Читать книгу Umgang mit Zwangsmaßnahmen - Judith Scherr - Страница 87
3.11 Haftung aus Organisationsverschulden: Warum ist die Regelung interner Abläufe sinnvoll?
ОглавлениеFür Organe von Gesellschaften gilt die Legalitätskontrollpflicht. Sie müssen die Gesellschaft so organisieren, dass aus ihr keine Straftaten hervorgehen. Andernfalls droht die persönliche Haftung des Geschäftsführers, z. B. aus § 43 Abs. 1 GmbHG oder aus § 130 OWiG. Das Unternehmen selbst haftet nach §§ 130, 30 OWiG. Darüber hinaus gibt es immer wieder Gesetzgebungsinitiativen für ein sog. »Verbandssanktionsgesetz«, welche eine verschärfte Verantwortung für Unternehmen vorsieht, wenn es innerhalb eines Unternehmens zu Verstößen kommt und dies zu verhindern gewesen wäre. Die Verantwortung führt dazu, dass sich Organe und Leitungspersonen darum bemühen müssen, dass in den Einrichtungen rechtskonforme Abläufe stattfinden. Dabei gelten für Einrichtungen der Kranken- und Teilhabepflege besondere Anforderungen, welche sich aus dem besonderen Aufgabenfeld ergeben (Gehring 2016; Deffland und Gehring 2020; Dann 2015, S. 95 ff.). Dies wird vor allem durch Anweisungen sowie deren Umsetzung gesteuert.
Verfahrens- bzw. Organisationsanweisungen dienen dazu, Prozesse und Abläufe zu vereinheitlichen. Sie schaffen für die Mitarbeiter Transparenz, indem sie ihnen eine Handreichung geben, welche Regularien – beispielsweise im Falle einer Fixierungsmaßnahme – zu beachten sind. Verfahrensanweisungen sollten verständlich und klar formuliert sein. In der Regel erlangen Verfahrensanweisungen Gültigkeit, indem der Geschäftsführer bzw. Freigabeverantwortliche die Verfahrensanweisung unterzeichnet, eine entsprechende Information – z. B. per E-Mail – an alle betroffenen Mitarbeiter ergeht und sie den Mitarbeitern zugänglich gemacht wird. Dies kann durch Veröffentlichung im Intranet der Einrichtung und/oder durch Einheften in den Organisationsordner der betroffenen Stationen erfolgen.
Dienstanweisungen können vom Dienstgeber im Rahmen seines Direktionsrechts erlassen werden. Die Grenze für eine eigene Regelung sind die Vorgaben des Arbeitsrechts. Eine Dienstanweisung dient der Konkretisierung der dienstvertraglichen Leistungspflicht und kann ggf. bei Nichteinhaltung arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Allerdings können nur die im Dienstvertrag umschriebenen Pflichten – wie Ort, Zeit und Art der Leistung – konkretisiert, das heißt näher bestimmt werden. Durch eine Dienstanweisung kann der Inhalt des Dienstvertrages nicht geändert werden. Beim Erlass sind zudem die Mitwirkungsrechte der Dienstnehmer- oder Mitarbeitervertretung zu prüfen.
Zu beachten ist zudem: Intern geltende Richtlinien – beispielsweise in Form einer Dienstanweisung – können keine verbindlichen Vereinbarungen treffen, die von der geltenden Rechtslage abweichen. Eine Dienstanweisung kann die gesetzlichen Regelungen nicht erweitern. Es ist nur ein Verweis auf die aktuell geltende Rechtslage möglich (Probst 2009, Teil A Rn. 300).
Dasselbe gilt für Hausordnungen. Selbst wenn der Bewohner bei der Aufnahme in eine Pflegeeinrichtung die Hausordnung bei Abschluss des Heimvertrages als geltend anerkennt, so gelten dennoch die Gesetze. Widersprechen Regelungen der Hausordnung oder des Heimvertrags der gesetzlichen Lage, so ist zu prüfen, ob es sich hierbei nicht um – unwirksame – überraschende Geschäftsbedingungen handelt.