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Kapitel 7 Hein

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Die Einwohner des Dorfes haben sich über die Jahrhunderte hinweg, bis heute, weit über das Jahr 2013 hinaus, ihr Eigenleben erhalten. Sie regeln ihre Geschicke möglichst ohne äußere Einflüsse und sind ein stolzes Volk mit besonderen Eigenarten und Bräuchen.

Idyllisch - am Rande eines Heidegebietes - verschwindet das Dorf in einer flachen Mulde. Lediglich der Kirchturm ragt über die Obst- und Laubgehölze.

Der Ort ist ein Straßendorf und zieht sich über zwei Kilometer durch eine Mulde und endet vor einem Hügel. Rechts und links der Hauptstraße zweigen einige wenige Nebenstraßen ab, die erst seit der letzten Flurbereinigung, Ende des Zwanzigsten Jahrhunderts, nicht im Nichts enden und heute untereinander und mit der Hauptstraße verbunden sind.

Die einzige globale geografische Verbindung ist ein kleines meist trockenes Fleet, das zu Regenzeiten bis in die Maas, in den benachbarten Niederlanden, fließt und das Dorf mit den Weltmeeren verbindet.

Die erste bekannte Nennung des Dorfes datiert aus dem Jahre 1325. Doch es ist sehr viel älter.

Über das Dorf wache ich. Die Menschen haben keine Kenntnis von meiner Existenz. Jedoch ranken sich Sagen und Märchen um das verträumte Dorf, seit Menschen Geschichten erzählen können. Ich bin der Schutzpatron, Lauscher, Voyeur oder Chronist, der seit Jahrmillionen an diesen Fleck Erde weilt.

Ich bin Hein.

Ich habe keinen Körper, lediglich ein Bewusstsein und eine Aufgabe. Meine Passion ist die Beobachtung und seit Neuestem auch die Kommentierung. Ich existiere auf passiven und aktiven Ebenen, die es mir ermöglichen, die Vergangenheit zu beobachten und zu deuten sowie in der Gegenwart, Versuche zur aktiven Teilnahme am Geschehen, zu unternehmen.

In meiner passiven Existenz warte ich auf die Menschen.

Seitdem sie vor Jahrtausenden endlich erschienen, trachte ich danach, ihre Geschicke zu bestimmen. Aber, dieses Recht wurde und wird mir verwehrt. Meine Frohnatur lässt mich immer wieder neue Versuche unternehmen. Meist mit keinem oder mäßigem Erfolg. Ich denke, ich bin gutmütig und habe weder etwas mit Gott oder dem Teufel zu tun.

Ich bin einfach da.

Wahrscheinlich hat jedes Dorf und jede Stadt ein solches Element. Dennoch fühle ich mich einzigartig.

Ich bin allgegenwärtig und bewege mich sowohl durch die Vergangenheit wie durch Gegenwart und Zukunft.

Als mir bewusst wurde, dass ich existiere, beschäftigte ich mich lange Zeit mit mir selbst. Es ärgert mich, an diesen einen Ort, gefesselt zu sein. Jeder Versuch die Fesseln zu sprengen, endet erfolglos. Aber, mit dem Ablauf der Jahrtausende bildete sich eine besondere Gabe, die es mir ermöglicht, weit über die Grenzen meines festen Standortes zu schauen, zu beobachten und zu lernen.

Und so schaute ich, was sich in der Welt tat.

Unendlich langsam – aber unaufhaltsam – veränderte die Oberfläche der Erde ihr Angesicht. Ein steter Zyklus schob riesige Eismassen über den Kontinent, um dann Millimeterweise den Prozess umzukehren. Wenn ich zurückblicke, dauerte eine Eiszeit mit knappen 70 000 Jahren länger; als eine Warmzeit, die mit circa 35 000 Jahren kürzer ausfiel.

Das keimende Leben auf der Erde musste sich also beeilen, um das Überleben zu sichern. Damals zog eine Vielzahl von Lebensformen durch meinen Einflussbereich – und sich auch wieder zurück. Aber, ebenso unaufhaltsam, wie die Oberflächenbildung, entwickelte sich die Artenvielfalt des Planeten.

Und endlich war es so weit.

Die ersten Menschen ziehen durch meine Mulde. Vom ersten Augenblick an ist mir bewusst, diese seltsamen Tiere sind etwas Besonderes. Meine Versuche, auf mich aufmerksam zu machen, bekommen sie nicht mit.

*

KYRA

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