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3.4.2.3. Deklination, Kasus

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Gemeinhin unterscheidet man im altniederländischen Kasussystem, sieht man vom Nominativ ab, die drei Fälle Genitiv, Dativ und Akkusativ, die noch zum Teil von der Deklination beziehungsweise Wortbildungen ausgedrückt werden. Kasusmerkmale, die sich in Substantiven, Adjektiven, Artikeln, Demonstrativen, Possessiven sowie Pronomina unterscheiden lassen, werden im Folgenden anhand einiger älterer altniederländischer Beispiele erörtert. In jüngeren altniederländischen Texten wie dem Williram sind zahlreiche, wohl durch die Reduktion der Vokale entstandene Varianten in der Flexion anzutreffen, die hier nur in Auswahl angeführt werden.

Da eine kleinere Zahl altniederländischer Texte überliefert wurde, lassen sich nur von vereinzelten Substantiven wie dag (‚Tag‘), berg (‚Berg‘), *himil (‚Himmel‘) usw., die wohl aus diesem Grund häufig in der sekundären Literatur zitiert werden, mehr oder weniger vollständige Paradigmen zum Kasus aufstellen.

Maskulinum
a-Stämme
dag (‚Tag‘)
Sing. Plur.
Nom. dach, dag daga
Gen. dages, dagis *dago
Dat. dag, daga, dage dagen, dagon, tagen
Akk. dach, dag, thac dag, daga, dage, tage

In Texten wie Williram kommt a in unbetonten Silben gelegentlich an Stelle von e, vgl. berg:

berg (‚Berg‘)
Sing. Plur.
Nom. berg, bergh berga
Gen. bergas bergo, berge
Dat. bergo, berge bergan, bergon
Akk. berg berga, berge

Andere anl. mask. Substantive kennen eine Flexion, die jener des Wortes dag ähnelt, vgl.

himil (,Himmel‘)
Sing. Plur.
Nom. *himil himela, himele
Gen. himeles *himelo
Dat. himele, himili, himolo himelen, himelon
Akk. himel himila

In der Deklination ähneln sich die Substantive der ja- und wa-Stämme, so in Bezug auf die -s- Endung im Genitiv Sing., vgl. das zu den ja-Stämmen zählende rugis in in afrista rugis iro an bleike goldis (‚und der hintere Teil ihrer Rücken in der gelben Farbe des Goldes‘ WPS 1, 67, 14) und das zu den wa-, ursprünglich wi-Stämmen gehörende seuues in Ic quam an diopi seuues (‚Ich kam in der Tiefe des Sees‘ WPS i, 68, 3). In Bildungen ohne Flexion besitzen sie noch/i/oder/e/, vgl. mnl. dille (‚Dill‘). Substantive wie lewo (‚Löwe‘) weisen Relikte des wa-Stammes auf wie lewon in mith grimme also thie pardi ande thie lewon (‚mit Wut wie die Panther und Löwen‘ LWR 62, 17).

i-Stämme
*liut (‚Leute‘)
Sing. Plur.
Nom. *liut liude, livte, luide
Gen. liudes liude, lute
Dat. liude liuden
Akk. liud liude

Bei den i-Stämmen erscheint die ursprüngliche Flexion als -i oder -e nach mask. langsilbigen Stämmen im Nom. und Akk. Plur., vgl. liude (‚Leute‘) in thes minnede her uuele liude (‚deswegen liebte er schlechte Menschen‘ MRB a, 340). Von der alten Flexion finden sich nach kurzsilbigen Stämmen vereinzelte anl. Zeugen, so in suli (‚Säule‘), vgl. Suli. Columnas (‚Säule‘ WPS 74, 4).

n-Stämme
*likhamo (‚Körper‘)
Sing. Plur.
Nom. *likhamo lichamen, lichnamen
Gen. lichamon, lichnamen *lichamono
Dat. lichnamen lichamen
Akk. lichamo, lichamon lichamon

Die sog. schwache Deklination dieser n-Stämme kennt abgesehen von Nom. Sing. in sämtlichen Kasus -n; die Form lichnamen, die das ONW als Nom. Sing. aufführt, weicht folglich hiervon ab.

