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|29|Zweite Fallfrage: Wäre eine Verfassungsbeschwerde von Frau F, einer regelmäßig ins Ausland fliegenden Geschäftsfrau, mit dem Antrag, die Verfassungswidrigkeit der geplanten Gesetzesänderung schon vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens festzustellen, zulässig?

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Die Frage betrifft die Problematik, ob eine präventive Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetzesvorhaben zulässig ist.

Eine Verfassungsbeschwerde gegen gesetzliche Bestimmungen setzt voraus, dass die Beschwerdebefugnis ausreichend substantiiert dargelegt wird und der Beschwerdeführer durch die angegriffene Norm selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist (BVerfG, Urteil vom 05.12.2006, 1 BvR 2186/06, BVerfGE 117, 126, 135). Dies ist grundsätzlich dann nicht der Fall, wenn Rechtsnormen zu ihrer Durchführung noch administrativer Vollzugsakte bedürfen, da regelmäßig erst solche Vollzugsakte die Rechtssphäre des Einzelnen tatsächlich berühren (BVerfG, Urteil vom 14.07.1999, 1 BvR 2226/94, BVerfGE 100, 313, 354).

In folgenden Fällen hat das BVerfG aber eine unmittelbare Grundrechtsbetroffenheit ausnahmsweise bejaht: wenn die beanstandete Regelung bereits vor ihrer konkreten Anwendung im Einzelfall verhaltensprägende Vorwirkungen entfalten soll (BVerfG, Urteil vom 08.02.1977, 1 BvR 1/76, BVerfGE 43, 291, 387) oder tatsächlich entfaltet (BVerfG, Urteil vom 14.01.1998, 1 BvR 1995/94, BVerfGE 97, 157) oder den Wert der geltend gemachten Grundrechtsposition konkret und mit Einfluss auf die Dispositionsmöglichkeiten des Betroffenen beeinträchtigt (BVerfG, Urteil vom 14.07.1986, 2 BvE 2/84, BVerfGE 73, 40, 68). Eine unmittelbare Betroffenheit ist auch dann zu bejahen, wenn gegen einen denkbaren Vollzugsakt nicht – mangels Kenntnis hiervon (BVerfGE 100, 313, 354) – oder nicht in zumutbarer Weise (BVerfG, Urteil vom 15.02.2006, 1 BvR 357/05, BVerfGE 115, 118, 137) vorgegangen werden kann.

Würde sich die viel fliegende Geschäftsfrau F gegen ein in Kraft befindliches Gesetz wenden, so würde man ihre Beschwerdebefugnis bejahen müssen, da es ihr nicht zumutbar wäre, erst gegen den Vollzugsakt des Scannens im Flughafengebäude vorzugehen. Darum geht es aber hier nicht. Einer der genannten Fälle vom BVerfG bejahter „Vorwirkungen“ von noch nicht in Kraft getretenen Gesetzen, bei denen dieser Vorwirkungen wegen eine Beschwerdebefugnis bejaht werden kann, liegt hier nicht vor.

Im Ergebnis ist eine präventive Beschwerdebefugnis der F somit zu verneinen.

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