Читать книгу Die türkische Leine - Iris Bulling - Страница 18
Kapitel 15
ОглавлениеEs war eine klare Nacht und sie fing schon bei dem Gedanken an ihr Zimmer an zu zittern. Aber sie war wild entschlossen, diese Nacht in ihrem eigenen Bett zu verbringen. Sie würde halt alles auf sich packen, was nur irgendwie verfügbar war!
Doch als sie in ihr Zimmer kam, erschien es ihr nicht mehr ganz so eisig. Rasch ging sie zur Heizung und fühlte. Der Heizkörper war richtig heiß! Ein Wunder? Olga ließ sich noch einmal das Gespräch durch den Kopf gehen, das Eduard mit Herrn Rieder geführt hatte.
„Anscheinend war die Heizung doch nicht richtig defekt“, überlegte sie. „Ist dieser Mensch tatsächlich so bösartig gewesen, weil er mir die Kündigung heimzahlen wollte? Und nun hat Eduard ihm klargemacht, dass die Nachbarn schlecht über ihn denken könnten. Eigentlich unfassbar! Aber Hauptsache, ich kann die paar Wochen noch hier drin leben.“
Da das Zimmer stark ausgekühlt war, würde es eine Weile dauern, bis sich eine angenehme Wärme ausbreitete. Trotzdem hatte Olga das Gefühl, sich noch nie so wohl gefühlt zu haben.
Allerdings schlief sie nicht gut in dieser Nacht. Immer wieder erschien die Schmuseszene mit Eduard vor ihrem inneren Auge und sie fragte sich, ob sie richtig gehandelt hatte. Einerseits hatte sie sich so wohl gefühlt in seinen Armen und ihr Körper hatte eindeutig nach mehr verlangt. Andererseits war sie sich sicher, dass es nur zu Komplikationen geführt hätte, wären sie weiter gegangen. Wäre dann noch diese kumpelhafte Freundschaft möglich, die sie so schätzen gelernt hatte? Und mehr empfand sie wirklich nicht, weder gegenüber ihm noch gegenüber Karl! Außerdem – er war verheiratet, auch wenn er anscheinend damit nicht mehr zufrieden war. Doch sie würde es sich nie verzeihen, einen solchen augenblicklichen Missstand ausgenutzt zu haben.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu Richard. Was mochte er der kleinen Studentin, die ihn damals besucht hatte, über ihre Beziehung erzählt haben? Ob sie inzwischen wohl zusammen waren? Warum war ihr seine Unzufriedenheit nicht vorher aufgefallen, damit sie hätte dagegen steuern können?
Unglücklich wälzte sie sich von einer Seite zur anderen. Warum mussten ihre Beziehungen so unbefriedigend sein? War es denn so unbescheiden, sich einen netten Partner zu wünschen, mit dem man seine gemeinsame Zeit verbringen konnte, der einen liebte und dem man die gleichen Gefühle entgegenbringen konnte? Doch wo sollte man ihn finden? Wieder einmal hatte sie das Gefühl, immer mehr in eine Sackgasse zu geraten.
Als ihr am nächsten Morgen Ute begegnete, schalt sie sich selbst undankbar. Zumindest hatte sie doch eine gute Freundin gefunden!
„Du hast das Wochenende überlebt“, stellte Ute fest. „Wie war das denn so in einer fremden Wohnung.“
„Zumindest warm“, gab Olga zurück. „Aber Einzelheiten erzähle ich dir lieber später. Wollen wir heute nach der Schule eine Kleinigkeit im Cafe Rund essen?“
„Ja, gerne. Ich bin noch nicht so richtig zum Einkaufen gekommen.“
Kurz nach dreizehn Uhr saßen sie sich dann gegenüber.