Sonstige Deklinationen

Die überlieferten Formen, die zu den sonstigen Deklinationen zu rechnen sind, haben sich häufig an die Beugung von u.a. a- oder n- Stämmen angepasst, so verloren ursprünglich kurzsilbige u-Stämme wie *frithu (‚Frieden‘) u im Auslaut und kennen im Sing. Akk. Formen wie fritho, frithe oder uriden.

Femininum
o-Stämme
Sing. Plur.
Nom. ertha, erthe *ertha
Gen. erthen, erthon erthono
Dat. erden, erthan, erthon *erthon
Akk. ertha, erthon *ertha, *erthon

Zu den ô-Stämmen, die mit den fem. n-Stämmen zusammengefallen sind, gehören ausschliesslich feminine Substantive.

i-Stämme
*kraht (‚Kraft‘)
Sing. Plur.
Nom. craft
Gen. crefte crafto, crefte, crefti, crifto
Dat. craft, crefte, creft crafton, creiftin
Akk. chraft, craft, creft

Ursprünglich ähnelten sich fem. und mask. i-Stämme in der Deklination, im Anl. unterscheiden sie sich dann im Sing., vgl. Gen. Mask. liudes und Gen. Fem. crefte. Fem. i-Stämme können somit im Gen., aber auch im Dat. Flexion aufweisen, vgl. geuuelde in gegurdit mit geuuelde (‚gerüstet mit Macht‘ WPS h, 64, 7). Von Adjektiven abgeleitete Abstrakta wie diupi (‚Tiefe‘) kommen im Sing. mit der gleichen Flexion vor.

Neutrum
a-Stämme
wort (‚Wort‘)
Sing. Plur.
Nom. uuort uuort, woorth, word
Gen. *wordes wordo, worte
Dat. worde uuordum, wordan, wordon, worthen
Akk. uuort, wort uuort, wort, worte

Reste der älteren ja-Stämme zeigen sich im Anl. noch als e in Kasus ohne Flexion, vgl. bedde in Vnse bedde is wole gebloomed (‚Unser Bett ist reich mit Blumen geschmückt‘ LWR 24, 1). In Wörtern wie ueuuon (‚Weh‘) ist w des wa-Stammes noch erhalten.

n-Stämme
oga (,Auge‘)
Sing. Plur.
Nom. auge, oga ougan, ougon
Gen. ogun ougan
Dat. *ogun ougan, ougen
Akk. *oga […]gen, ougon, ogum

Da die Zahl der schwachen Neutra im Ger. gering war, kennt auch das Anl. wenige Beispiele dieser n-Stämme.

Die oben stehenden Paradigmen zeigen, dass Kasus des Substantivs, wie dies auch bei Genus der Fall war, nur noch beschränkt von distinktiven morphologischen Merkmalen im Altniederländischen ausgedruckt wird: so unterscheiden sich Nom.- und Akk.-Formen kaum voneinander, Formen des Dat. Sing. ähneln nicht selten jenen des Akk. Plur. Die Reduktion der Flexion sollte die Zahl der distinktiven Kasusmerkmale in jüngeren Phasen des Niederländischen weiter verringern.

Für das Adjektiv sind im Altniederländischen die ursprünglich ältere, schwache sowie die später im Germanischen entstandene neuere starke Deklination zu unterscheiden. Die Anwendung der Flexionsarten wird von der jeweiligen syntaktischen Struktur bedingt. Die starke Flexion steht mit der Deklination der substantivischen a-Stämme für Mask. und Neutrum sowie mit den o-Stämmen für das Fem. im Einklang. Die schwache Beugung, welche der Deklination der n-Stämme des Substantives ähnelt, folgt im Altniederländischen nach dem bestimmten Artikel, in den ältesten Texten ohne Artikel kommt sie somit selten vor.


Verglichen mit den oben stehenden Paradigmen weisen die in diesem Kapitel zitierten altniederländischen Texte Varianten auf, die Änderungen in der Deklination des Adjektivs ankündigen und die Entstehung der Artikel mit förderten.

