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Der Niedergang der Han

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Als Kaiser Wu 87 v. Chr. starb, hinterließ er ein Reich, das finanziell zerrüttet war und von Kriegen erschöpft. Zwar war der Frieden im Norden – die Xiongnu spalteten sich dort in zwei rivalisierende Lager – unter hohen Kosten gesichert worden, doch umso gravierender waren die Probleme im Inneren des Reichs. Der Hof war von einem Skandal erschüttert worden, in dessen Folge Zehntausende von Menschen ermordet wurden, die Bauern lebten in schreiendem Elend, und Großgrundbesitzer dehnten ihre Besitztümer immer weiter aus.

Angesichts dieser Krise berief Kaiser Zhao (87–74 v. Chr.) 81 v. Chr. eine Konferenz ein, in der Gelehrte und Beamte die dringendsten Fragen der Zeit verhandelten. Zwei völlig gegensätzliche Positionen trafen dabei aufeinander. Auf der einen Seite die ›Modernisten‹ oder Legisten, die einen starken Staat, wirtschaftliche Monopole, aktiven Außenhandel und Expansion forderten. Auf der anderen Seite die konfuzianischen ›Reformer‹, die eine physiokratische Wirtschaftspolitik vertraten: sie plädierten für autarke Landwirtschaft, lehnten dagegen Merkantilismus, Gesetze und Profitstreben ab. Diese beklagten die Not der Bauern und die Kosten der Kriege, jene verwiesen auf den Wohlstand der Städte und die Notwendigkeit der Landesverteidigung; die einen forderten Herrschaft durch Tugend, die anderen pochten auf kühle Machtpolitik.

Diese grundlegenden Themen und Argumentationsmuster [106]sollten im Laufe der chinesischen Geschichte in vielen Variationen wiederkehren – bis zu den Diskussionen um Wirtschaftsreformen unter Deng Xiaoping. Dabei steckte auch hinter der Rhetorik der ›Reformer‹ nie einfach Nostalgie oder die Liebe zur Tugend, sondern politisches Kalkül. Die Kleinbauern wurden zur Sicherung der Zentralmacht unterstützt, nicht aus Mitgefühl und Mildtätigkeit; Amnestien, Rangerhöhungen und Festgaben, die der Kaiser dem Volk zu besonderen Anlässen gewährte, förderten die Autorität der Zentrale; und die Sorge um den Lebenswandel des Kaisers zielte nicht auf seine Tugendhaftigkeit, sondern auf seine Ruhigstellung im Rahmen ritueller Vorschriften, und das heißt: auf die Machtsicherung der Bürokratie.

Obwohl sich unter Kaiser Zhao die konfuzianischen ›Reformer‹ durchsetzten, kehrten keineswegs Tugend und Menschlichkeit in die Politik der Han ein. Rivalisierende Fraktionen kämpften am Hof um die Macht, während es kaum einem Han-Kaiser mehr gelang, die Regierung zu führen. Sechzig Jahre lang dominierte eine Frau, die Kaiserin Wang, die Politik. Sie brachte Mitglieder ihrer Familie auf alle wichtigen Posten am Hof. Ihre Verwandten bestimmten die Politik als Regenten für minderjährige Kaiser, bis es schließlich einer von ihnen nicht bei der Regentschaft beließ, sondern vollends den Thron usurpierte: Wang Mang (45 v. Chr. – 25 n. Chr.) erklärte sich 9 n. Chr. zum Kaiser einer neuen Dynastie: der »Xin«.

Selbst dieser kühne Staatsstreich ließ sich ›konfuzianisch‹ legitimieren. Wang Mang gewann die konfuzianischen Gelehrten, indem er sich als zweiter Herzog von Zhou inszenierte – auch der hatte für einen minderjährigen Herrscher Regentschaft geführt (S. 33) – und ein ehrgeiziges Reformprogramm begann, um das (vermeintliche) Zhou-System wiederherzustellen. Er schuf eine Reihe angeblich zhou-zeitlicher Ämter, teilte das Reich in zwölf antikisierende Provinzen ein, änderte [107]die Namen von Kreisen und Amtsbezirken, reformierte den Kalender und führte neue Münzen ein. In einer großen Bodenreform ließ Wang Mang privaten Grundbesitz abschaffen: alles Ackerland sollte dem Staat gehören und von Kleinbauern bestellt werden. All das hatte wenig mit der dezentralen Ordnung der Zhou zu tun. Die Abschaffung großer Latifundien und die Stärkung steuerzahlender Kleinbauern bildeten allemal das Fundament des Zentralstaates: daher wurde Wang Mangs Reform zum Vorbild für alle späteren Dynastien – bis hin zu den Kommunisten im 20. Jahrhundert.

Für Wang Mang aber geriet die Reform zu einem Fiasko: anhaltender Widerstand der Grundbesitzer verhinderte ihre Umsetzung, während Inflation und eine Reihe furchtbarer Naturkatastrophen – 11 n. Chr. verheerte der Gelbe Fluss die gesamte Nordchinesische Ebene – das Elend der Landbevölkerung vermehrten. Scharen von Flüchtlingen strömten nach Süden, landlose Bauern rotteten sich zu Räuberbanden zusammen, und im Jahr 22 n. Chr. brach eine große Rebellion aus, die das Regime stürzte. Wang Mang wurde von den Rebellen gemeuchelt, seine Leiche zerstückelt und sein Kopf von der aufgebrachten Menge durch die Gassen der Hauptstadt getreten. Mit seinem Tod endete jeder Widerstand der Zentralgewalt gegen die Interessen lokaler Machthaber; mit seinem Reformprogramm scheiterte der Versuch, noch einmal an das Vorbild der Antike anzuknüpfen; mit dem Untergang seiner Herrschaft endete das chinesische Altertum.

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