Читать книгу Das Ende der Zukunft - Hans Jürgen Tscheulin - Страница 20
19. Thun (Schweiz); Mai 2016
ОглавлениеKaum war Krüger zurück im Hotel, da klingelte sein Mobiltelefon. Die Nummer auf dem Display sagte ihm nichts.
„Hallo, hier ist Hanna Losch!“, sagte die Stimme, die er nach kurzem Zögern wiedererkannte.
„Hanna! Hallo, wie geht’s?“
„Prima. Ich wollte dich nicht stören, sondern nur kurz ausrichten, dass mein Chef meinen Artikel von der Pressekonferenz super fand. Er meinte, ich sei ja eine Expertin und hat mir glatt einen neuen Auftrag gegeben. Und weißt Du was? Jetzt soll ich einen großen Report über die ganze Branche schreiben.“
„Hanna, das ist toll. Allerdings findest du in den Bibliotheken sehr wenig zu dieser Branche. Wie willst du vorgehen?“
„Wo bist du eigentlich gerade?“
„Zufällig in der Schweiz, genauer gesagt in Bern.“
„Das ist ja großartig! Ich dachte, ich fange mit einem Interview bei SEEDAGRO an, da das mit dem Kauf noch aktuell ist, und nehme das als Aufhänger.“
„Hast du denn schon um ein Interview angefragt? Eventuell musst du vorher alle Fragen schon zuschicken.“
Hanna Losch zögerte.
„Nein, das habe ich noch nicht. Ich dachte, ich fahre morgen früh los und stürme bei denen mit der Tür ins Haus.“
„Versuch es, aber ich bin pessimistisch.“
„Wenn du gerade in der Schweiz bist, hättest du eventuell …?“
„Oh nein, Hanna! Ich bin noch sehr eingespannt mit meiner eigenen Arbeit. Es tut mir leid, aber da kann ich dir nicht helfen.“
„Das meinte ich gar nicht. Ich dachte spontan, wir könnten uns irgendwo treffen, wenn du zufällig auch in der Schweiz bist.“
Was sollte er machen? fragte er sich. Widerstand war zwecklos.
„Sicher … das ist möglich“, antwortete er zögernd. „Wenn du morgen auf der Durchfahrt bist, melde dich einfach. Ich freue mich.“
„Ich mich auch. Ciao, bis Morgen!“
Da habe ich den Salat, dachte er. Auf keinen Fall durfte er sich in dieser Phase eine Last ans Bein hängen. Auf der anderen Seite fühlte er, wie sehr er sich auf ein Wiedersehen freute. Ihre leuchtend grünen Augen gingen ihm einfach nicht aus dem Sinn.
Kurz vor achtzehn Uhr wartete Krüger im Foyer. Brockmann kam überpünktlich durch den Haupteingang, um ihn abzuholen. Sie fuhren auf der Autobahn in Richtung Interlaken.
„Wohin fahren wir?“, wollte Krüger wissen.
„Wir fahren an der Aare entlang flussaufwärts in Richtung Thun. Dort werden wir in einem Schlossrestaurant am Thuner See unser Raclette genießen.“
Nach rund zwanzig Minuten verließen sie die Autobahn und fuhren nach Thun rein.
Es war ein klarer Abend, kaum Wolken am Himmel. Vom Ufer erschloss sich dem Betrachter eine fantastische Silhouette über dem See mit den höchsten, schneebedeckten Gipfeln des Berner Oberlandes - Eiger, Mönch und Jungfrau.
„Das ist nur der Anfang des Berner Oberlandes. Ganz rechts, der hohe kegelförmige Berg, das ist der Niesen, einer der schönsten Aussichtsberge des Berner Oberlandes“
Die Gartenanlage am See und um das Schloss war ein einziger Rausch von Blumen und Blüten.
„Ich glaube, ich kann mich hier nicht satt sehen“, sagte Krüger.
„Sie haben Recht, das fällt schwer. Und das ist auch das Gefühl der Menschen, die hier leben oder zu Besuch sind. Jeden Tag sehen sie ein neues Szenario derselben Wirklichkeit. Es ist aber auch eine unberechenbare Welt, mitunter gefährlich und zerstörerisch. Manche Gegenden, in denen sich hier der Mensch ausgebreitet hat, sind nur von der Natur geborgt. Man muss schon im Einklang mit ihr leben und gewappnet sein, wenn sie ihre Zerstörungswut zeigt.“
Krüger fröstelte ein wenig, weil die Schatten länger wurden und die Sonne hinter den Bäumen stand.
„Lassen Sie uns das Bergpanorama von drinnen genießen“, schlug Brockmann vor. „Leider ist es noch zu kühl, um draußen zu essen.“
Sie setzten sich an einen reservierten Tisch direkt am Fenster. Der Kellner nahm die Wünsche entgegen und deckte für das Raclette ein.
Nach dem Essen nahmen sie einen Kaffee, und Brockmann steckte sich seinen Zigarillo an.
„Ich lasse Jacques Durrance überwachen“, sagte Brockmann unvermittelt.
„Und? Ist dabei etwas herausgekommen?“
„Die Überwachung ist nicht offiziell, sie geht auf meine eigene Kappe.“
„Oh! Warum dieses Risiko?“
„Weil ich mir sicher bin, dass die beiden Manager etwas verbergen. Ich darf zwar ihre Post nicht öffnen oder ihre Telefone abhören, aber ich lasse observieren, was sie tun, mit wem sie sich treffen und wo sie hingehen. Dabei ist mir etwas Merkwürdiges aufgefallen.“
Über sein Gesicht huschte ein sibyllinisches Lächeln.
„Durrance flog schon zweimal auf die Cayman Islands.“
„Das kann viele Gründe haben, auch für Urlaub ist es kein schlechter Ort.“
„Aber es ist der Ort, um Geld zu parken, es zu verstecken, zu verteilen und verschwinden zu lassen. Durrance war verheiratet, seine Frau ist vor sechs Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Er fuhr also solo. Beide Male handelte es sich um eine Privatreise, und der Flug wurde von ihm bezahlt.“
„Sie meinen, er macht dort keinen Urlaub?“
„Ja, ich glaube, er verbirgt dort etwas vor uns. Aber mir sind ja leider die Hände gebunden.“
Wieder zog er an seinem Zigarillo.
„Ich glaube, Sie vertrauen mir“, sagte Krüger.
„Ja, das tue ich.“
„Soll ich meine Fühler auch auf die Cayman Islands ausstrecken?“
Brockmann grinste.
„Wenn Sie das für mich tun, denkt Nefels zum Schluss noch, dass ich Sie abgeworben habe.“