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Kapitel 13 1997

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„Der Kieselstein ist schon seit Generationen in unserer Familie. Wie lange? - so genau weiß ich es nicht. Doch, wenn ich dem Stein und allem, was damit zusammenhängt, Glauben schenken darf - seit Anbeginn der Menschheit.“ Martin erzählte zögerlich. Die Geschichte war peinlich und eine Außenstehende verstand sie sowieso nicht.

„Seit Anbeginn der Menschheit und der Stein spricht mit dir? Ist jetzt Märchenstunde?“ Britta schaute ihn spöttisch an. Er wollte sie auf den Arm nehmen. Gut, da spielte sie mit.

„Ich wusste es. In unserer Familie heißt es: Sprich nicht darüber oder du wirst in der Klapsmühle landen.“ Martin machte ein verzweifeltes, aber auch entschlossenes Gesicht. „Wir werden uns jetzt ein anderes Gesprächsthema suchen.“ Immer, wenn er ärgerlich wurde, redete er gestelzt.

„Lass dich nicht gleich ins Bockshorn jagen“, ermunterte Britta ihn burschikos. „Ich weiß ja jetzt, dass dieser Stein, etwas Besonderes für dich ist. Komm. Leg los.“

„Setzen wir uns.“ Martin deutete auf die Stühle. „Ich werfe eben die Kaffeemaschine an. Eine heiße Tasse Kaffee wirkt Wunder, wenn ich erzählen soll.“ Er werkelte in der Küche herum und kam nach wenigen Minuten wieder, um die halb gefüllten Tassen vom Tisch zu nehmen, und durch leere zu ersetzen. Dabei machte er langsam. Im Grunde wollte er die Unterhaltung nicht fortsetzen. Aus der Nummer kam er jedoch so schnell nicht wieder heraus. Was sollte es? Er gab nach und begann.

„Eine ausgefallene Geschichte, die unglaublich klingt. Wie aus Grimms Märchenstunde, wenn sie nicht wahr wäre. Schon immer spielte der Stein in unserer Familie eine große Rolle.“ Er stockte und überlegte.

„Los. Komm endlich zur Sache. Ich bin ganz gespannt. Was hat es mit dem Stein für eine Bewandtnis? Was ist Besonderes an ihm?“, Britta forderte ihn auf, weiterzuerzählen. Sie war wirklich gespannt, was wohl der Eröffnung folgte.

„Eigentlich ist es ganz einfach und doch wieder nicht. Die Geschichte könnte beginnen: Es war einmal ein Zauberstein … Tatsache ist, mit dem Stein am Körper, fühle ich mich wohl, und wenn ich mich auf ihn konzentriere, gelingt fast alles, was ich mir vornehme. Mit ihm löse ich meine täglichen Probleme, reise in meinen Träumen in die Vergangenheit und glaube auch in die Zukunft – aber in dem Punkt bin ich mir nicht so sicher.

Ich habe dir erzählt, dass meine Angehörigen schon seit Jahrhunderten in diesem Dorf, in diesem Haus und in dieser Mulde leben. Jeder meiner Vorfahren hatte eine besondere Funktion für diesen Ort und die Menschen. Niemand meiner Ahnen konnte sich erklären, weshalb und warum der Stein einen solchen Einfluss auf die Familie hatte. Alle trugen ihn jedoch stets bei sich.“

„Findest du es nicht albern, mir deinen Stein als Familiengespenst zu präsentieren. Sag mir doch endlich, was du mir sagen willst“, Britta unterbrach ihn. Sie hatte mehr an einen Scherz gedacht. Doch bei seiner Miene, war die Sache todernst. Hatte sie sich einen Bekloppten an Land gezogen? Dabei wirkte er so normal. „Weißt du, ich hole uns eben den Kaffee. In der Zwischenzeit, lässt du dir bitte etwas Besseres einfallen.“

Britta ging langsam zur Küche hinüber.

Alle Sorgen und Gedanken beiseiteschiebend, betrachtete Martin genussvoll, wie sich die Jeans interessant über ihren Pobacken spannte. Immer wieder, wenn er sie ansah, kam angenehme sexuelle Spannung in ihm auf. Ebenso jetzt. Trotz des ihm unangenehmen Gesprächsthemas. Bevor seine Gedanken in Details abschweifen konnten, stand sie wieder mit dem Kaffee am Tisch.

„Komm schon. Und jetzt eine bessere Geschichte. Nicht, dass sie nicht unterhaltsam ist, aber bitte keine Spinnereien.“ Sie goss die Tassen voll und legte ihm den Arm über die Schulter.

„Ich habe es dir ja vorher gesagt.“ Martin lehnte sich zurück und gab sich ihrer Berührung hin. Stockend fuhr er mit seiner Geschichte fort. „Hör bitte erst einmal zu. Später können wir uns auseinandersetzen. Denn jetzt kommt es ganz dick. Der Stein hat einen Namen und spricht mit mir.“

„Ha, ha, …“, prustete Britta dazwischen, um sich sofort zurückzunehmen und eine Hand vor den Mund zu halten, als sie Martins beleidigtes Gesicht sah. Ihr Körper bebte vor unterdrücktem Lachen. „Wie heißt der Kleine denn?“, bekam Britta gerade noch heraus.

„Du bist unfair. Aber, wenn du so weiter machst, sage ich überhaupt nichts mehr.“ Martin schob beleidigt ihren Arm weg.

