Читать книгу Die türkische Leine - Iris Bulling - Страница 20
Kapitel 17
ОглавлениеEin paar Tage später wurde in Olgas Wohnung ein Telefon angeschlossen. Einer ihrer ersten Anrufe galt ihrer Freundin Kathi, mit der sie lange keinen Kontakt mehr gehabt hatte. Doch nun war die Entfernung zumindest für ein Gespräch deutlich geringer geworden.
„Wir haben bald Osterferien hier“, meinte Kathi. „Was hältst du davon, wenn ich für ein paar Tage zu dir komme?“
„Oh, das wäre ganz toll! Aber was sagt Fred dazu?“
„Ach, der hat so viel zu tun mit seiner Diplomarbeit. Wenn ich weg bin, hat er mehr Ruhe. Also auf jeden Fall hat er nichts dagegen, wenn ich eine Weile weg bin.“
Die Aussicht auf Kathis Besuch machte Olga richtig euphorisch. Es hatte also durchaus Vorteile, dass sie in einem anderen Bundesland arbeitete und einen anderen Ferienrhythmus hatte als sie. Einige Tage, an denen sie nach Herzenslust quatschen könnten wie während ihrer Studententage – wie lange hatte sie das vermisst!
*
Kathis Besuch war wirklich ein Highlight in dieser Zeit. Sie begleitete Olga in die Schule, hatte auch Ideen für den Unterricht am nächsten Tag, gemeinsam klapperten sie einige Einrichtungshäuser ab und suchten zweckmäßiges und preiswertes Mobiliar für die neue Wohnung aus. Es war, als hätten sie sich erst gestern gesehen, so gut verstanden sie sich und zu erzählen hatten sie sich ohne Ende. Kathis zweite Ausbildungsphase verlief anders als die von Olga. Während Olga selbstständig für ihre Klasse verantwortlich war und einmal in der Woche ein Seminar für Junglehrer besuchen musste, leistete Kathi zwei Referendarjahre unter der Leitung eines Mentors ab und musste in dieser Zeit auch eine Zulassungsarbeit schreiben.
„Ich habe mich jetzt für ein Thema entschieden“, erzählte sie. „Da hat Fred mich drauf gebracht. „Programmierte Rechtschreibung“, das ist ziemlich neu und hat garantiert Zukunft.“
Olga hörte interessiert zu.
„Das gefällt mir“, meinte sie schließlich. „Das ist endlich mal ein Thema, das mich anspricht! Damit würde ich mich gerne auch näher beschäftigen.“
„Es ist doch nichts dagegen einzuwenden, wenn du das auch als Zulassungsthema nimmst, dann können wir ab und zu unsere Erfahrungen austauschen.“
„Ich werde mal mit meinem Deutschdozenten sprechen“, nickte Olga. „Wenn er grünes Licht gibt, dann habe ich endlich auch mein Thema! In den Sommerferien könnte ich in aller Ruhe den theoretischen Teil fertig stellen und im nächsten Schuljahr die Versuche starten.“
Leider vergingen die paar Tage viel zu schnell und Kathi musste wieder nach Hause. Aber der Besuch hatte Olga in jeder Hinsicht aufgebaut und sie schaute sehr optimistisch in die nächste Zukunft.
Nach Kathis Abreise befand Olga sich in einer richtigen Aufbruchsstimmung. Das bewirkte nicht nur der Frühling mit seinen freundlichen Tagen, sondern vor allem die Tatsache, dass sie wieder ein Ziel vor Augen hatte. Ute musste sich nun voll auf ihre zweite Dienstprüfung konzentrieren, die aus drei Lehrproben an der Schule und einer mündlichen Prüfung an der nächstliegenden Pädagogischen Hochschule bestand. Da sie woanders studiert hatte, wollte sie sich diese vor Ort anschauen, worauf Olga sich spontan entschloss sie zu begleiten, um mit ihrem Dozenten das Thema für die Zulassungsarbeit zu besprechen, denn sie kannte sich da aus.
