Читать книгу Essen und Ernährungsbildung in der KiTa - Kariane Höhn - Страница 23
2.1.2 Postnatale Entwicklung Stoffwechsel- und Organentwicklung
ОглавлениеKinder bauen ihren Körper im Wachstum auf und aus ( Kap. 5.2). So wie Muskeln durch Bewegung wachsen, entwickeln sich auch Organe erst mit ihrem Gebrauch. Dies trifft auch für Teile des Stoffwechsels zu. Nach der Geburt sind die Organe z. T. noch nicht vollständig entwickelt, Magen, Darm, Leber oder Niere bilden z. B. ihre Funktionen erst im Laufe des ersten (teilweise noch des zweiten) Lebensjahres vollständig aus (Gätjen, 2017; Manz & Manz, 2005; von Harnack & Heimann, 1994). Daher wird ein Säugling nach der Geburt zunächst nur mit Muttermilch oder industriell hergestellter Säuglingsmilch gefüttert (gesäugt) ( Kap. 5.4). Diese Milch kann er sofort verdauen und verstoffwechseln. Sie enthält alle zunächst lebensnotwendigen Inhaltsstoffe sowie Stoffe zum Aufbau des Immunsystems, und sie passt sich in ihrer Zusammensetzung dem Wachstum und dem veränderten Bedarf an. Mit der Veränderung der Muttermilch entwickelt sich auch der Stoffwechsel.
Erst ab dem fünften Lebensmonat kann allmählich mit der Zufütterung von Breimahlzeiten begonnen werden ( Kap. 5), denn das Verdauungssystem ist vorher nicht darauf eingestellt (Gätjen, 2017, S. 62 ff.). So ist z. B. die Verdauung und Verstoffwechslung von komplexen Stärkeverbindungen erst ab dem fünften Monat möglich (ebd.).
Auch die Leber ist nach einem halben Lebensjahr noch nicht in der Lage, alle Inhaltsstoffe zu verstoffwechseln. Anders als das Milchfett ist z. B. das Öl von frittierten Speisen für Säuglinge noch nicht verdaulich. Das Gewicht der Leber ist in diesem Alter im Vergleich zum Körpergewicht recht hoch. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie in dieser Entwicklungsphase viele Funktionen (wie Entgiftung, Fettstoffwechsel) ausüben muss (von Harnack & Heimann, 1994).
Die Niere von Säuglingen ist ebenfalls noch nicht auf die Verarbeitung von viel sog. Kochsalz (NaCl) eingestellt, selbst für die erwachsene menschliche Niere ist dies belastend. Muttermilch beinhaltet nur minimale Mengen dieser Salze. Die Beikost ( Kap. 5.4) sollte daher nicht gesalzen sein.
Kochsalz, schwer verdauliche Fette (Fette mit nur/viel langen gesättigten Fettsäuren, die z. B. für Frittiertes und stark Gebratenes benutzt werden) und scharfe Gewürze sind daher für die Verdauung und den Stoffwechsel bei einem Säugling und Kleinkind belastend und können zu Störungen führen. Auch durch pathogene Keime belastete bzw. gefährdete Lebensmittel – wie nicht erhitzter Honig, rohes Fleisch oder auch nicht frisch zubereitete Speisen – stellen eine gesundheitliche Gefahr dar, da das Immunsystem noch nicht ausreichend entwickelt ist. Dies gilt für alle anderen Quellen von pathogenen Mikroorganismen und deren Gifte (wie z. B. Aflatoxine beim Schimmel) ( Kap. 5.4 u. 7.10).
Der Magen der Säuglinge ist noch sehr klein (als »Faustregel« gilt, dass der ungefüllte Magen eines Menschen so groß ist wie seine Faust). Säuglinge können daher nur kleine Nahrungsmengen aufnehmen. Die Körperentwicklung beeinflusst so auch den Zeitrhythmus des Essens, denn Kinder haben nur sehr geringe Speichermöglichkeiten für Nährstoffe und vor allem für Flüssigkeiten. Je jünger sie sind, desto häufiger müssen sie gefüttert werden. Schlucken sie beim Trinken zu viel Luft, kann dies auch schnell dazu führen, dass die Nahrung wieder ausgespuckt wird. Ebenso können Verdauungs- oder Zahnprobleme kleinere Trinkmengen und häufigere Mahlzeiten erfordern.
Die Organentwicklung wird erst Ende des ersten Lebensjahres so weit abgeschlossen, dass das Kind fast alle Nährstoffe verdauen und verstoffwechseln kann. Manz und Manz (2005) nehmen an, dass die »funktionelle Unvollkommenheit« auch eine »funktionale Andersartigkeit« sein kann, durch welche Energien für andere Entwicklungen gesichert werden (ebd., S. 90). Auf jeden Fall bedeutet diese funktionelle Unvollkommenheit zum einen, dass die Nahrung der Körperentwicklung angepasst sein muss ( Kap. 5). Zum anderen besteht eine Wechselbeziehung zwischen der aufgenommenen Nahrung und der Entwicklung der Verdauungs- und Stoffwechselorgane.
Alle Ess-, Verdauungs- und Stoffwechselprozesse werden über das Gehirn koordiniert (Elmadfa & Leitzmann, 2019; Pudel & Westenhöfer, 2003, S. 85 ff.). Die Entwicklung des Gehirns von Säuglingen verläuft sehr dynamisch.
Bei der Geburt sind bereits (fast) alle Nervenzellen des Gehirns und wohl auch ein Großteil der notwendigen Verbindungen vorhanden. Dennoch beträgt zum Zeitpunkt der Geburt die Gehirnmasse mit 300 bis 400 Gramm nur etwa ¼ der des Erwachsenen. Mit 6 Monaten entspricht das Gehirngewicht knapp 50 %, mit 2 ½ Jahren 75 % und mit 5 Jahren 90 % des ausgewachsenen Gehirns. (Krombholz, 1999)
Dieses Wachstum des Gehirns und die damit verbundene physische und psychische Entwicklung sind nur mit einem ausreichenden (aber nicht zu großen) Anteil an Eiweiß an der Nahrung möglich ( Kap. 5). Dies schließt eine vegane Ernährung, insbesondere von Säuglingen und Kleinkindern, aus. Gerade bei Säuglingen besteht u. a. die Gefahr, dass sich das Gehirn aufgrund einer Eiweiß-Unterversorgung, die bei einer allgemeinen Unterversorgung oder einer Eingrenzung auf ausschließlich pflanzliche Lebensmittel möglicherweise eintritt, nicht ausreichend entwickeln kann. Da die Intelligenz parallel zur Hirnentwicklung bzw. in Verbindung damit gerade in den ersten Lebensjahren exponentiell ansteigt, ist dies von besonderer Bedeutung (Montada et al., 2018, S. 48).
Die Entwicklung der Organe sowie die Einstellung auf Essen und einen Ess- bzw. Trinkrhythmus sind teilweise mit Unwohlsein (z. B. Bauchschmerzen) verbunden, welches die Säuglinge nur über Unruhe und Weinen bzw. Schreien äußern können (vgl. Holodynski & Oerter, 2018; Kap. 2.2).
Mit dem ersten Lebensjahr sind die für die Ernährung wichtigsten Organentwicklungen noch nicht vollständig, aber weitgehend abgeschlossen. Kinder (und deren Verdauung und Stoffwechsel) müssen in den folgenden Lebensjahren langsam und Schritt für Schritt an neue Lebensmittel, Garmethoden und damit erzeugte Speisen gewöhnt werden ( Kap. 5).