„Meine Heizung funktioniert seit gestern Abend wieder“, berichtete Olga. „Eduard hat Rieders darauf aufmerksam gemacht, was für ein Gerede es in der Nachbarschaft gäbe, wenn dieser Schaden bekannt würde – und siehe da, als ich abends nach Hause kam, lief der Heizkörper auf Hochtouren.“
„Wie? Eduard war am Wochenende da?“
„Er kam Samstag kurz vor Mitternacht. Angeblich hatte er Streit mit seiner Frau.“
„Auweia, was für eine peinliche Situation! Bist du dann gleich zurück in deine Wohnung?“
„Ich hatte doch schon geschlafen! Lag auch noch in seinem Bett. Aber es war okay. Er hat in Karls Bett geschlafen und wir haben dann den Sonntag zusammen verbracht. Als er Sonntagvormittag mal nach meiner Heizung schauen wollte, sind wir zufällig Rieders begegnet, wo er seinen Spruch losgelassen hat.“ Olga zögerte mit dem Weitererzählen. Einige Dinge wollte sie dann doch lieber verschweigen. Nachdem sie tief Atem geholt hatte, fuhr sie fort. „Abends bin ich dann in meine Wohnung gegangen- und da war der Heizkörper richtig heiß. Schon seltsam, nicht wahr?“
„Ja, das auf jeden Fall. Ob Herr Rieder die ganze Zeit an der Heizung herummanipulieren konnte? Aber die Hauptsache ist doch, dass du bis Februar gut über den Winter kommst.“
„Genau. Kannst du dir vorstellen, wie froh ich bin, wenn ich endlich umziehen kann?“
„Ich glaube schon!“ lachte Ute. „Und – steht schon ein weiterer Termin mit Eduard und Karl fest? Unternehmen wir was zusammen?“
„Äh – ich weiß nicht. Wir haben nicht über die nächste Zeit gesprochen.“
„Ich habe ein tolles Rezept für einen pikanten Käsekuchen, das ich gerne mal ausprobieren würde. Was hältst du davon, wenn ich einen kulinarischen Abend bei mir veranstalte? Da wären die beiden doch sicherlich für zu haben?“
„Das könnte ich mir schon vorstellen. Am besten rufst du sie mal an.“
Ute runzelte die Stirn.
„Stimmt etwas nicht? Du wohnst doch fast neben ihnen und läufst ihnen ständig übern Weg. Und jetzt soll ich sie für so eine Einladung anrufen?“
Olga druckste noch ein bisschen herum, aber dann erzählte sie doch von dem Vorfall am Vorabend. „Wir hatten mehrere Gläser Wein getrunken, vielleicht hat das die Schranken ein wenig verschoben“, endete sie. „Aber irgendwie – nun, ich weiß nicht so recht, wie ich ihm wieder gegenübertreten soll.“
„Das ist wirklich eine dumme Situation. Vielleicht tust du einfach so, als wäre nichts gewesen. Ich könnte mir vorstellen, dass ihm das auch am liebsten ist. Schade, wenn so etwas unsere Freundschaft belasten würde. Ich habe mich grade so an die Beiden gewöhnt!“
„Ein bisschen Pfeffer in unserem ach so trüben Leben! Aber es sollte halt wirklich bei Freundschaft bleiben. Mehr kann ich mir weder bei Eduard noch bei Karl vorstellen. Oder könntest du dir vorstellen, dich in einen von ihnen zu verlieben?“
Ute zögerte etwas, dann zuckte sie die Schultern.
„So etwas kann man kaum planen, oder? Es sind auf jeden Fall nette Jungs, aber es wird schon einen Grund haben, dass sie am Wochenende immer nach Hause fahren. Bei Eduard war es ja offensichtlich und bei Karl – er spricht wenig über sein Privatleben. Ich betrachte sie als nette Freunde und hoffe, dass das noch eine Weile so bleibt.“
„Genauso geht`s mir auch. Ich möchte nur deine Einladung dieses Mal nicht einfach so übermitteln. Vielleicht gelingt es uns, ihnen ganz „zufällig“ über den Weg zu laufen und sie dann zu fragen.“
„Unsere Diplomatin!“ lachte Ute. „Aber nun ja, das dürfte nicht so schwierig sein.“