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Kapitel 7

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Der Rest der Woche verlief ohne nennenswerte Vorfälle. Dass Peter und Michi die Unterschriften ihrer Väter beim Rektor vorlegen mussten, zähmte anscheinend auch die anderen schwierigen Schüler, zumindest für den Augenblick. Allerdings erfuhr Olga von Frau Müller, dass eine aufgebrachte Mutter bei Herrn Jesser vorgesprochen hatte, angeblich im Namen vieler besorgter Eltern. Doch er äußerte sich ihr gegenüber nicht, weshalb sie auch nicht erfuhr, ob das verhängnisvolle Messer, das sie seitdem im verschlossenen Pult aufbewahrte, zur Sprache gekommen war.

Aber sie war jeden Tag aufs Äußerste angespannt. Der Druck, den der anstehende Schulratsbesuch bei ihr verursachte, war zu groß, weil sie sich ständig vorstellte, was alles passieren könnte. Als sie am Samstag endlich zu Richard fahren konnte, flatterten ihre Nerven immer noch.

So war es auch kein Wunder, dass sie zunächst nur ein Gesprächsthema hatte. Richard hörte sich ihre Erzählungen und Ängste ungeduldig an.

„Kannst du denn auch mal an was anderes denken?“ murrte er schließlich. „Ich habe keine Lust, mich den Rest des Wochenendes mit deinen Problemen zu beschäftigen. Für mich fallen auch noch einige Klausuren an, die mir im Magen liegen.“

Das hatte sie ganz vergessen. Ein bisschen regte sich so etwas wie ein schlechtes Gewissen.

„Du hast Recht“, sagte sie versöhnlich. „Wir sollten die Probleme vergessen und etwas Schönes unternehmen.“

„Zumindest heute Abend“, stimmte er zu. „Morgen muss ich auch ein paar Stunden noch büffeln.“

Am nächsten Morgen stand Olga auf, während Richard noch tief schlief. Sie bereitete das Frühstück vor und hoffte, damit die etwas missmutige Stimmung des Vortages zu vertreiben. Richard hatte ja Recht: Er musste sich ständig ihre Negativerlebnisse anhören, obwohl er auch einige Sorgen hatte. Die Klausuren, die noch anstanden am Montag und Dienstag, waren für ihn im Moment sehr wichtig, weil er als BAföG-Empfänger die Ergebnisse immer vorlegen musste. Durchfallen konnte er sich nicht leisten…

Sie hatte alles vorbereitet und der Kaffeeduft weckte ihn schließlich auf. Er räkelte sich entspannt und schnupperte.

„Ah, ich werde verwöhnt“, schmunzelte er und schwang seine Beine aus dem Bett.

Doch gemütlich wurde es nicht. Er stopfte sich schnell ein Stück Brot mit Butter und Marmelade in den Mund, schlang das Frühstücksei hinunter und meinte noch mit vollem Mund:

„Kannst du den Tisch gleich leer räumen? Ich brauche den Platz zum Arbeiten.“

Olga schluckte. Sie hatte alles so liebevoll gedeckt und fühlte sich nun zur Putzfrau degradiert. Aber seine Arbeit ging natürlich vor. Also räumte sie die Reste weg und trug das Geschirr zum Waschbecken zum Spülen. Er packte, kaum dass sie den Tisch abgewischt hatte, seine Arbeitsmaterialien darauf und vertiefte sich in seine Bücher.

Als sie alles erledigt hatte, war Richard total in seine Arbeit vertieft. Sie beobachtete ihn eine Weile und kam zu dem Schluss, dass sie ihn eigentlich nur störte. Vielleicht wäre es auch für sie besser, früh nach Hause zurückzufahren und ihren Unterricht für die kommende Woche gründlich vorzubereiten. Immerhin wollte sie gewappnet sein für den angekündigten Besuch des Schulrats!

Zärtlich legte sie Richard die Hände auf die Schultern und küsste ihn auf den Scheitel.

