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[21]Die Entstehung Chinas: Stratifizierung und die Ordnung durch Sitten

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Das vielzitierte Schlagwort von der »5000jährigen« Geschichte Chinas beruht auf Mythen. An ihrem Anfang stehen Kulturschöpfer wie der »Gelbe Kaiser« und weise Herrscher der Vorzeit, an die heute niemand mehr glaubt. Die moderne Archäologie hat diese Mythen ersetzt durch die Entdeckung neolithischer und bronzezeitlicher Kulturen, die sich parallel in mehreren Regionen des heutigen China entwickelt haben. Während Neolithikum und frühe Bronzezeit zur Vorgeschichte zählen, lässt sich ab ca. 1250 v. Chr. von Geschichte im eigentlichen Sinne sprechen: denn aus dieser Zeit gibt es schriftliche Quellen. Die beschriebenen Orakelknochen der Dynastie Shang, die in Anyang (Henan) gefunden wurden, berichten von Göttern, Kriegen, Jagden, Ackerbau und anderen Leistungen einer Hochkultur, die alle früheren in den Schatten stellte. Die Shang produzierten atemberaubend schöne Bronzen, bauten monumentale Königsgräber, sie verfügten über mächtige Waffen, hatten einen Kalender und kannten die Schrift. Für viele Historiker beginnt die Geschichte Chinas mit den Shang. Als wichtigstes Ereignis der frühen chinesischen Geschichte gilt die Eroberung der Shang durch ein anderes Volk, die Zhou, um das Jahr 1050 v. Chr. Die frühen Zhou-Herrscher, Wen, Wu und der Herzog von Zhou, sollen die philosophischen und institutionellen Grundlagen von 3000 Jahren chinesischer Zivilisation geschaffen haben: ein System von Ämtern und Riten sowie die Lehre vom »Mandat des Himmels«, auf die sich chinesische Denker bis ins 20. Jahrhundert beriefen.

Tatsächlich dürften diese hehren Institutionen und vieles andere, was den frühen Zhou zugeschrieben wird, erst viel späteren Ursprungs sein. Unser Bild der frühen chinesischen [22]Geschichte basierte allzu lange auf kanonischen Texten, die angeblich in der frühen Zhou-Zeit entstanden seien. Neuere Forschungen legen jedoch nahe, dass diese Texte erst einige Jahrhunderte später zu datieren sind. Archäologische Funde der Shang und Zhou – Gräber, Siedlungen, materielle Überreste und vor allem Inschriften – deuten ein anderes Bild von der Entstehung Chinas an.

Weder die Shang noch die Zhou waren China. Die Shang waren nur eine – wiewohl prächtige – Hochkultur, der hauptsächlich Mitglieder eines Clans in einem kleinen Gebiet Nordchinas angehörten. Neben den Shang gab es noch andere, nicht minder glanzvolle, aber schriftlose Hochkulturen in Sichuan und am Yangzi. Auch die Zhou, deren materielle Kultur weitgehend jener der Shang glich, übten allenfalls eine lose Oberhoheit über kleine Fürstentümer in Nordchina aus. Die Vorstellung einer »chinesischen« Kultur oder Gesellschaft dürfte ihnen fremd gewesen sein.

Erst mit dem Zusammenwachsen der Fürstentümer Nordchinas, mit Erschließung des Raums, Ausbreitung der Schrift und zunehmender Verständigung unter regionalen Eliten entstand ein kommunikativer Zusammenhang, der Verwandtschaftsgrenzen überschritt. Es bildete sich eine stratifizierte Gesellschaft, deren Grenzen nicht mehr durch Verwandtschaftsgruppen gebildet wurden, sondern durch eine größere Einheit: wir nennen sie »China«. Dieser Prozess schlug sich im 9. Jahrhundert v. Chr. in einem markanten Wandel der Bronzekunst nieder, der von Archäologen als »Rituelle Revolution« bezeichnet wird.

Der Machtverlust der Zhou-Könige ab 842 v. Chr. und ihr endgültiger Sturz 771 v. Chr. bedeuteten nicht das Ende eines Goldenen Zeitalters, sondern den Anfang der Geschichte Chinas. Die folgende Periode des »Frühling und Herbst« (Chunqiu, 722–481 v. Chr.) wird in der chinesischen Tradition zu [23]Unrecht als Periode des Chaos und Niedergangs angesehen. In ihr bildeten sich eigenständige Fürstentümer heraus und zugleich die Mechanismen, die dieser »internationalen« Adelsgesellschaft Ordnung verliehen: ein System von »Hegemonen«, die das Konzert der Regionalfürsten dirigierten, erste Gesetzeswerke und schließlich die Sittenlehre des Konfuzius. Wahrscheinlich entstanden auch die kanonischen Texte, die das »System« der Zhou idealisieren, erst jetzt: in der Chunqiu-Zeit wurden klassische Muster für die Ordnung Chinas geschaffen.

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ca. 8000–2000 v. Chr. Neolithikum: Entstehung von Fürstentümern und Städten

ca. 19.–16. Jh. Erlitou-Kultur (Lößebene)

ca. 17.–14. Jh. Erligang (Lößebene)

Sanxingdui (Sichuan)

13.–11. Jh. Yinxu: Shang (Lößebene)

Sanxingdui (Sichuan)

Wucheng, Xing’an (Unterer Yangzi)

11. Jh. Sieg der Zhou über die Shang

König Wu

Herzog von Zhou

10. Jh. König Zhao

König Mu

ab 9. Jh. Rituelle Revolution

842–828 Gonghe-Interregnum

771 Ende der Zhou-Herrschaft

722–481 Chunqiu-Zeit

551–479 Lebenszeit des Konfuzius

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