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2. Bedeutung für den neuen Arbeitgeber

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Obgleich Arbeitgeber bei Bewerbungen stets Zeugnisse verlangen, besteht in der betrieblichen Praxis keine einheitliche Auffassung über den Stellenwert von vorgelegten Zeugnissen bei der Personalauswahl. Dies hängt sicherlich einmal von der Qualität des Zeugnisschreibers und von dem Renommee seiner Firma ab und zum anderen von der Überzeugung des neuen Arbeitgebers über den Informationsgehalt eines vorgelegten Zeugnisses.

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Eine Übereinstimmung lässt sich aber in Folgendem feststellen:30

 • Bei der Besetzung von einfachsten und untergeordneten Arbeitsplätzen spielt das Zeugnis eine geringere Rolle,

 • je höherrangig der zu besetzende Posten ist, desto größere Bedeutung wird Zeugnissen beigemessen,

 • bei Spitzenkräften nimmt die Bedeutung wieder ab.

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Vor allem bei der Vorauswahl der Bewerber und der Frage, wer zum Vorstellungsgespräch gebeten wird, spielt das Zeugnis eine entscheidungserheblichere Rolle als alle anderen Bewerbungsunterlagen, da es zu diesem Zeitpunkt die einzige Informationsquelle darstellt, die nicht vom Bewerber selbst, sondern von einem Dritten stammt.31

Für eine erfolgreiche Bewerbung mag es noch weitere Voraussetzungen geben, aber mangels durchweg anderer verwertbarer Informationsquellen über Tätigkeit und Qualifikation des Arbeitnehmers ist das Zeugnis der erste Einstieg in das Bewerbungsverfahren.

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Da außerdem dem Zeugnisinhalt Vertrauen entgegengebracht wird und werden muss,32 erfüllt das Zeugnis zugleich eine Warnfunktion, nämlich Schutz vor übereilten Einstellungsentscheidungen,33 und Fehlentscheidungen bei Personaleinstellungen sind oft teurer als Fehlinvestitionen.

Gefälschtes Zeugnis bei Bewerbungen?

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Arbeitnehmer können (auch dank der Kopiertechnik) sehr erfinderisch sein, wenn es um Manipulationen beim Arbeitszeugnis geht, um mit Hilfe eines „polierten“34 Zeugnisses einen Arbeitsplatz zu erhalten, z.B.:

 • Fälschung eines Arbeitszeugnisses und der Examensergebnisse durch einen Rechtsanwalt anlässlich seiner Bewerbung bei einer Behörde (die Noten wurden „verbessert“),35

 • komplette Fälschung der juristischen Examenszeugnisse und sodann Zulassung und Tätigkeit als „Anwalt“,36

 • Anfertigung eines Arbeitszeugnisses aus zusammengeklebten Textteilen und anschließender Kopie,37

 • Abänderung einer Arbeitsbescheinigung, in die die Unterschrift des Arbeitgebers aus einer Broschüre hineinkopiert wurde,38

 • Abänderung eines Ausbildungszeugnisses (die Noten wurden „verbessert“),39

 • ein Zeugnis wird auf Firmenpapier und die Unterschrift einer nichtexistierenden Person vom Arbeitnehmer selbst hergestellt,40

 • Fälschung der Diplomurkunde, um über die angeblich bestandene Hochschulprüfung zu täuschen,41

 • Fälschung der Approbationsurkunde.42

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Dies sind Machenschaften, die wegen des Anstellungsbetruges die Anfechtung der zur Begründung des Arbeitsverhältnisses abgegebenen Willenserklärung gemäß § 123 BGB rechtfertigen mit der Nichtigkeitsfolge (§ 142 BGB). Auch nach einer jahrelangen, einwandfreien Tätigkeit ist wegen der damaligen Zeugnismanipulation heute die sofortige Entlassung zulässig (selbst nach 8½ Jahren43).

Für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst kann die Entlassung noch später, z.B. nach 12 Jahren erfolgen,44 falls die Rücknahme der Einstellung speziell und unabhängig vom Anfechtungsrecht geregelt ist (wie etwa im Dienstordnungsrecht unter Verweis auf das Beamtenrecht).

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Unerheblich ist hierbei die strafrechtliche Beurteilung: ob neben dem Anstellungsbetrug noch eine Urkundenfälschung vorliegt bzw. ob die Verfolgungsverjährung bereits eingetreten ist.

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Sogar die gezahlte Vergütung kann zurückverlangt werden – jedenfalls dann, wenn die Arbeitsleistung nicht den angeblichen Leistungen im gefälschten Zeugnis entspricht,45 bzw. wenn die erforderliche fachliche Qualifikation von vorneherein fehlt (ohne Studienabschluss wurde die Anwaltszulassung erschlichen46), und schließlich:

für die „erschlichene“ Beschäftigungsdauer gibt es kein Zeugnis (siehe Rn. 123).

Mögen diese arbeitsrechtlichen Konsequenzen eine abschreckende Wirkung haben!

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Wegen dieser Manipulationsmöglichkeiten sollte sich der Arbeitgeber vom Bewerber jeweils die beglaubigte, nicht eine schlichte Kopie des Zeugnisses vorlegen lassen (was aber in der Praxis selten verlangt wird). Zwar kann die Zusendung des Originals wegen der Verlustgefahr nicht verlangt werden, aber es empfiehlt sich, die Vorlage des Originals beim Vorstellungsgespräch vorzusehen.47

Das gilt besonders bei Online-Bewerbungen, um inhaltssichere Unterlagen zu erhalten; denn gerade bei dieser Form der Bewerbung sind Manipulationen aller Art zunächst nicht erkennbar.

Das Arbeitszeugnis

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