„Ich werde jetzt schon gehen, damit du in Ruhe lernen kannst. Wenn ich am nächsten Samstag wieder komme, haben wir beide das Schlimmste hinter uns und können das Wochenende richtig genießen.“

Er drehte sich um und zog sie auf seinen Schoß. Aufseufzend legte er den Kopf auf ihre Brust.

„Tut mir Leid, Olga, aber meine Zeit ist wirklich knapp. Und mach dir nicht in die Hosen wegen des Schulrats. Du kriegst das schon hin. Du sagst doch selbst, dass es nach diesem Vorfall ganz gut lief.“

„Nächsten Samstag ist es vorbei. Wahrscheinlich war dann tatsächlich alles nicht so schlimm“, flüsterte sie, um ihn nicht wieder zu reizen und sich selbst Mut zu machen.

Der Abschied war kurz und bald saß sie in ihrem Auto. Und hier verließ sie auch sofort die Zuversicht, die sie Richard vorgegaukelt hatte. Während sie den Anlasser betätigte, dachte sie enttäuscht: „Für ihn ist das alles so einfach. Richtig nachempfinden kann er meine Sorgen nicht!“

Sie kam um die Mittagszeit bei ihrer Wohnung an und natürlich lief ihr gleich Herr Rieder über den Weg, als sie mit ihrer Tasche die Treppe hochsteigen wollte.

„Oh, Sie sind heute aber früh zurück. Hat es Ihnen bei Ihrem Freund dieses Mal nicht so gut gefallen?“

„Ich habe noch eine Menge zu arbeiten, und auch er muss sich auf einige Klausuren vorbereiten“, erklärte sie und dachte dabei ungehalten: „Geht ihn das eigentlich irgendetwas an? Hoffentlich klappt das mit der Wohnung, damit ich hier bald rauskomme!“

„Ach, das ist wirklich jammerschade, wo doch heute so ein tolles Wetter ist. Aber was sein muss, muss sein… Lassen Sie sich durch mich bloß nicht aufhalten!“

„Das habe ich auch nicht vor“, gab sie schnippisch zurück und ließ ihn stehen.

Oben griff sie erst einmal nach der halben Tafel Schokolade, die sie noch auf dem Tisch liegen hatte. Gedankenverloren schob sie sich ein großes Stück davon in den Mund und holte dann ihre Schulbücher aus dem Regal.

„Ich mache das Beste daraus“, beschloss sie und setzte sich an den Schreibtisch. „Zumindest habe ich jetzt genug Zeit, um mir genau zu überlegen, wie ich meine Schulratsstunde gestalte!“

Nach vier Stunden streckte Olga sich und seufzte erleichtert. Sie hatte sich eine Schaustunde zurechtgelegt, sämtliche Störungen, die eventuell auftreten könnten, in Gedanken durchgespielt und sich Strategien überlegt, wie sie diesen begegnen könnte. Den Hausmeister konnte sie in dieser Situation nicht beanspruchen, das würde einen gar zu schlechten Eindruck machen. Doch das, was jetzt als Konzept vor ihr lag, gab ihr ein gutes Gefühl.

Was sie nun noch brauchte war eine nette Abwechslung als Abschluss. Sie beschloss zu Ute zu fahren. Sicherlich war sie zu Hause und würde sich freuen, wenn sie gemeinsam noch irgendwo hingehen konnten.

Ihre Hoffnung wurde nicht enttäuscht. Bei einem gemeinsamen Essen in der Pizzeria um die Ecke bei Utes Wohnung genossen sie den Abend und unterhielten sich vor allem über das, was nächste Woche auf sie zukommen würde. Auch Ute hatte sich einen Plan gemacht, wie sie den Schulrat von sich würde überzeugen können.

„Bei mir bleibt er ja mindestens zwei Schulstunden“, überlegte sie. „Vermutlich hat er für den Besuch bei dir gar nicht so viel Zeit.“

„Ich fühle mich zumindest gewappnet. Wenn nur nicht wieder etwas passiert wie in der letzten Woche…“

Die türkische Leine

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