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3.Einzelne Mordmerkmale

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77Im Folgenden werden die Voraussetzungen der einzelnen Mordmerkmale der drei genannten Gruppen näher dargestellt.

78a) Die persönlichen Mordmerkmale der 1. Gruppe (Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier, sonstige niedrige Beweggründe) knüpfen die Strafschärfung an besonders verwerfliche Motive (Beweggründe) des Täters. Hierbei handelt es sich nach h. M. um Merkmale des subjektiven Tatbestandes226. Die Merkmale Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs und Habgier sind gesetzlich genannte Beispiele für niedrige Beweggründe („sonst ein niedriger Beweggrund“). Soweit eines der erstgenannten Merkmale verwirklicht ist, gelangt die Auffangvariante des sonstigen niedrigen Beweggrundes nicht zur Anwendung; vielmehr bedarf es hierfür eigenständiger weiterer Motive.227 Kommen verschiedene, möglicherweise zusammenwirkende Motive des Täters in Betracht (sog. Motivbündel), so ist das bewusstseinsdominante Motiv entscheidend, d. h. der die Tat prägende Handlungsantrieb muss für sich betrachtet „niedrig“ sein und so eines der genannten Mordmerkmale begründen228.

79Der Täter muss die persönlichen Mordmerkmale stets auch subjektiv in ihren tatsächlichen Voraussetzungen erfassen. Es ist daher erforderlich, dass er sich derjenigen Tatumstände bewusst ist, die der Bewertung seines Handlungsantriebes als „niedrig“ zugrunde liegen229. Die rechtliche Bewertung als „niedrig“ (Subsumtion) braucht der Täter hingegen nicht nachzuvollziehen. Soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen (wie Wut, Hass oder Zorn) als Handlungsantriebe in Betracht kommen, muss der Täter diese auch gedanklich beherrschen und mit seinem Willen steuern können230.

80aa) Aus Mordlust handelt der Täter, wenn er aus reinem Mutwillen, aus Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens oder aus Zeitvertreib tötet231. Es muss ihm dabei allein darauf ankommen, einen Menschen sterben zu sehen232. Solche Fälle sind freilich nicht nur in der Praxis recht selten, sondern dürften auch in Prüfungsarbeiten eher die Ausnahme darstellen.

Bsp.:233 T sucht eine im Untergeschoß eines Bahnhofsgebäudes gelegene Toilette auf. Er empfindet diesen verlassenen Ort als unheimlich und denkt sich, wenn man hier jemanden töte, würde es niemand bemerken. Danach geht er zur Bahnhofshalle zurück. Er erinnert sich dann an einen Zeitschriftenartikel, in dem über die Tötung einer alten Frau berichtet worden war, und sagt sich, wenn er einmal so etwas mache, dann mache er es so, dass man ihn nicht erwische. Am Ende dieser Überlegungen geht O an ihm vorbei zur Toilette. T denkt sich „jetzt oder nie“ und beschließt, die O zu töten, wobei er sich ausschließlich von dem Willen leiten lässt, einen Menschen vom Leben zum Tode zu befördern. Er wartet einen Augenblick und geht dann ebenfalls zur Toilette hinunter. Er packt O mit beiden Händen fest am Hals, um sie zu erwürgen. O überlebt jedoch den Anschlag. – T hat sich wegen versuchten Mordes nach §§ 212, 211, 22, 23 strafbar gemacht. Er hat das Merkmal Mordlust verwirklicht, weil T beschloss, einen Menschen zu töten und er die Tat aus reiner Freude an der Vernichtung eines Lebens beging.

81bb) Von größerer Bedeutung ist die Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs. Erfasst werden zunächst (1) Fälle des Sexualmords, bei denen der Täter die geschlechtliche Befriedigung durch die Tötung des Opfers, d. h. im Tötungsakt selbst sucht234. Ob der Täter die angestrebte sexuelle Befriedigung tatsächlich erreicht, ist für die Verwirklichung des subjektiven Merkmals, das lediglich eine entsprechende Zielrichtung verlangt, unerheblich. Weiter verwirklicht dieses Merkmal, (2) wer eine andere Person tötet, um sich anschließend an der Leiche sexuell zu befriedigen235. Letztlich erfüllt dieses Mordmerkmal auch, (3) wer bei einer Sexualstraftat Gewalt anwendet und dabei mit Eventualvorsatz hinsichtlich des Todes des Opfers handelt236.

Bsp.: T begeht eine sexuelle Nötigung an O (§ 177 Abs. 1). Er geht dabei mit äußerster Brutalität vor. Er hält es für möglich und nimmt es billigend in Kauf, dass O durch seine Handlungen zu Tode kommt, was dann auch geschieht. – T verwirklicht hier das Mordmerkmal zur Befriedigung des Geschlechtstriebs. Er macht sich daher nach §§ 211, 212 in Tateinheit mit der Erfolgsqualifikation (§ 18) des § 178 (sexuelle Nötigung mit Todesfolge) strafbar.