Es war eine Reise in die Vergangenheit und doch auch wieder nicht, denn die meisten Leute, mit denen sie früher zusammen war, waren inzwischen in alle Winde verstreut. Doch auf der Autofahrt kam sie dann ins Grübeln.
„Richard ist wahrscheinlich noch da“, meinte sie zaghaft. „Dieses Sommersemester müsste sein letztes sein. Hoffentlich läuft er mir nicht über den Weg.“
„Falls doch kannst du ihn ja einfach übersehen“, schlug Ute vor. „Mehr hat er nicht verdient.“
Olga war trotzdem ein bisschen mulmig zumute, als sie Ute auf dem Gelände herumführte und ihr die Gebäude und Räumlichkeiten zeigte. Als sie später vor dem Sprechzimmer ihres Dozenten saß, entspannte sie sich endlich ein wenig. Immerhin hatte sie einen triftigen Grund hier zu sein und selbst wenn es zu einem Zusammentreffen käme, würde sie ihm schon demonstrieren, dass sie sehr gut ohne ihn klar kam und er in ihrem Leben keine Rolle mehr spielte.
Doch ihre Befürchtungen waren unbegründet. In diesem Gewusel von Studenten war keine Spur von Richard zu entdecken. Dagegen hatte sie ein sehr fruchtbares Gespräch mit ihrem Dozenten und als sie wieder auf dem Heimweg waren, machte sich ein richtig befreiendes Gefühl in ihr breit.
Der Rest dieses Schuljahres verging wie im Flug. Ute legte ihre Prüfung mit sehr guten Noten ab und deshalb gab es allen Grund zu feiern, wobei Eduard und Karl natürlich nicht fehlen durften. Die lockere Freundschaft, die sich trotz gelegentlicher körperlicher Annäherung mit den zweien entwickelt hatte, wollten sie beide nicht mehr missen.
Utes Erfolg beflügelte Olga, die sich mit viel Literatur für ihr Thema eindeckte und sich schon eine Gliederung für ihre schriftliche Arbeit ausdachte. Den ganzen theoretischen Teil und die Berichte über die Kinder ihrer Klasse wollte sie in den Sommerferien vorbereiten und tippen, damit sie sich im kommenden Schuljahr ganz auf die Untersuchungen und Auswertungen konzentrieren konnte und in der zweiten Hälfte auf die Lehrproben und die mündliche Prüfung.
*
Am letzten Schultag verabschiedete Olga sich für einige Wochen von Ute. Sie hatte noch zwei Wochen Urlaub bei Kathi und Fred eingeplant, danach wollte sie einige Zeit bei ihren Eltern verbringen und dort mit der Zulassungsarbeit beginnen. Sie wusste, dass ihre Mutter sich sehr über ihren Besuch freuen würde und sie selbst müsste sich weder um Essen noch um Wäsche kümmern. Ideale Arbeitsbedingungen!
Erholsame Ferien waren es nicht, aber sie kam gut voran. Eine Woche, bevor das neue Schuljahr begann, hatte sie schon 32 Seiten ihrer Zulassungsarbeit fertiggestellt und die ganzen Arbeitsblätter für die Tests in ihrer Klasse vorbereitet. Diese letzten Tage wollte sie in ihrer eigenen Wohnung verbringen und sich auch ab und zu mit Ute treffen. Diese hatte sich einen ausgiebigen Badeurlaub gegönnt und kam braungebrannt und gutgelaunt zu ihrem ersten Treffen nach so vielen Wochen. Fast wurde Olga ein bisschen neidisch.
„Was bin ich froh, wenn ich diesen ganzen Prüfungsstress auch hinter mir habe“, stöhnte sie. „Aber wenigstens habe ich einen Großteil der Zulassungsarbeit gut geschafft.“
„Wir könnten in den nächsten Sommerferien gemeinsam verreisen“, schlug Ute vor. „Bis dahin hast du es ja auf jeden Fall geschafft!“