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Kapitel 5 Ehevertrag

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Die Ereignisse überschlugen sich. Der Ehevertrag wurde mit Folkmar Allena von Osterhusen in kaum einer Woche ausgehandelt. Plötzlich sah Adda, was ihr Ziehbruder Ubbo schon am ersten Abend auf der Kennenburg in Erfahrung gebracht hatte: Sie sollte verheiratet werden! Nur aus diesem einen Grunde durfte sie jetzt wieder hier leben - vorübergehend sozusagen... Nein, das gefiel Adda ganz und gar nicht. Dennoch vermochte sie sich weder zu wehren, noch in irgendeiner Form zu widersprechen. Nicht, dass es Adda an Verstand gemangelt hätte, nur fühlte sie schmerzhaft, dass sie, die lange Jahre in der Gesellschaft von Schafen, einem Hütehund und dem buckligen Ziehbruder auf dem platten Lande gelebt hatte, nicht die Beredsamkeit besaß, verbal gegen ihren Vater zu bestehen. Ob Tränen den Vater umstimmen konnten? Kaum. Bei einem Mann, dem der Ruf vorauseilte, herzlos und kalt zu sein, genügte es gewiss nicht, in Tränen auszubrechen, bewirkte womöglich das Gegenteil von dem, was man beabsichtigte. Sicherlich konnte er nicht anders handeln. Mitleid hätte man ihm als Schwäche ausgelegt. Tagtäglich fast brachte ihn sein Richteramt mit Menschen in Berührung, die unter Tränen um Erbarmen flehten. Nein, Gefühle durfte er nicht zeigen. Seine Kälte schützte ihn wie eine eiserne Rüstung. Adda wußte sich nicht gut auszudrücken, vermochte ihre Beweggründe nicht darzulegen, daran führte kein Weg vorbei. Dieses Wissen um ihre Unzulänglichkeit erfüllte sie mit großer innerer Unruhe. All ihre Gedanken befassten sich ständig mit der Suche nach Ausweichmöglichkeiten, Ausreden, Entschuldigungen, Fluchtplänen. Rastlos kreisten ihre Gedanken um diesen, in ihren Augen schrecklichen, Ehevertrag. Aber es wollte sich ihr kein Ausweg eröffnen. Furcht hatte von ihr Besitz ergriffen, Furcht vor diesem übermächtigen Häuptling. Wie sollte sie armes, kleines Mädchen, als welches sie sich fühlte, all die Aufgaben als Ehefrau des mächtigsten Häuptlings des Emsigerlandes bewältigen? Bisher hatte sie gedient und nun sollte sie plötzlich befehlen? Dafür musste man geboren sein. Gewiss, das war sie, aber nicht hinreichend dafür erzogen... Selbst fleißiges Lernen konnte da kaum Abhilfe schaffen, denn das Gefühl der Untergebenheit steckte zu tief in ihrer Seele. Ihrem neuen Lehrer, einem Dominikaner aus dem Kloster Norden, machte Adda es wirklich nicht leicht, da sie nicht in der Lage oder Willens schien, sich der nötigen Konzentration zu befleißigen. „Hopfen und Malz verloren“, brummelte der Herr Luippe, ein langer, hagerer Mensch, rotwangig vom Bier, welches er so überaus schätzte. Er war ein arg strenger Lehrmeister. Kaum anders als sein Vorgänger, liebte er es jedoch, von seinem fremdartigen Rohrstock Gebrauch zu machen, im Gegensatz zur einheimischen Rute. Auch übte er sich nicht gerade in Geduld mit seiner neuen Schülerin. Zu Addas großem Unglück schätzte er überdies Gewaltmaßnahmen. So beschränkte er sich keineswegs nur auf tadelnde Worte unter Hinweis auf ihren künftigen Stand als Häuptlingsfrau, der sie nötige, mehr Bildung als allgemein üblich zu beweisen. - Das wusste Adda selber, denn allzu schmerzhaft fühlte sie tagtäglich die Lücken ihres Wissens. Nein, gegen Bildung an sich gab es nichts einzuwenden; wenn sie nur nicht so mühsam - so unendlich mühsam - zu erwerben gewesen wäre! Das ewige Auswendiglernen fiel Adda schwer. Aber Herr Luippe sagte, das schule Gedächtnis und Habitus und es gehe schließlich in Fleisch und Blut über.

Im Übrigen ließ der Herr Luippe gern seinen Rohrstock tanzen, und der arme Ubbo, dem die große Gnade widerfuhr, am Unterricht teilhaben zu dürfen - er hätte es lieber nicht getan - bekam das häufig zu fühlen. Überwiegend ließ Herr Luippe nämlich seinen Zorn über Addas mangelhafte Leistungen an ihm aus. Ubbo wurde somit zum Prügelknaben auserkoren. Zwar erklärte Herr Luippe, mit seinen Strafen und ehrenrührigen Schlägen wolle er den ganzen Menschen treffen und formen, damit der so geschulte Junge später einen Platz im Kloster finden könne, aber Ubbo wollte gar nicht ins Kloster. Jedenfalls meinte Herr Luippe es durchaus gut mit ihm, obwohl Ubbo seine Erfüllung ganz und gar nicht darin sah, eines Tages im Kloster zu leben, denn – das wußte er – das Klosterleben ist kein Honigschlecken. Allein, wenn des Morgens die Nase des Gottesmannes besonders stark gerötet in dem asketischen Gesicht glänzte, musste der arme Ubbo in zunehmendem Maße unter dem Rohrstock leiden. Missgelaunt schlug der Kaplan dem geplagten Jungen sogar das Gebetbuch auf den Kopf, als dieser einmal verträumt dem Gesang der Vögel in den blühenden Apfelbäumen gelauscht hatte. Seither musste Buckel-Ubbo, so rief Herr Luippe ihn, im Unterricht barfüßig erscheinen, zur Strafe und damit er nicht einschlafe.

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