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5. Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 S. 3)
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Nach § 370 Abs. 4 S. 3 ist es für die Beurteilung der Tat unerheblich, ob die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können (Kompensationsverbot). Folge ist, dass nachträglich geltend gemachte Ermäßigungsgründe, die steuerlich als neue Tatsachen gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu berücksichtigen sind, für den Hinterziehungserfolg außer Betracht bleiben. Dadurch kommt eine Verurteilung wegen vollendeter Steuerhinterziehung in Betracht, selbst wenn im Ergebnis keine Steuern verkürzt worden sind. Als Grund für diese häufig als ungerecht empfundene Regelung wird angeführt, dass der Strafrichter nicht den kompletten Steuerfall daraufhin überprüfen müssen soll, ob aus anderen Gründen eine Steuerermäßigung zu berücksichtigen ist.[612] Dieses Ziel lässt sich aber praktisch nicht erreichen, weil für die Strafzumessung das Kompensationsverbot nicht gilt, sondern die tatsächlich verursachten Auswirkungen der Tat ein wesentliches Kriterium sind.[613] Der BGH stellt soweit ersichtlich auf dieses Argument allerdings auch nicht ab, sondern hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1961[614] ausgeführt, dass der Täter Tatsachen, die er zu seinen Gunsten unterdrückt hat, nicht durch andere Tatsachen ausgleichen dürfen soll, die – hätte er sie dem Finanzamt vorgetragen – eine niedrigere Festsetzung des Steueranspruchs begründet hätten. Unterfallen steuermindernde Umstände dem Kompensationsverbot, so sind sie im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen (s. dazu Rn. 363).
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Das Kompensationsverbot betrifft nur „die Steuer auf die sich die Tat bezieht“, bzw. die damit in Verbindung stehenden Steuervorteile. Stehen dem Täter Erstattungsbeträge aus anderen Steuerarten oder Besteuerungszeiträumen zu, kommt eine Kompensation ohnehin nicht in Betracht.[615]
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„Andere Gründe“ i.S.d. § 370 Abs. 4 S. 3 sind Tatsachen, auf die sich der Täter zur Rechtfertigung seines Verhaltens beruft, obwohl er sie im Besteuerungsverfahren nicht vorgebracht hat und die – hätte er sie dem Finanzamt vorgetragen – eine Ermäßigung der Steuer bewirkt hätten.[616] Fingiert bspw. ein Steuerstraftäter Werbungskosten und unterlässt er im gleichen Umfang die Geltendmachung von angefallenen Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung, so ist es ihm aufgrund des Kompensationsverbots verwehrt, die fingierten Werbungskosten mit den außergewöhnlichen Belastungen zu verrechnen.[617] Das Kompensationsverbot hindert den Steuerpflichtigen hingegen nicht, bereits erklärte Besteuerungsgrundlagen im Strafverfahren einer anderen rechtlichen Wertung zu unterziehen[618] oder auf die ursprüngliche, vom Finanzamt abweichende Rechtsauffassung zu bestehen.[619] Steuermindernde Umstände sind daher zu berücksichtigen, wenn es um die rechtliche Beurteilung der steuerlichen Auswirkung ein- und derselben Zahlungen geht, bzw. wenn sich die Frage der richtigen Qualifizierung derselben Zahlungen auch bei Abgabe richtiger Steuererklärungen gestellt hätte.[620] Aus diesem Grund darf bspw. geprüft werden, ob es sich bei einer unzutreffend als Spende, d.h. als Sonderausgabe, geltend gemachten Zahlung um eine Betriebsausgabe handelt.[621] Dagegen ist die Ausübung steuerlicher Wahlrechte kein Fall der rechtlichen Wertung. Kommt nach Ausübung eines solchen Wahlrechts nachträglich noch die anderweitige Ausübung in Betracht und wird dadurch eine Steuerminderung erreicht, handelt es sich insoweit um einen „anderen Grund“ i.S.d. § 370 Abs. 4 S. 3.[622] Das Kompensationsverbot greift mangels „anderer Gründe“ auch dann nicht, wenn ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen verschwiegenen steuererhöhenden und steuermindernden Umständen besteht.[623] Der BGH hat dazu ausgeführt, dass dem Täter solche Steuervorteile nicht vorenthalten werden dürfen, die ihm schon auf Grund seiner richtigen Angaben oder jedenfalls auch dann ohne weiteres von Rechts wegen zugestanden hätten, wenn er anstelle der unrichtigen die der Wahrheit entsprechenden Angaben gemacht hätte.[624] Hierunter fallen bspw. Betriebsausgaben, die unmittelbar mit verschwiegenen Betriebseinnahmen zusammenhängen, nicht aber solche Betriebsausgaben, die andere als die nicht verbuchten Geschäfte betreffen.[625]
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Umstritten ist die Behandlung von Betriebsausgaben, die tatsächlich entstanden sind, für die aber zunächst ein falscher Zahlungsgrund oder Empfänger angegeben worden ist. Das OLG Karlsruhe hat dazu in einem Beschl. v. 6.3.1985 ausgeführt, dass es sich bei den korrigierten Angaben nicht um „andere Gründe“ i.S.d. § 370 Abs. 4 S. 3 handelt, da nach wie vor allein die in der Steuererklärung aufgeführten und tatsächlich geleisteten Zahlungen der steuerlichen Beurteilung unterliegen.[626] Der Austausch des Betriebsausgabengrundes und die durch Nennung des wirtschaftlichen Empfängers erfolgte Ergänzung mache aus dem ursprünglich angegebenen keinen anderen Geschäftsvorfall. Auch in dem bloßen Nichtbenennen des Empfängers einer tatsächlich geleisteten Zahlung sei kein steuerunehrliches Verhalten zu sehen. Es führe steuerlich zu einer Aberkennung der Betriebsausgaben, begründe aber keine Steuerhinterziehung. Strafbar mache sich der Steuerpflichtige allerdings, wenn er einen fingierten Empfänger benennt, um die Versagung des Betriebsausgabenabzugs zu verhindern.[627] Das FG Niedersachsen will von einer Falschbezeichnung des Empfängers den Austausch des Lebenssachverhaltes auf den sich die geltend gemachten Betriebsausgaben beziehen, abgrenzen.[628] Um einen solchen Austausch des Lebenssachverhaltes handele es sich, wenn der zunächst angegebene Gläubiger eines Darlehens tatsächlich in deutlich geringerem Umfang Zinsansprüche gegen die Steuerpflichtige hatte, während die geltend gemachten Zinsen über den angegebenen Gläubiger tatsächlich einem anderen, erst später benannten Gläubiger zugeflossen waren.[629]
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Die Kasuistik zum unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang ist unübersichtlich.