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a) Bindungswirkung
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Für den ausstellenden Arbeitgeber hat das Zeugnis insofern noch Bedeutung, als er sich bei weiteren Rechtshandlungen nicht in Widerspruch zu der Beurteilung des Arbeitnehmers setzen darf, er vielmehr einer Selbstbindung unterliegt und sich festhalten lassen muss an das, was er im Zeugnis bescheinigt hat. Eine Partei verstößt
„gegen Treu und Glauben, wenn sie mit ihrer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine Haltung einnimmt, die mit ihren früheren Erklärungen oder mit ihrem früheren Verhalten im Widerspruch steht.... muss sich an seinem früheren Verhalten und an seine früheren Erklärungen festhalten lassen (Verbot des venire contra factum proprium)“.49
Diese Bindung betrifft die Beurteilung von Leistung und Verhalten, die Notengebung und die der Notenstufe zugrunde liegenden Wertungen; der Arbeitgeber muss bei der Arbeitnehmern zugänglichen Beurteilung beachten, dass er hieran gebunden ist, und zwar nicht nur bei seinen weiteren schriftlichen Äußerungen, sondern auch bei mündlichen Auskünften (siehe Rn. 872).
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Unerheblich ist dabei, ob die Beurteilung abgegeben wurde
• in einem Zwischenzeugnis = mit Bindung für das End-Zeugnis (siehe Rn. 540), oder
• bei internen Vorgängen wie innerdienstlichen Beurteilungen = mit Bindung für die Zeugniserteilung (siehe Rn. 419).
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Ausnahmen von der Bindung:
Es werden neue Sachverhalte bekannt, die nunmehr eine andere Bewertung zulassen (Rn. 549), oder die Beurteilung wurde rechtzeitig widerrufen (Rn. 548).
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Beispiele:
• Wurde ein System leistungsorientierter Bezahlung eingeführt, wobei eine systematische Leistungsbewertung erfolgt, nach der sich die Höhe der Vergütung richtet, dann darf der Arbeitgeber im Zeugnis bei der Leistungsbeurteilung nicht notenmäßig zum Nachteil des Arbeitnehmers von diesem betrieblich eingeführten Leistungsschema abweichen, diese Einstufung bindet.50
• Heißt es im Zeugnis„Sie erledigte die ihr übertragenen Aufgaben selbständig, sicher, termingerecht und zu unserer vollsten Zufriedenheit“,dann entspricht diese Leistungsbeurteilung der Note 1,5 (siehe Rn. 758), und dann können nicht anschließend im Kündigungsprozess Leistungsmängel als Grund der Beendigung vorgetragen werden51 – die Zeugnisangaben binden.
• Wer einem Mitarbeiter bescheinigt, er habe ihn als„fleißigen, ehrlichen und gewissenhaften Mitarbeiter kennen gelernt“,kann, sofern das Gegenteil dieses Verhaltens dem Arbeitgeber bekannt war, wegen der Bindungswirkung weder kündigen52 noch einen zuvor festgestellten Fehlbetrag geltend machen, die Mankohaftung des Arbeitnehmers entfällt.53
• Im Kündigungsschutzprozess werden die Kündigungsgründe unbeachtlich, die im (zuvor erteilten) Zeugnis nicht zumindest andeutungsweise vermerkt sind; so ist die fristlose Kündigung wenige Tage nach Ausstellung eines ausnahmslos positiven Zeugnisses wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam.54 Es nützt nichts, wenn der Arbeitgeber einwendet, er habe ein vor allem wohlwollendes Zeugnis ausstellen wollen. Wer aus falsch verstandener Fürsorge ein zu wohlwollendes Zeugnis erteilt und dann anschließend zum „schärfsten Mittel“ greift (zur Kündigung bzw. zur finanziellen Regressnahme), kann mit der Kündigung bzw. Haftung nicht durchkommen.Die Kündigungs- bzw. Haftungsgründe entfallen auch dann, wenn der Arbeitgeber zuerst zum „schärfsten Mittel“ greift und danach eine lobende Beurteilung im Zeugnis vornimmt.55
• Die Beurteilung in einem Ausbildungszeugnis ist jedoch nicht bindend für ein Arbeitszeugnis; denn die erbrachten Leistungen in der Ausbildung sind von anderer Qualität und Leistungsart als die in dem anschließenden Arbeitsverhältnis.56