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2. Beschwerdebefugnis

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Nach Ansicht des BVerfGs steht Art. 19 Abs. 3 GG der Beschwerdefähigkeit des italienischen G-Unternehmens nicht entgegen.

In seiner bisherigen Rechtsprechung hatte das BVerfG nur die Geltung prozessualer Grundrechte des Grundgesetzes für ausländische juristische Personen bejaht, diejenige der materiellen Grundrechte aber zunächst unter Berufung auf den klaren Wortlaut |39|des Art. 19 Abs. 3 GG abgelehnt.[17] In späteren Entscheidungen wurde dieselbe Frage mit Blick auf juristische Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union offen gelassen.[18] Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage fand nunmehr erstmals im hier behandelten Beschluss vom 19.07.2011 statt.[19]

Tragende Prämisse der nunmehr entgegen dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG bejahten Geltung deutscher Grundrechte für in der EU ansässige und in Deutschland tätige Wirtschaftsunternehmen ist ein Anwendungsvorrang des Europäischen Unionsrechts vor deutschem Recht. Diesen Anwendungsvorrang leitet das BVerfG aus den durch die europäischen Verträge übernommenen vertraglichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten ab, wie sie insbesondere in den europäischen Grundfreiheiten und – subsidiär – dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV zum Ausdruck kommen. „Ein Eingreifen der aus den Grundfreiheiten und Art. 18 AEUV abgeleiteten unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote“ setze „voraus, dass die betroffenen juristischen Personen aus der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Unionsrechts tätig werden. Der Anwendungsbereich der Verträge“ richte „sich insoweit nach dem jeweiligen Stand des Primär- und Sekundärrechts der Europäischen Union und damit nach den ihr in den europäischen Verträgen übertragenen Hoheitsrechten (Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG, Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AEUV, vgl. BVerfGE 123, 267, 349ff.; 126, 286, 302). Insbesondere“ sei „er bei der Verwirklichung der Grundfreiheiten des Vertrags und dem Vollzug des Unionsrechts eröffnet. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin, die sich unter anderem auf unionsrechtlich (teil)harmonisiertes Urheberrecht“ berufe, „welches durch wirtschaftliche Aktivitäten in Deutschland verletzt worden sein“ solle, falle „in den Anwendungsbereich der Verträge in diesem Sinne (vgl. EuGH, Urteil vom 20.10.1993 – Phil Collins, a.a.O., Rn. 22, 27; Urteil vom 06.06.2002 – C-360/00 Ricordi, Slg. 2002, S. I-5088, Rn. 24). Die Anwendungserweiterung des Art. 19 Abs. 23 GG auf juristische Personen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union“ reagiere „auf die europäische Vertrags- und Rechtsentwicklung und“ vermeide „eine Kollision mit dem Unionsrecht. Die Bundesrepublik Deutschland“ sei „an Art. 18 AEUV und die sich aus den Grundfreiheiten ergebenden Diskriminierungsverbote einschließlich ihres Anwendungsvorrangs vor nationalem Recht (BVerfGE 126, 286, 301f.) gebunden. Die Anwendungserweiterung“ beachte „den Grundsatz, dass das supranational begründete Recht der Europäischen Union keine rechtsvernichtende, derogierende Wirkung gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht“ entfalte, „sondern nur dessen Anwendung soweit“ zurückdränge, „wie es die Verträge erfordern und es die durch das Zustimmungsgesetz erteilten Rechtsanwendungsbefehle erlauben. Mitgliedstaatliches Recht“ werde „insoweit lediglich unanwendbar (vgl. BVerfGE 123, 267, 398ff.; 126, 286, 301f.). Die europarechtlichen Vorschriften verdrängen Art. 19 Abs. 3 GG nicht, sondern veranlassen lediglich die Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf weitere Rechtssubjekte des Binnenmarktes.“[20]

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