In Artikeln, Demonstrativen und im Relativum kommt Kasus ebenfalls zum Ausdruck. Die Entstehung der Artikel als Neuentwicklung in den alten germanischen Sprachen wäre übrigens laut E. Glaser als Folge des Flexionsverlustes des Nomens zu begreifen, sodann hat die Verwischung der Unterschiede zwischen der schwachen und starken Beugung des Adjektivs möglicherweise den Bedarf an einer Unterscheidung zwischen indefinit und definit mit Hilfe des Artikels verstärkt, wie bereits E. Prokosch vermutete. Die bestimmten Artikel sind in den altgermanischen Sprachen wahrscheinlich aus Demonstrativen entstanden, der unbestimmte Artikel entwickelte sich wohl später aus dem Zahlwort een (‚ein‘). Die unten stehenden Paradigmen zeigen eine grössere Formenvarietät, die es erschwert, Aussagen zu den betreffenden distinktiven Merkmalen des Kasus zu verallgemeinern. Anfänglich lassen sich Artikel, Demonstrativum und Relativum im Altniederländischen nicht eindeutig voneinander unterscheiden, das ONW stuft die folgenden überlieferten Formen dennoch getrennt als Beispiele von Artikeln beziehungsweise Demonstrativen des Altniederländischen ein:



Die angeführten Formen zeigen, dass die Artikel wie die Demonstrative nur noch zum Teil distinktive Kasusmerkmale aufweisen, eine Erscheinung, welche die Entwicklung des Niederländischen prägte. Es ist diesbezüglich bezeichnend, dass die Verwischung der Unterschiede zwischen Akk., Dat. Sing. und Dat. Plur. bei Demonstrativen im Mittelniederländischen zur Entstehung von dien und die führen, wie W. Sanders dargelegt hat.

Die Personalpronomina besitzen ebenfalls Merkmale, die Kasus zum Ausdruck bringen. Sie lassen sich für das Altniederländische zwar mit dem folgenden Paradigma schematisch darstellen, die überlieferten Texte weisen aber auch diesbezüglich zahllose Varianten auf:


Von den Varianten des Personalpronomens sind die Dativ-Formen wie mir und thir neben den Akkusativ-Formen mich und thich zu erwähnen, die von hochdeutschem Einfluss namentlich im Leidener Williram zeugen. Dass der Verfasser des Textes diese Personalpronomina gelegentlich durcheinander bringt, deutet laut Sanders darauf hin, dass er in der Muttersprache nicht mehr eindeutig zwischen Akkusativ und Dativ unterscheidet. Dies zeigt sich auch in der Verwendung der Dativform him als Akk. Mask. Sing. an Stelle von hin(e). Sodann kommen in den WPS, wie Quak und Van der Horst ausführen, im Nom. Plur. sowohl wir wie wi vor, im LWR nur wir, die WPS kennt in der 2. Pers. gi, der LWR ir, sodann kennen sowohl die WPS als auch der LWR die Form her (‚er‘). Auch in den anderen Kasus dieses Pronomens weisen die WPS anfänglich h-Formen wie himo (‚ihm‘) und hino (‚ihn‘) auf, im weiteren Text fehlt hier das h. Der LWR kennt ebenfalls Personalpronomina mit h, so im Gen. und Dat. Fem. wie auch im Gen. Plur., vgl. hiro, weiter kommt hiz (‚es‘) als Nom. und Akk. Neutr. vor, himo als Dat. Sing. Mask. und Neutr.

Die Deklination der Possessiva kann ebenfalls distinktive Merkmale des Kasus besitzen, so kommen beispielsweise neben Nom. Sing. Mask. min (‚mein‘) Formen wie Gen. Sing. Mask. mines, Akk. Sing. Mask. minan, Gen. Fem. Sing. miner, Dat. Sing. Neutr. minemo oder Akk. thin (‚dein‘) vor. In den WPS erscheinen im 1. Pers. Plur. unsa (‚unsere‘) und im 2. Pers. Plur. iuwa (‚eure‘, ‚ihre‘), der LWR kennt zudem die nach dem Hds. mit r gebildeten Formen unser und iuwer. Wie bei den Personalpronimina kennt das Possessiv im Altniederländischen eine Vielzahl von Varianten, die nur beschränkt Kasus markieren.

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