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Kapitel 18 Greetsiel - Circsena-Burg

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Strahlend begrüßte Adda ihre Tante Doda, küsste ihr leicht die runden roten Wangen. Sie wolle mit ihrem Onkel Edzard sprechen.

„Edzard? Der ist wohl am Hafen, denke ich, muss aber jeden Augenblick zurückkommen. Was gibt es denn? Komm, setz dich.” Sie umfasste mit der Rechten Addas Taille und meinte, sie sähe übernächtigt aus. Es folgte der Rat, mehr zu schlafen und weniger über dem Schachbrett zu brüten. Adda wehrte ab, sie habe schlechte Nachrichten. Doda bat sie ins Haus. Auf dem Treppenabsatz wandte sie sich noch einmal um: „Ah!” rief sie. „Da kommt er ja und Ulrich ist auch dabei!” Wartend blieben sie in der Tür stehen, um die Ankömmlinge zu begrüßen.

„Sieh’ an, unsere kleine Nichte! Was führt dich her?” fragte Edzard munter. „Sie hat schlechte Nachrichten, Edzard”, antwortete Doda anstelle von Adda. Er fragte nicht nach, sondern bat sie ins Haus: „Wir können ein kühles Bier vertragen, nicht Ulrich?” „Ja, eine Hitze ist das heute”, brummte der und wischte sich den Schweiß mit dem Ärmel aus dem kantigen Gesicht. Adda fand es gar nicht heiß, aber ein kühles Bier war dennoch nicht zu verachten. Gemeinsam machten sie es sich in den schön geflochtenen Korbsesseln bequem.

Tante Doda besaß eine glückliche Hand und Geschmack, wenn es darum ging, Gemütlichkeit zu schaffen. Das sah man auf den ersten Blick. Dicke, weiche Teppiche auf dem Boden, Reh- und Schwarzwildfelle an den Wänden, wolligweiche Kissen überall.

Nachdem die Zinnbecher gefüllt waren, erzählte Adda das Unglück von der Itzinga-Burg. Edzard Circsena schien gelassen, aber sein Bruder Ulrich machte keinen Hehl aus seiner Empörung. Immer wieder schüttelte er den Kopf und zupfte sein Ohrläppchen. Das tat er immer, wenn er verärgert war. Aber auch Edzard konnte sich nicht vollkommen beherrschen. Beunruhigt schüttelte er seine sorgsam ondulierte Mähne. Als Adda abschließend die Frage stellte, ob er sich mit seinen Leuten an dem Strafzug beteiligen werde, zog er allerdings die Brauen zusammen. Das drückte eher Unbehagen als Begeisterung aus. Dann rieb sich mit seinen schönen, langgliedrigen Fingern die Nase, und Adda dachte, er suche vielleicht nach einem geeigneten Zeitpunkt für den Strafzug. Die Antwort überraschte umso mehr: „Nein, das werde ich nicht tun”, erwiderte er endlich.

„Aber er ist doch auch dein Anverwandter gewesen... und du, du willst ihn nicht rächen?” fragte Adda ungläubig.

„Anverwandter hin, Anverwandter her - es ist ungesund, sich in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen. Das war schon immer so und wird auch so bleiben”, meinte Edzard lakonisch.

„Ganz richtig, ungesund!” spottete Adda. „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.”

„Du sprichst von Dingen, die du nicht verstehst.”

„Nicht verstehst!” wiederholte sie verächtlich. „Nicht verstehst! Ich verstehe sehr gut, Onkel Edzard. Du willst dich da heraushalten!”

„Mein liebes Kind, weißt du auch, dass Eberhard Itzinga ein rechter Schweinehund gewesen ist? Er hat in der Vergangenheit mehrere Harlinger Schiffe gekapert.” Ja, das wusste sie. Eberhard Itzinga – ein Pirat – ein Teufelskerl! Und sie entgegnete starrsinnig, dass man ihn deswegen nicht gleich hätte ermorden müssen. „Ha, wie Klein-Adda sich das vorstellt!” lachte Edzard verletzend und schlug sich belustigt auf die Schenkel. „Denkst du, das ginge ohne Blutvergießen ab, wenn ein Schiff gekapert wird? Weißt du, wen Eberhard bei den Überfällen alles getötet hat?” „Eigene Schuld, wenn sie nicht auf ihre Schiffe aufpassen können”, widersprach sie trotzig.

„Darüber zu urteilen, steht dir nicht zu, mein Kind. Ich sage es noch einmal: Eberhard war ein rechter Schweinehund!” Wie samtweich seine Stimme klang! Adda kochte vor Zorn. Er nannte sie respektlos „mein Kind“. Allein das machte sie rasend: „Was sagst du da? Er war der tapferste Mann, den ich je gekannt habe!”

„Tapfer? Weil sein Gesicht entstellt war, meinst du wohl? Weil ihm ein halbes Ohr fehlte?” Edzard lachte aufreizend. „Das hat er als Scholar abgekriegt, weil er seine schnellen Schuhe vergessen hatte! Ha, ha, ha!” „Edzard! Nicht doch”, warf Doda beschwichtigend ein. „Was hat denn Vater dazu gesagt?”

„Dein Vater, Doda? Danach brauchst du nicht erst zu fragen. Der ist doch froh, wieder mal das Schwert schwingen zu können.”

„Das darfst du nicht sagen, Edzard.”

„Warum nicht? Es ist doch so. Lass mich das Kind ruhig beim Namen nennen. Krieg ist sein Lebenselixier!”

Ulrich hatte sich bisher zurückgehalten, aber nun glaubte er doch, eingreifen zu müssen: „Ach, das ist alles dumm Tüch. Wart’s ab, morgen sieht alles anders aus.”

„Mitnichten, Onkel Ulrich, mitnichten. Ach, ihr wollt nur eure Ruhe!” ereiferte Adda sich, verwirrt, enttäuscht, gereizt... Was hatte sie sich denn eingebildet? Dass alle mit Vergnügen in den Krieg ziehen, wenn sie das wünschte? Edzard warf seiner Nichte einen geringschätzigen Blick zu: „Und wenn es so wäre? Vielleicht wirst du eines Tages froh sein, dass ich nur meine Ruhe haben will. Du bist ein unbedarftes kleines Mädchen, dem der Durchblick fehlt. Dafür kannst du nichts, aber es ist sinnlos, mit dir darüber zu streiten. Du verstehst es ohnehin nicht.”

Das war zuviel: „Keine Minute bleibe ich länger hier!” empörte sie sich geschraubt. „In solch einem Hause, wo nicht einmal der Mord an einem Verwandten gerächt wird, in solch einem Hause kann ich nicht länger bleiben!” Damit knallte sie zornig ihren Becher auf den Tisch, so dass das Bier über die kostbare Brokatdecke schwappte und rannte Hals über Kopf davon.

Ulrich Circsena erreichte Adda, als sie gerade fortreiten wollte. Beherzt griff er ihr in die Zügel und sie fauchte wütend, dass er gefälligst loslassen solle. „Wart auf mich, ich komme mit nach Broke. Ich werde Vater begleiten nach Harlingen.”

„Nein, ist das wahr?” Sie konnte es kaum glauben. „Natürlich! Denkst du, ich bräche mein Wort ebenso schnell wie ich es gebe?”

Impulsiv sprang sie vom Pferd, um hocherfreut ihren Onkel Ulrich zu umarmen. Der wehrte ab: „Nicht so stürmisch, Kleine. Noch ist der Feind nicht geschlagen. Du kannst mir danken, wenn wir siegreich zurückgekehrt sind.”

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