Читать книгу Die türkische Leine - Iris Bulling - Страница 16
Kapitel 13
ОглавлениеTatsächlich war die Heizung am Freitag immer noch nicht in Schwung. Wieder einmal stand Olga vor der Tür ihrer Vermieter, um sich zu beschweren. Und wieder erreichte sie nur Frau Rieder.
„Mein Mann tut alles, was er kann“, behauptete sie. „Der Monteur hat einfach keine Zeit.“
„Ich packe jetzt meine Sachen und gehe zwei Häuser weiter in die Wohnung von Bekannten“, sagte Olga wütend. „Es ist wirklich keine schöne Situation hier, zumal die Heizungen in Ihrer Nachbarschaft offensichtlich funktionieren. Eigentlich ist eine Wohnung, die man nicht benutzen kann, keine Miete wert!“
„Es wird bestimmt bald geregelt werden“, murmelte Frau Rieder verlegen, doch Olga hatte sich schon umgedreht und eilte die Treppe hoch. Sie brauchte nicht lange, um die Sachen für drei Tage einzupacken. Zehn Minuten später verließ sie das Haus und knallte geräuschvoll die Haustür hinter sich zu, sehr wohl bemerkend, dass Frau Rieder hinter dem Vorhang genau beobachtete, wohin sie ging.
Es war schon ein komisches Gefühl, sich in dieser Männerdomäne häuslich einzurichten. Aber zumindest ein Schreibtisch in der Ecke war aufgeräumt und Olga breitete nach einigem Zögern ihre eigenen Bücher und Utensilien darauf aus. Arbeit hatte sie genügend mitgebracht – es würde ihr garantiert nicht langweilig werden. Die Qual der Wahl, welches der beiden Betten sie benutzen sollte, war an diesem Abend die größte Herausforderung, aber nachdem sie sich entschieden hatte, schlief sie fest und traumlos.
Der Unterricht am Samstagmorgen verlief ziemlich harmonisch mit ihrer Klasse und sie war richtig gut gelaunt, als sie sich am Ende noch mit Ute traf, um eine Kleinigkeit im nahegelegenen Cafe zu essen.
„Ich bin Karl und Eduard wirklich dankbar, dass ich übers Wochenende ihre Wohnung nutzen kann“, meinte sie. „Es gibt soviel nachzuarbeiten. Wenn ich jetzt wieder zu meinen Eltern hätte fahren müssen, wäre ich nicht weiter gekommen.“
„Ich kann bei meinen Eltern auch nicht richtig arbeiten“, stimmte Ute zu. „Außerdem ist dieses Wochenendfahrverbot schon sehr hinderlich. Ein kurzer Sonntagsbesuch wäre ja schön, aber so…“
„Bin mal gespannt, wie lange diese Situation anhält. Früher musste man sich doch nie Sorge um Öl und Benzin machen.“
Es war schon vier, als Olga zurück in das warme Heim der beiden kam. Sie lümmelte sich aufs Bett und las erst einmal ein Stück aus dem Roman, den sie sich mitgebracht hatte, ehe sie die Hefte der Kinder auspackte, die sie noch korrigieren musste.
Später schaltete sie den vorhandenen Fernseher an, ein Luxus, den sie sich bisher selbst noch nicht geleistet hatte. Nun genoss sie die Berieselung durch eine Unterhaltungssendung und fand das Gefühl, dank dieses Geräts nicht ganz allein zu sein, sehr angenehm.
Es war kurz vor elf Uhr, als sie dann ins Bett schlüpfte und hoffte, wieder so einen guten Schlaf zu finden wie in der Nacht davor. Doch etwa eine Stunde später schreckte sie auf. Sie lauschte angespannt in die Dunkelheit. Irgendein Geräusch hatte sie geweckt und plötzlich war sie sich sicher, nicht mehr allein in diesem Zimmer zu sein. Und tatsächlich – eine große Gestalt näherte sich fast lautlos dem Bett. Mit einem erstickten Schrei fuhr sie auf und suchte nach dem Lichtschalter.
