub! Du kannst dir nicht vorstellen, wie verzweifelt ich war, Großvater! Was sollte ich tun? Mit Händen und Füßen machte ich der Frau klar, dass Djudelt in den Wehen lag, und plötzlich begriff sie und half mir nach Kräften. Gott sei Dank! Es kam mir vor, als ob Djudelts Schmerzen kein Ende nehmen wollten. Aber am Ende ging alles ganz schnell. Schließlich kam zu allem Überfluss auch noch der kleine Eberhard mit seiner Schwester an der Hand gelaufen. In der Aufregung wusste ich nicht, wohin mit den Kindern. Zum Glück kam ihre Kinderfrau daher... Inzwischen kam Djudelt nieder. Als ich zurückkam, lag das Kind schon auf dem Boden, blutig und schreiend. Zuerst dachte ich, das ist krank, war aber nicht so. Ein Mädchen übrigens, ein süßes Kind. Es heißt Adda, so wie ich, weil ich es vom Boden aufgehoben habe. Ich war vollkommen fertig, als alles vorbei war! Beim Leben des Neugeborenen habe ich geschworen, den flüchtigen Mörder zur Strecke zu bringen. Ich habe wohl den Mund ein bisschen zu voll genommen, fürchte ich. Wenn du mir nicht hilfst, muss ich eidbrüchig werden, zumal der Mörder längst über den Deister sein dürfte.”

Keno lächelte und sagte seidenweich: „Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Aber schlaf erst einmal richtig aus, dann sieht alles schon ganz anders aus.” Adda bezweifelte das, aber sie gehorchte. Es mochte wohl doch das Beste sein, erst einmal auszuruhen.

Die Sonne stand schon hoch im Zenit als Adda aus ihrem Erschöpfungsschlaf erwachte. Einen Augenblick wunderte sie sich, in einem sonnendurchfluteten Zimmer zu liegen, aber dann fielen ihr die schrecklichen Ereignisse wieder ein. Zum Glück kam Hima bald und zerstreute ihre Gedanken von ‚Mitschuld’ und ‚Strafe Gottes’. Trotzdem gelang es der kleinen Frau nicht, Adda von der fixen Idee abzubringen, ihren Onkel Edzard von Greetsiel um Mithilfe bei der Suche nach dem Verbrecher zu bitten. Keno hingegen hatte nichts gegen die Absicht seiner Enkelin einzuwenden. Für ihn galt es als selbstverständlich, diesen Mord zu rächen. Zweifellos musste ein Aufgebot gegen die Harlinger zusammengestellt werden. Besser natürlich, sich zu diesem Zweck zu verbünden, um die Gefahr unliebsamer Überraschungen möglichst gering zu halten.

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