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b) Kompensationsverbot in Unterlassungsfällen

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Problematisch und in der Lit. umstritten[645] ist insb. die Anwendung des Kompensationsverbots auf Unterlassungsfälle. In früherer Rspr. bejahte der BGH eine Umsatzsteuerhinterziehung selbst für den Fall, dass der Steuerpflichtige keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hat, in der er einerseits umsatzsteuerpflichtige Umsätze anzugeben gehabt hätte sowie andererseits Vorsteuererstattungsbeträge, die über die abzuführende USt hinaus gehen und damit im Saldo zu einer Erstattung führen.[646] Zur Vermeidung einer Bestrafung verwies der BGH auf den möglicherweise fehlenden Vorsatz, weil ein Tatbestandsirrtum des Angeklagten i.S.d. § 16 StGB naheliegen würde, da dieser wahrscheinlich nicht davon ausgeht, Steuern zu verkürzen, wenn er ihm zustehende Erstattungsansprüche nicht in Anspruch nimmt. Mit dieser Argumentation wäre der Hinterziehungsvorsatz grds. auch in Fällen zu verneinen, in denen im Ergebnis keine Steuerschuld besteht. Demgegenüber hat der 1. Senat in einer Entscheidung vom 13.9.2018, 1 StR 642/17,[647] für Fälle der unterlassenen Abgabe von USt-Erklärungen den Abzug von Vorsteuerbeträgen, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit verschwiegenen Umsätzen stehen, erstmals zugelassen. Die Frage, ob in Fällen der unterlassenen Abgabe einer Steuererklärung das Kompensationsverbot darüber hinaus stets unanwendbar ist, hat er ausdrücklich offen gelassen.[648]

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Es stellt sich daher weiterhin die Frage, ob das Kompensationsverbot in Fällen, in denen keine Erklärung abgegeben wird, eingreifen kann. Nach dem Wortlaut des § 370 Abs. 4 S. 3 sind die Voraussetzungen des § 370 Abs. 4 S. 1 und 2 auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt werden oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte in Anspruch genommen werden können. Entscheidend ist daher, welches die Steuer ist, auf die sich die Tat bezieht, bzw. welche Steuer i.S.d. § 370 Abs. 4 S. 1 in der Folge der Nichtabgabe der Erklärung nicht festgesetzt wird. Ist das die isoliert zu betrachtende Umsatzsteuer auf Ausgangsumsätze, mit der Folge, dass das Kompensationsverbot hinsichtlich der Eingangsumsätze greift? Oder ist dies nicht vielmehr die Steuer, die sich bei gedachter Abgabe einer Erklärung und somit nach Abzug der Vorsteuer ergibt? Nach der hier vertretenen Auffassung[649] kann nur auf den Saldo zwischen dem Ergebnis der nicht erfolgten Anmeldung/Festsetzung und der bei ordnungsgemäßer Anmeldung/Festsetzung sich ergebenden Steuer abgestellt werden. Dabei ist, jedenfalls wenn keine besonderen Umstände vorliegen, davon auszugehen, dass die Steuer – wäre sie denn erklärt worden – unter Berücksichtigung aller Eingangsumsätze erklärt und dementsprechend unter Abzug der Vorsteuer festgesetzt worden wäre. Da der Täter überhaupt keine Angaben macht, kann ihm – zumindest unter Beachtung des In-Dubio-Pro-Reo-Grundsatzes – nicht unterstellt werden, die Steuer wäre, sofern er eine Steuererklärung abgegeben hätte, ohne Berücksichtigung der steuermindernden Tatsachen erklärt und festgesetzt worden. Nur wenn der Täter Angaben gemacht hat, die „Gründe“ der Steuerfestsetzung geworden sind, kann es auch „andere Gründe“ i.S.d. § 370 Abs. 4 S. 3 geben.[650] Folglich hinterzieht der Täter nur den Saldo aus abzuführender USt abzüglich der ihm zustehenden Vorsteuerbeträge des betroffenen Anmeldungszeitraums.[651]

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Bei unterlassener Abgabe einer Einkommensteuererklärung, die bei richtigen Angaben zu keinem Steueranspruch des Fiskus geführt hätte, kommt es, soweit ersichtlich, weder in der Rspr. noch in der Praxis vor, dass eine Steuerhinterziehung angenommen würde, wenn sich keine Steuerschuld ergibt, selbst wenn dies darauf beruht, dass den verschwiegenen Einnahmen höhere, ebenfalls verschwiegene, Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen gegenüber stehen, für die im Fall der Abgabe einer Erklärung das Kompensationsverbot greifen würde.

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Wird dem Finanzamt in einer Steuererklärung nur ein Saldo, bspw. aus Betriebseinnahmen- und Betriebsausgaben mitgeteilt, kommt ebenfalls keine Anwendung des Kompensationsverbotes in Betracht, soweit der Steuerpflichtige den Saldo begründen kann.[652]

Steuerstrafrecht

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