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4. Kausalität und objektive Zurechnung

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Der Taterfolg des § 370 Abs. 1 muss durch eine der Tathandlungen („dadurch“) herbeigeführt werden. Nach der im allgemeinen Strafrecht entwickelten „Conditio-sine-qua-non“-Formel ist eine Handlung für den Erfolg kausal, wenn sie nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.[603] Für Unterlassungstaten wird die Formel ebenfalls angewendet, mit dem Unterschied, dass die Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Verschweigt der Täter bspw. einen Teil seiner Einkünfte und wird entspr. seiner Erklärung veranlagt, so wäre die zu niedrige Festsetzung ohne die falsche Angabe nicht erfolgt. Nicht abzustellen ist darauf, dass bei gänzlich unterlassener Erklärung gar keine Festsetzung erfolgt und damit ebenfalls bzw. in noch größerem Umfang Steuern verkürzt worden wären.

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Weitere Voraussetzung über die reine (Mit-)Verursachung hinaus ist, dass der Täter ein rechtlich missbilligtes Risiko für den Erfolg gesetzt hat, das sich vorhersehbar im Erfolgseintritt verwirklicht.[604] Trifft die Finanzbehörde Ihre Entscheidung nicht auf der Grundlage der unterbliebenen oder der ihr gegeben falschen Informationen, ist die Tathandlung für den Erfolg nicht kausal. Gibt also bspw. der Steuerpflichtige eine Einkommensteuererklärung ab, in der er Einkünfte verschweigt, nimmt das Finanzamt die Erklärung aber nicht wahr, sondern schätzt die Besteuerungsgrundlagen, so ist für ein daraus resultierendes falsches Ergebnis die Erklärung des Steuerpflichtigen nicht kausal. Er kann sichdann mangels ihm zurechenbaren Erfolges nur eines Versuchs strafbar machen. Nimmt das Finanzamt allerdings die als falsch erkannte Erklärung zum Anlass, die Einkünfte zu schätzen, so ist ihm eine wegen fehlerhafter Schätzung zu niedrige Festsetzung zuzurechnen, da vorhersehbar ist, dass eine Schätzung zu unzutreffenden Ergebnissen führt.

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Deklariert der Steuerpflichtige seine Einkünfte aus mitunternehmerischer selbstständiger Arbeit in der Gewinnfeststellungserklärung zwar in zutreffender Höhe, in der zeitgleich abgegebenen Einkommensteuererklärung aber zu niedrig, unterbricht die rechtsfehlerhaft unterbliebene Auswertung des Grundlagenbescheids durch das Finanzamt nach Ansicht des BGH nicht den vom Steuerpflichtigen in Gang gesetzten Kausalverlauf, da die Nichtauswertung keine neue, von den Angaben des Steuerpflichtigen unabhängige Ursache setzt, sondern die falschen Angaben unberührt lässt.[605]

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Der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt – anders als der Betrugstatbestand des § 263 StGB – keine Täuschung und keinen Irrtum des zuständigen Finanzbeamten voraus.[606] Das ergibt sich abgesehen vom abweichenden Wortlaut des § 370 AO gegenüber § 263 StGB auch daraus dass die Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 und Nr. 3, Steuerhinterziehungen erfassen, in denen ein Amtsträger bei einer Steuerhinterziehung seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht. Dieser Amtsträger kann auch der zuständige Veranlagungsbeamte sein.[607] Auch die Unkenntnis der Finanzbehörde vom wahren Sachverhalt ist in der Begehensvariante nicht ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Steuerhinterziehung.[608] Der Hinterziehungserfolg ist dem Täter daher auch – anders als in der Unterlassensvariante (s. dazu Rn. 148) dann zuzurechnen, wenn die Finanzbehörde Kenntnis von allen Tatsachen hat, die für die zutreffende Steuerfestsetzung erforderlich sind. Selbst wenn zudem sämtliche Beweismittel i.S.d. § 90 bekannt und verfügbar sind.[609] Daher begeht auch der Veranlagungsbeamte, der fingierte Steuerpflichtige in die EDV eingibt, um Steuererstattungen zu erlangen, eine Steuerhinterziehung.[610] Der Hinterziehungserfolg wird auch kausal herbeigeführt, wenn Finanzbehörden zwar einen Tatverdacht haben, aus ermittlungstaktischen Gründen die Veranlagung aber entspr. den falschen Angaben vornehmen,[611] d.h. z.B. einer Steuervergütung gem. § 168 S. 2 zustimmen, anstatt den Eintritt des Taterfolgs zu verhindern.

Steuerstrafrecht

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