82(1) Nach neuerer Rechtsprechung kann das Merkmal ferner verwirklicht sein, wenn die Tötung eines Menschen mittels Videoaufnahme festgehalten wird, um dem Täter später als Anschauungsobjekt für seine sexuellen Phantasien und zu seiner sexuellen Befriedigung zu dienen. Eines Unmittelbarkeitsverhältnisses in dem Sinne, dass die Tötung und die angestrebte sexuelle Befriedigung in einem engen zeitlich-räumlichen Zusammenhang stehen müssen, bedarf es demnach nicht. Es genügt, wenn der Täter bei der Tötung eine spätere Befriedigung des Geschlechtstriebs mit Hilfe des Videos anstrebt237.

83(2) Das Tötungsopfer muss im Übrigen identisch mit derjenigen Person sein, gegen die sich die sexuelle Begehrlichkeit richtet238. Die Tötung eines schutzbereiten Dritten genügt demnach nicht.

Bsp.:239 T passt O ab, um diese gewaltsam zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. Diese wird jedoch von B begleitet. T tötet den B, um sich ungestört an O vergehen zu können. – Es liegt hier keine Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs vor, da nicht O, sondern ein schutzbereiter Dritter getötet wurde. Jedoch verwirklicht T das Mordmerkmal zur Ermöglichung einer Straftat (§ 211 Abs. 2 Gruppe 3), da es hierfür unerheblich ist, dass sich die Tat nach § 177 gegen eine andere Person als gegen das Opfer des Tötungsverbrechens richtet.

84cc) Das Mordmerkmal Habgier setzt ein ungezügeltes, rücksichtsloses Gewinnstreben um jeden Preis (auch um den Preis eines Menschenlebens) voraus240. Habgier ist insbesondere dann gegeben, wenn der Täter den Tod eines Menschen deshalb anstrebt oder in Kauf nimmt, weil er sich unter völliger Missachtung seiner elementaren Rechte und Interessen in den Besitz seiner Habe setzen will241. Da das Mordmerkmal eng gefasst ist, lehnt der BGH in Fällen der Habgier die Rechtsfolgenlösung ab, so dass eine Korrektur der lebenslangen Freiheitsstrafe nicht in Betracht kommen soll242. Das Gewinnstreben kann mit anderen Beweggründen wie Hass, Verzweiflung oder Angst zusammentreffen, solange bei Motivbündeln nur das Gewinnstreben das Bewusstsein dominiert243.

Bsp.: T tötet den O, der ihn testamentarisch zum Erben eingesetzt hat, um „vorzeitig“ an die Erbschaft zu gelangen. – Unerheblich für die Verwirklichung des Mordmerkmals wäre es, wenn T den O nebenbei hasst, weil er ihn in der Vergangenheit mehrfach schikaniert hat.

85(1) Habgier kann in jedem Streben nach einem Vermögenswert liegen. Es muss nicht beabsichtigt sein, einen beträchtlichen Gewinn zu erzielen244. Denn gerade auch die Tötung eines Menschen zur Erlangung geringer Vermögenswerte kann als besonders verwerflich zu qualifizieren sein.

Bspe.:245 T tötet nach einem Banküberfall den O, um mit dessen Wagen die Beute in Sicherheit zu bringen.

86(2) Erfasst werden auch Fälle, in denen es dem Täter darum geht, Zahlungen an das Opfer zu vermeiden. Richtigerweise kann es nämlich nicht darauf ankommen, ob der Täter einen positiven Gewinn erzielen oder nur Aufwendungen bzw. Verluste vermeiden möchte, da es ihm per saldo in beiden Fällen darum geht, seine Vermögenslage zu verbessern. Nicht erforderlich ist demnach, dass durch die Tat ein „Mehr“ in das Vermögen fließen soll. Vielmehr wird auch ein Handeln zur Besitzstandswahrung erfasst246.

Bsp.: Der Ehemann tötet seine Frau, um nach der Trennung keinen Unterhalt zahlen zu müssen. – Der Schuldner tötet seinen Gläubiger, um die Rückzahlung eines Darlehens zu vermeiden.

87(3) Diskutabel ist eine teleologische Reduktion des Merkmals in Fällen, in den der Täter einen Anspruch auf den erstrebten Vorteil besitzt. Anders als bei §§ 242, 249, 253, 263 kommt es zwar nach dem Wortlaut nicht darauf an, ob der Vorteil „rechtswidrig“ ist, d. h. im Widerspruch zur Rechtsordnung steht. Allerdings strebt der Täter – rechtlich betrachtet – gar keinen Zugewinn an, wenn bereits der Anspruch in sein Vermögen fällt247. Dagegen ließe sich vielleicht einwenden, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung jedenfalls dann noch von einem Vorteil gesprochen werden kann, wenn sich der Anspruch nicht ohne weiteres realisieren lässt. Allerdings sollte man demgegenüber sehen, dass der Unrechtsgehalt der Tat vermindert ist, wenn der Täter einen Anspruch auf die Sache bzw. den Vermögensvorteil besitzt248.

Strafrecht - Besonderer Teil I

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