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II.Die Grundrechte im Völkerrecht

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Literatur:

Bleckmann, A., Verfassungsrang der Europäischen Menschenrechtskonvention?, EuGRZ 1994, 149; Ehlers, D., Die Europäische Menschenrechtskonvention, Jura 2000, 372; Grupp, K./Stelkens, U., Zur Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention bei der Auslegung deutschen Rechts, DVBl. 2005, 133; Häde, U., Die Auslieferung – Rechtsinstitut zwischen Völkerrecht und Grundrechten, Staat 1997, 1; Klose, B., Grundrechtsschutz in der Europäischen Union und die Europäische Menschenrechtskonvention, DRiZ 1997, 122; Simma, B., Soziale Grundrechte und das Völkerrecht. Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in der gegenwärtigen Verfassungsdiskussion, FS Peter Lerche, 1993, 83; Staebe, E., Die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Bedeutung für die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, JA 1996, 75; Weigend, T., Die Europäische Menschenrechtskonvention als deutsches Recht – Kollisionen und ihre Lösungen, StV 2000, 384; Wilms, H., Der Kosovo-Einsatz und das Völkerrecht, ZRP 1999, 227.

Rechtsprechung:

BVerfGE 15, 25 – jugoslawische Militärmission; BVerfGE 74, 358 – Unschuldsvermutung; BVerfGE 96, 68 – Diplomatische Immunität und Staatennachfolge; BVerfGE 111, 307 – Umfang innerstaatlicher Bindungswirkung der Entscheidungen des EGMR; BVerfGE 112, 1 – Enteignungen in der SBZ zwischen 1945 und 1949; BVerfGE 117, 141 – Argentinien Anleihen; BVerfGE 128, 326 – Zwangsbehandlung zur Erreichung des Vollzugsziels; BVerfG, NJW 2004, 3407 – Görgülü-Beschluss; BVerfG, NJW 2016, 1295 – Treaty Override; EGMR, NJW 2004, 2647 – Caroline von Monaco.

301Nach dem in Art. 25, Art. 59 Abs. 2 S. 1 niedergelegten Verständnis geht das Grundgesetz davon aus, dass das Völkerrecht und das nationale Recht selbstständige und zu unterscheidende Rechtsordnungen darstellen (sog. Dualismus).21 Aus diesem Grund kann das Völkerrecht auch erst dann innerstaatliche Wirkung entfalten, wenn es in national verbindliches Recht transformiert worden ist.

Art. 25 bestimmt, dass das Völkergewohnheitsrecht sowie die allgemein anerkannten Grundsätze des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts sind und diesem im Rang vorgehen.22 Dieser Vorrang erstreckt sich aber nicht auf die Verfassung. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts stehen daher im Rang oberhalb der (einfachen) Gesetze, aber unterhalb der Verfassung, man spricht insoweit von einem Zwischenrang.23 Allgemeine Regeln des Völkerrechts liegen vor, wenn sie „von der überwiegenden Mehrheit der Staaten – nicht notwendigerweise auch von der Bundesrepublik Deutschland – anerkannt werden“.24

Die Umsetzung von Völkervertragsrecht fordert hingegen einen besonderen Transformationsakt durch den nationalen Gesetzgeber, ein sog. Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 S. 1. Das Zustimmungsgesetz – und damit die mit ihm in das nationale Recht transponierten völkerrechtlichen Regelungen – sind nicht mit Verfassungsrang ausgestattet.25 Art. 59 Abs. 2 Satz 1 bestimmt also nicht nur die Methodik, durch die völkervertragliche Regelungen in der nationalen Rechtsordnung wirksam werden, sondern auch den Rang, der dem für anwendbar erklärten Völkervertragsrecht innerhalb der nationalen Rechtsordnung zukommt.26

Dementsprechend räumt der Rechtsanwendungsbefehl im Sinne von Art. 59 Abs. 2 Satz 1 einem völkerrechtlichen Vertrag innerhalb der Normenhierarchie keinen Rang über den Gesetzen ein.27 Dies gilt auch für das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (BRK).28 Aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes sind völkerrechtliche Regelungen aber bei der Auslegung des deutschen Rechts und auch des deutschen Verfassungsrechts zu beachten.29

302In der Bundesrepublik Deutschland gelten derzeit folgende völkerrechtliche Verträge, die im Bereich der Grundrechte von Bedeutung sind:

– der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966,30

– der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966,31

– die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.195032 nebst ihren Zusatzprotokollen,

– die Europäische Sozialcharta vom 18.10.196333 sowie

– das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (BRK) vom 13.12.2006.34

Keine völkerrechtliche Verbindlichkeit kommt hingegen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10.12.1948 zu.35

303Besondere praktische Bedeutung besitzt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) vom 4.11.1950, die von allen Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert wurde.36 Sie enthält in erster Linie klassische Abwehrrechte wie das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK), das Verbot der Folter (Art. 3 EMRK), das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK), das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK), die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 9), die Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 11 EMRK). Weitere wesentliche Rechte wie das Eigentum (Art. 1 Zusatzprotokoll), das Verbot der Kollektivausweisung von Ausländern (Art. 4 Protokoll Nr. 4) und das Verbot der Todesstrafe (Art. 1 Protokoll Nr. 6) sind in den Zusatzprotokollen zur EMRK geregelt.37

Um die Einhaltung der EMRK sicherzustellen, wurde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz in Straßburg eingerichtet, der seine Aufgaben als ständiger Gerichtshof wahrnimmt (vgl. Art. 19 EMRK). Der EGMR kann von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe mit der Behauptung angerufen werden, durch eine Vertragspartei in einem ihrer Rechte aus der EMRK verletzt zu sein (sog. Individualbeschwerde, Art. 34 EMRK). Darüber hinaus können sich auch die Mitgliedstaaten im Falle einer Konventionsverletzung an den EGMR wenden (sog. Staatenbeschwerde, Art. 33 EMRK). In beiden Fällen ist die Beschwerde allerdings erst zulässig, wenn alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft sind (vgl. Art. 35 Abs. 1 EMRK).

304Nach h. M. gilt die EMRK innerhalb der deutschen Rechtsordnung nicht als allgemeine Regel des Völkerrechts, sondern als Bundesgesetz.38 Da die Rechte der EMRK nicht im Verfassungsrang gelten, kann auf ihre Verletzung auch keine Verfassungsbeschwerde gestützt werden.39

Ihr Rang als Bundesgesetz führt jedoch dazu, dass die deutschen Gerichte die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben.40 Das BVerfG führt hierzu aus:

„Bei der Auslegung des Grundgesetzes sind auch Inhalt und Entwicklungsstand der Europäischen Menschenrechtskonvention in Betracht zu ziehen, sofern dies nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt, eine Wirkung, die die Konvention indes selbst ausgeschlossen wissen will (Art. 60 EMRK). Deshalb dient insoweit auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes. Auch Gesetze […] sind im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auszulegen und anzuwenden, selbst wenn sie zeitlich später erlassen worden sind als ein geltender völkerrechtlicher Vertrag; denn es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet hat, von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will.“41

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