„Mein Gott. Sei doch nicht eingeschnappt. Es fehlt noch, dass du jetzt in Tränen ausbrichst. Spaß beiseite. Wenn du einen Witz erzählen willst, dann sage es doch. Aber mach es nicht so spannend.“ Britta beruhigte sich nicht. Immer schüttelte sie sich, um den Lachanfall zurückzuhalten. „Also, raus mit dem Namen Martin“, forderte sie ihn mit blitzenden Augen auf.

„Der Stein heißt Hein“, stellte Martin trocken fest.

„Der Stein heißt Hein“, rief … nein, schrie … Britta. Sie kannte kein Halten mehr und bog sich vor Lachen. Immer wieder wischte sie mit den Unterarmen die Tränen aus den Augen. „Der Stein heißt Hein. Und das reimt sich auch noch. Unser Martin ist ein Dichter. Für … für … Hein hast du dann die Expertise in Auftrag gegeben. Die … die … sollten in Berlin mit ihm reden. Martin, du bist köstlich.“ Sie konnte sich nicht beruhigen und platzte immer wieder heraus.

Martin wusste nicht mehr, wie er sich verhalten sollte. Seine Eltern hatten ihn häufig gewarnt. Er sollte niemandem, aber auch niemandem etwas von dem Stein erzählen. Ihr Verhalten traf ihn tief im Innern. Er lief knallrot an. Seine Gedanken wirbelten. Schließlich sprang er erregt auf und öffnete die Türe, die zum Wintergarten führte.

Er wollte, dass Britta verschwand. Sie ging ihm auf die Nerven. Er ärgerte sich und wünschte, das Thema nie angeschnitten zu haben. Frauen. Jetzt sah er, was er davon hatte.

Martins Gedanken wanderten. Wie war das mit dem Stein? Wann brachte er ihn erstmals mit sich in Verbindung? Ganz hinten in seinem Kopf zog eine schlummernde Ahnung hoch.

Vor Jahren, er war noch Jugendlicher. Ein heftiges Gewitter zog auf. Sie spielten Fußball, hatten zwar ein Auge auf die schwarze Wolkenwand und ein Ohr auf den näherziehenden rollenden Donner, waren jedoch zu sehr im Spiel gefangen, um aufzuhören. Plötzlich schlugen überall Blitze ein. Von einem Augenblick auf den anderen wurde es pechschwarz und vom Himmel schüttete es, wie aus Eimern. Ein Blitz zuckte auf. Sie sahen ihn auf die Gruppe zurasen. Ihre Gesichter wandelten sich in Sekundenbruchteilen zu entsetzten, angstvollen Fratzen. Da geschah das Unglaubliche. Der gelbe Streifen veränderte seine Bahn auf Martins Brust zu und schlug ein. Einen winzigen Augenblick verharrte er und wurde eingesogen und absorbiert. Der im gleichen Augenblick folgende Donnerschlag ließ die Luft vibrieren. Die Jungen standen regungslos. Nichts geschah. Sie blieben unverletzt. Als er wieder denken konnte, starrten seine Sportkameraden mit teils angstvollen und teils verwunderten Blicken auf ihn. Mit eigenen Augen hatten sie gesehen, wie der Blitz ihn traf. Aber … kein schwelendes Fleisch oder verbrannte Stofffetzen. Martin war putzmunter, wie immer.

Er tat es als pures Glück ab, vor allem, weil keiner der Erwachsenen, als die Geschichte später erzählt wurde, so recht daran glauben mochte.

Die Begegnung mit dem riesigen Mann in Geilenkirchen war bestimmt kein Zufall. Dessen auffallend große Erscheinung hielt sich schon länger dort auf, wo auch er war. Vielleicht litt er auch an Einbildung? Nicht nur vorhin in Geilenkirchen spürte er die Augen des Fremden auf sich ruhen. Er erinnerte sich, an das Gefühl in den letzten Tagen, beobachtet zu werden. Doch, wenn er sich plötzlich umdrehte, war da nichts.

Schwerfällig drehte er sich herum und betrat wieder den Raum.

„Martin. Setz dich zu mir“, Britta sah ihn bittend, um Entschuldigung heischend an. „Tut mir leid. Jetzt wo ich die Expertise in Ruhe gelesen habe, sehe ich erst, wie ernst es dir ist. Der Stein soll nicht von der Erde sein. Den Passus habe ich vorhin überlesen. Vielleicht ist er Teil eines Meteoriten. Und, diese Fremdheit bestätigen dir die Wissenschaftler auch noch schriftlich. Das ist unglaublich. Weißt du, woher der Stein kommt?“

„Ich denke … darüber habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht. In den vergangenen Jahren habe ich und, in der Vergangenheit, meine Vorfahren mit den erstaunlichen Eigenschaften dieses Steines gelebt. Aber die Expertise muss dir doch genauso verrückt vorkommen, wie der Anfang meiner Geschichte.“

„Du hast recht. Verstehe mich nicht falsch. Ich dachte an einen Witz. Doch du bist von einer lustigen Geschichte weit entfernt.“ Britta lehnte sich zurück und schaute Martin nachdenklich an. „Ich werde versuchen deine Erklärungen ernst zu nehmen. Auch, wenn es noch so schwer ist. Ein Stein namens Hein“, sie schüttelte sich wieder, um sofort, ernst zu werden.

*

KYRA

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