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VI. Irrtum

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Nach § 369 Abs. 2 i.V.m. § 16 Abs. 1 StGB handelt in einem Tatbestandsirrtum, wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört. Er handelt dann ohne Vorsatz und kann nur wegen fahrlässiger Tatbegehung bestraft werden, sofern die fahrlässige Begehung unter Strafe gestellt ist (§§ 15, 16 Abs. 1 S. 2 StGB). Auf die Vermeidbarkeit des Irrtums kommt es dabei nicht an. Die fahrlässige Steuerhinterziehung ist nicht strafbar, in Betracht kommt insoweit aber die Ahndung einer leichtfertigen Steuerverkürzung als Ordnungswidrigkeit (§ 378). Demgegenüber bestimmt § 17 S. 1 StGB, dass ein Täter, dem bei Begehung der Tat die Einsicht fehlt, Unrecht zu tun, ohne Schuld handelt, wenn er seinen Irrtum nicht vermeiden konnte (unvermeidbarer Verbotsirrtum, siehe dazu auch § 369 Rn. 88 ff.). Er ist dann nicht strafbar. War der Irrtum vermeidbar, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert werden. Für die Einsicht, Unrecht zu tun, genügt es, dass der Täter erkennt, dass er gegen steuerliche Pflichten verstößt. Er muss nicht darüber hinaus wissen, dass er sich damit strafbar macht.[713]

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Im Steuerstrafrecht ist die Abgrenzung des Verbotsirrtums gem. § 17 StGB vom Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB wegen der Verweise der Merkmale „steuerlich erhebliche Tatsache“,„Steuerverkürzung“ und „Steuervorteil“ auf das Steuerrecht in § 370 in besonderem Maße umstritten (s. dazu Rn. 263 f.). Bei einem Irrtum über die Steuerrechtslage nimmt die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung[714] und Literatur[715] – zutreffend – einen Tatbestandsirrtum an (s. dazu Rn. 264). Problematisiert wurde diese Annahme durch den 1. Senat des BGH[716] mit Verweis auf die vorherrschende Ansicht, wonach es sich bei § 370 um eine Blankettvorschrift handele, die auf die Steuergesetze verweise. Dieses Problem stellt sich hingegen nicht, wenn man die genannten Tatbestandsmerkmale – wie hier vertreten (s. dazu Rn. 2 ff.) – als normative Tatbestandsmerkmale qualifiziert. Dann ist Voraussetzung des Vorsatzes, dass der Täter den sozialen Sinngehalt der Sachverhaltsverwirklichung erkennt, wobei er für eine Steuerhinterziehung in Form einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ Kenntnis von der steuerlichen Rechtslage haben muss.[717] Aber selbst unter Ausblendung dieses Streits dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass sämtliche Tatbestandsmermale des § 370 Abs. 1 vom Vorsatz umfasst sein müssen, also auch der Hinterziehungserfolg („und dadurch Steuern verkürzt oder . . . nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“). Der Täter muss also wissentlich und willentlich Steuern verkürzen bzw. nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangen. Das setzt voraus, dass er zumindest billigend in Kauf nimmt, dass ein Steueranspruch besteht, bzw. der von ihm geltend gemachte Steueranspruch nicht besteht.[718]

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In der Praxis lassen sich die Ermittlungsbehörden und Gerichte nur selten davon überzeugen, dass der der Täter die ihm obliegenden steuerlichen Pflichten aufgrund eines Irrtums verletzt hätte, sondern unterstellen (bedingt) vorsätzliches und schuldhaftes Handeln. Bspw. rechtfertigt der Hinweis eines angeklagten Juristen und Verwaltungsfachmanns auf die (behauptete) Lektüre eines die Steuerpflicht der in Frage stehenden Renditen betreffenden, wenig aussagekräftigen Zeitungsartikels angesichts des äußerst dubiosen Anlagesystems und der Warnung von Kollegen nicht die Annahme eines vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums.[719]

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Geht der Täter irrtümlich davon aus, mit seinem Verhalten einen Tatumstand zu verwirklichen, kann er wegen untauglichen Versuchs bestraft werden. Meint er fälschlich, sein Verhalten sei strafbar, so ist sein Verhalten als sog. Wahndelikt straffrei (s. dazu auch Rn. 285 f.).

Steuerstrafrecht

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