„Pst, ich bin es doch nur“, ließ sich eine leise Stimme vernehmen.
Jetzt hatte sie den Schalter gefunden. Ein helles Licht durchflutete den Raum und geschockt erkannte sie, wer da vor ihr stand.
„Eduard! Wo kommst du denn her? Ihr wolltet doch erst Montag wieder zurück sein.“
Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf.
„Das war auch so geplant. Aber ich hatte mit meiner Frau so einen heftigen Streit, dass ich es vorgezogen habe, heute Nacht schon zu fahren.“
Auch Olga war verlegen und zog die Bettdecke hoch bis über die Brust.
„Oh, das tut mir Leid! Und nun? Das Beste wird sein, ich packe meine Sachen zusammen und gehe wieder in meine Wohnung.“
„In dieses kalte Loch? Das musst du wirklich nicht! Also wenn es dich nicht stört, dass ich auch hier schlafe, kannst du gerne bleiben. Ich habe jetzt Lust auf ein Glas Wein. Leistest du mir dabei Gesellschaft?“
Sie schaute an sich hinunter und fühlte sich in ihrem Nachthemd fast nackt.
„Lass mich noch ein bisschen was überziehen“, meinte sie schließlich. „So fühle ich mich nicht in Stimmung. Außerdem wird es mir ein bisschen kühl.“
„Ja, klar. Ich bin dann mal kurz in der Küche.“
Kaum war er hinter der Tür verschwunden, sprang sie aus dem Bett und schnappte sich ihre Jeans, die sie rasch überzog. Dann der Pulli über den Kopf, mit den Fingern kurz durch die Haare – als er wieder ins Zimmer kam, war die peinliche Situation überwunden.
Er stellte zwei Gläser auf den Nachttisch, schenkte ein und reichte ihr eines davon. Danach setzte er sich wie selbstverständlich neben sie auf das Bett. Sie musterte ihn verstohlen von der Seite und fand, dass er erschöpft aussah.
„So schlimm?“ fragte sie schließlich mitfühlend. „Das kommt aber doch wieder in Ordnung!“
„Ja, wahrscheinlich. Irgendwie ist das bisher immer gelungen, doch in letzter Zeit häufen sich diese Meinungsverschiedenheiten. Meine Frau fühlt sich benachteiligt und vernachlässigt, obwohl sie damit einverstanden war, dass ich das Studium in Angriff nehme, um bessere Karrierechancen zu haben. Klar geht das nur, wenn sie Geld verdient, von etwas müssen wir ja schließlich leben. Aber ich halte ihre Vorwürfe bald nicht mehr aus!“
Olgas Gedanken wanderten zurück zu der Zeit, als sie noch mit Richard zusammen war. Er war auch immer empfindlicher geworden wegen ihrer Klagen. Aber das war natürlich etwas ganz anderes als Eduards Situation!
„Das ist sicherlich nicht ganz einfach für sie“, meinte sie vorsichtig. „Hat sie denn wenigstens einen Job, der ihr Spaß macht?“
„Ja, ich denke schon. Sie arbeitet da in einer ziemlich anspruchsvollen Boutique. Obwohl – es gibt schon zuweilen Ärger mit irgendwelchen Kunden…“
„Vielleicht hatte sie einfach nur eine schlechte Woche. Ihr solltet auf jeden Fall einmal in Ruhe über alles sprechen. Immerhin hat dein Studium ja gerade erst angefangen!“
Er schaute nachdenklich in sein Glas, bevor er es auf einen Zug leerte.
„Ja, ja, erst einmal drüber schlafen. Allerdings…“ jetzt grinste er spitzbübisch, „…mein Bett ist gerade belegt.“
„Oh, das ist natürlich ein echtes Problem, aber ich denke, da gibt es eine Lösung“, ging sie auf seinen scherzhaften Ton ein, „Ich werde gerne das andere Bett benutzen.“
Er erhob sich.
„Nein, bleibe ruhig hier. Ich werde in Karls Bett schlafen.“