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3.Einschränkungen kraft Gesetzesvorbehalts

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244a) Allgemeines. Der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes besagt, dass die vollziehende Gewalt nur dann tätig werden darf, wenn ihr Handeln auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruht. Negativ formuliert bedeutet dies das Verbot, ohne gesetzliche Grundlage tätig zu werden.122 Gesetzliche Grundlage meint in diesem Zusammenhang ein förmliches Parlamentsgesetz.

Der Gesetzesvorbehalt entspringt vornehmlich dem Grundsatz der rechtsstaatlichen Gesetzesbindung der vollziehenden Gewalt gemäß Art. 20 Abs. 3. Bei Verwaltungshandeln, das mit Eingriffen in Grundrechte verbunden ist, gilt zudem das spezielle Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (vgl. Art. 19 Abs. 1 S. 1). Auch das rechtsstaatliche Gebot der Gewaltenteilung und das Demokratieprinzip fordern, dass die Exekutive sich auf eine gesetzliche Ermächtigung stützt.123

Ein staatliches Handeln, das in die grundrechtlich geschützten Freiräume des Bürgers („Eigentum und Freiheit“) eingreift, bedarf daher einer gesetzlichen Ermächtigung. Damit der Bürger Beschränkungen seiner geschützten Freiräume voraussehen kann und diese für ihn berechenbar sind, müssen die Eingriffsbefugnisse der vollziehenden Gewalt nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein.124

245Die in den Grundrechten enthaltenen Gesetzesvorbehalte sind nicht einheitlich formuliert. Teilweise ist der Gesetzesvorbehalt ausdrücklich als solcher benannt (z. B. in Art. 2 Abs. 2 S. 3, Art. 8 Abs. 2, Art. 10 Abs. 2 S. 1, Art. 11 Abs. 2), auch sieht das Grundgesetz ein Regelungsrecht (Art. 12 Abs. 1 S. 2) oder eine Ausgestaltungsbefugnis (Art. 14 Abs. 1 S. 2) des Gesetzgebers vor, vereinzelt wird der Gesetzesvorbehalt auch nicht explizit im Normtext zum Ausdruck gebracht (vgl. Art. 13 Abs. 2).125

246Keine Gesetzesvorbehalte stellen die Ermächtigungen zur Regelung des Näheren dar, wie sie etwa in Art. 4 Abs. 3 S. 2, Art. 38 Abs. 3 oder Art. 104 Abs. 2 S. 4 enthalten sind.126 Sie verleihen dem Gesetzgeber keine Befugnis, die jeweiligen Gewährleistungen einzuschränken, sondern verpflichten ihn zu einer verfahrensmäßigen Ausgestaltung, die eine Ausübung dieser Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte überhaupt erst ermöglicht.127

247b) Wesentlichkeitstheorie; Parlamentsvorbehalt. Grundrechte können durch Gesetze im formellen Sinn, d. h. Parlamentsgesetze („durch Gesetz“), aber auch durch Gesetze im materiellen Sinn (Rechtsverordnungen, Satzungen) eingeschränkt werden, sofern diese materiellen Gesetze ihrerseits ihre Grundlage in einem förmlichen Parlamentsgesetz haben („aufgrund eines Gesetzes“).128 Sofern vereinzelt Ausnahmen gelten, sind diese im Grundgesetz ausdrücklich geregelt. So kann gemäß Art. 104 Abs. 1 S. 1 die Freiheit der Person „nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes“ beschränkt werden. Gleiches gilt für Art. 13 Abs. 2, wonach bei Wohnungsdurchsuchungen die handelnden Organe und die vorgeschriebene Form in den Gesetzen vorgesehen sein müssen.

248Sofern der Gesetzgeber die Exekutive zum Eingriff in Grundrechte ermächtigen will, enthält Art. 80 besondere Anforderungen für den Erlass von Rechtsverordnungen. Insbesondere müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung gesetzlich bestimmt sein (Art. 80 Abs. 1 S. 2).129

Welche Fragen hierbei dem Vorbehalt einer parlamentarischen Regelung unterliegen (Parlamentsvorbehalt), ist nach der Wesentlichkeitstheorie zu bestimmen.130 Es ist ständige Rechtsprechung,

„dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, – losgelöst vom Merkmal des ‚Eingriffs‘ – in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. […] In welchen Bereichen danach staatliches Handeln einer Rechtsgrundlage im förmlichen Gesetz bedarf, lässt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der geplanten oder getroffenen Regelung ermitteln. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei in erster Linie den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den vom Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechten zu entnehmen.“131

249Die Verpflichtung des Gesetzgebers, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, besteht in erster Linie für Entscheidungen, die für die Grundrechtsausübung wesentlich sind. Alle Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, müssen daher vom Gesetzgeber zumindest in den wesentlichen Grundzügen selbst bestimmt werden, anstatt die Festlegung der Grundrechtsgrenzen dem Ermessen der Exekutive zu überlassen.132 Der Gesetzesvorbehalt erstarkt insoweit zum Parlamentsvorbehalt.133 Maßgebend für die Abgrenzung ist vor allem die Intensität der Grundrechtsbetroffenheit.134

250Grundsätzlich muss das einschränkende Gesetz neben den Voraussetzungen, die einen Eingriff möglich machen, auch Angaben zum Hintergrund der Rechtfertigung machen, insbesondere das Ziel der Einschränkung.135

251c) Einfache Gesetzesvorbehalte. Unterliegt ein Grundrecht einem einfachen Gesetzesvorbehalt, so kann es durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. An das einschränkende Gesetz werden hier über die allgemeinen verfassungsrechtlichen Regeln hinaus keine weiteren Anforderungen gestellt.136 Das grundrechtseinschränkende Gesetz muss lediglich in formeller und materieller Hinsicht verfassungsmäßig sein.

252Beispiele für Grundrechte mit einfachem Gesetzesvorbehalt sind:

– das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 S. 1 und 3;

– die Freiheit der Versammlung unter freiem Himmel, Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2;

– das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, Art. 10 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1;

– die Berufsfreiheit (vgl. Art. 12 Abs. 1 S. 2);

– die Eigentumsgarantie (vgl. Art. 14 Abs. 1 S. 2).

253d) Qualifizierte Gesetzesvorbehalte. Qualifizierte Gesetzesvorbehalte sehen zusätzliche, besondere Voraussetzungen vor, die das grundrechtseinschränkende Gesetz erfüllen muss. Sie fordern nicht nur eine gesetzliche Grundlage für den Grundrechtseingriff, sondern verlangen des Weiteren, dass das einschränkende Gesetz an eine bestimmte Situation anknüpft, bestimmten Zwecken dient oder bestimmte Mittel benutzt.137 Das Schrankengesetz muss somit über die formelle und materielle Verfassungsmäßigkeit hinaus weiteren inhaltlichen Anforderungen genügen, die sich den jeweiligen Grundrechtsbestimmungen entnehmen lassen.

254Bsp. für Grundrechte mit qualifiziertem Gesetzesvorbehalt sind:

– die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 (vgl. Art. 5 Abs. 2);

– das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 (vgl. Art. 6 Abs. 3);

– das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (vgl. Art. 10 Abs. 2 S. 2);

– die Freizügigkeit (vgl. Art. 11 Abs. 2);

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