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20. Beijing (China); Mai 2016
ОглавлениеIn den Räumen des zweiten Sekretärs des Zentralkomitees trafen sich General Yiang Won, stellvertretender Minister für Staatsschutz, General Fong Yu, Abteilungsleiter für Industriebeobachtung im Ministerium für Staatsschutz und Dr. Lin, Leiter des gentechnischen Pflanzenlabors in Qjing Dao. Es war das dreiunddreißigste ordentliche Geheimtreffen, das pünktlich jeden Monat stattfand. Die drei Männer trugen die gesamte Last zur Durchführung des Plans Atem des Drachen. Eingeweiht in das geheime Vorhaben waren auch zehn handverlesene chinesische Geschäftsführer von Saatgutvermehrungsfirmen in Europa, die man während der vergangenen drei Jahre gekauft hatte. Der Zeitplan für den Atem des Drachen wurde eingehalten, trotzdem blieb die Logistik unter der Last der Geheimhaltung eine immerwährende Herausforderung.
„Bitte fangen wir gleich an“, sagte General Yiang, als er den Besprechungsraum betrat. „General Fong, bitte, Sie haben das Wort.“
Fong benötigte nur dreißig Minuten für seinen erschöpfenden Lagebericht. Wer ihm zuhörte, war immer wieder begeistert. Von ihm ging eine Strahlkraft aus, die seine Zuhörer in den Bann schlug, und sein Charisma funkelte selbst aus dem profansten Satz.
Nachdem er zu Ende war, bedankte sich General Yiang.
„Danke, General Fong. Ich bin wirklich glücklich, wie Sie beide den Plan mit Leben füllen, und das ohne Fehl und Tadel. Wir sollten uns jetzt wie vereinbart um das Thema Risiko kümmern. Unser Plan hat trotz unserer exzellenten Planung Schwachstellen, die sich jederzeit verhängnisvoll auswirken können. Bitte sind Sie so nett und beschreiben kurz, welche Risiken aus Ihrer Sicht besonders kritisch werden können, und dann überlegen wir gemeinsam, wie wir das Risiko vermeiden können oder den Eintritt des Risikos abfedern.“
„Nur einen einzigen Lieferweg nach Europa zu haben, nämlich über Rotterdam, ist gefährlich“, sagte Dr. Lin. „Es muss uns niemand verdächtigen, aber ein Großbrand oder ein Streik kann unsern Plan durcheinanderbringen. Auch ein einziges Umladezentrum ist risikoreich. Auf der anderen Seite würde unsere Logistik enorm belastet, wenn wir einen weiteren Transportweg nach Europa erschlössen.“
„Sie haben Recht, Dr. Lin“, erwiderte Fong. „Das halte ich auch für ein Risiko. Aber vergegenwärtigen wir uns bitte, wann und wie oft wir den Transport benötigen! Das Risiko, dass bei einer parallelen Logistik weniger schiefgeht, wird nicht geringer, aber die parallele Logistik selbst, die Menschen, die wieder eingewiesen werden müssen, die vielleicht doch etwas weitererzählen und so weiter … das halte ich für ein größeres Risiko.“
„Wenn Sie es so betrachten, stimmt es natürlich, was Sie sagen“, antwortete Dr. Lin.
„Aufgrund meiner Überlegungen halte ich unser schnelles Vorgehen für ein Risiko“, sagte Fong. „In Europa hat man mittlerweile in den einschlägigen Kreisen unser Eindringen in das Saatgutgeschäft bemerkt. Es wird darüber gesprochen. Vielleicht misstraut man uns einfach! Wozu mischen Chinesen in diesem Geschäft mit? Was steckt wohl dahinter? Es kann also sein, dass wir gemieden werden und Geschäftspartner aussteigen oder lieber mit einem anderen Unternehmen Geschäfte machen. Zu großes Misstrauen kann schließlich dazu führen, dass jemand seine Nase zu tief in unsere Belange steckt. Dagegen gibt es nur ein Mittel: Öffnung. Wir müssen einen Tag der offenen Tür veranstalten und die Leute zu uns einladen und ihnen ganz offen zeigen, was wir tun und warum wir es tun. Wir müssen ihnen auch zeigen, dass wir am Leben in der Region teilnehmen. Schauen Sie heute die Struktur der chinesischen Mitbürger an, die in Europa leben: Sie kapseln sich ab und bleiben unter sich. Das ist aus meiner Sicht richtig, um unsere kulturelle Identität im Ausland zu bewahren, aber für unsern Plan ist es gefährlich.“
„Gut. Meine Herren“, sagte Yiang, „dann darf ich noch mein Scherflein beitragen. Was ist mit den Mitwissern in der Schweiz, denen wir die Technologie für viel Geld abgekauft haben? Könnte es nicht sein, dass die eines Tages zu reden anfangen? Trotz des vielen Geldes? Das halte ich für ein sehr großes Risiko!“
„Danke, dass Sie das ansprechen, General Yiang“, sagte Fong. „Ich habe die beiden Herren unter Beobachtung. Bisher boten sie keinen Anlass, der uns beunruhigen sollte. Aber wir planen ihr jeweiliges unspektakuläres Ableben in den nächsten zwölf Monaten ein.“
„Dann verabreden wir uns wieder hier am selben Ort zur gleichen Zeit in vier Wochen“, sagte Yiang. „Meine Herren, Sie haben mein volles Vertrauen, ich danke Ihnen.“
Damit war die Sitzung geschlossen.