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Entwicklung der Sinne

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Essen ist ein Prozess, bei dem fast alle Sinne einbezogen sind: Neben den Sinnen, die durch die Nahrung angesprochen werden, wird auch die soziale Situation des Fütterns (körperliche Nähe der Fütternden verbunden mit körperlicher Berührung, Bildern, Sprachlauten, Geräuschen und Gerüchen) sinnlich empfunden und wahrgenommen.

Für die Essentwicklung haben die Sinne sehr unterschiedliche Funktionen. Alle Sinnesorgane sind bei Geburt zwar schon angelegt, aber noch nicht alle voll funktionstüchtig. Die Säuglinge können schon schmecken und riechen (d. h. Aromen wahrnehmen bzw. sinnlich empfinden) und erweitern stetig die Akzeptanz von Speisen. Die Muttermilch schmeckt durch den Milchzucker süß, beinhaltet Eiweiß und Fett und zudem die Aromastoffe aus dem Essen der Mutter, die in die Milch übergehen ( Kap. 3.2). Für die ersten Fütterinteraktionen sind taktile körperliche Wahrnehmung (Wahrnehmung der Brustwarze an der Wange, s. u.) sowie Hören und Riechen (Stimme und Geruch der Mutter und/oder des Vaters) ebenso wichtig. Ab dem zweiten Monat kann der Säugling gezielt hinhören und hinsehen und sich so den fütternden Personen zuwenden (Draganski & Thelen, 2018, S. 130 ff.; Elsner & Pauen, 2018, S. 171 ff.).

Beim Füttern und Essen ermöglicht der Gleichgewichtssinn zunehmend eine stabile Haltung (Gutknecht, 2015a, S. 100 ff.; vgl. auch Draganski & Thelen, 2018; Krombholz, 1999).

Sinneswahrnehmungen sind nicht nur wichtig bezogen auf die Speisen, sondern auch bezogen auf die Situation und die Umgebung, in der die Fütter- bzw. Essinteraktionen stattfinden. Gutknecht (2015a, S. 100 ff.) fordert daher eine sorgfältige Gestaltung der sensorischen Lernumgebung beim Essen und Trinken:

• Vestibuläre Wahrnehmung: durch Organisation einer geeigneten Sitz- und Essmöglichkeit

• Propriozeptive Wahrnehmung: Berücksichtigung der »Tiefensensibilität« zur Sicherung einer entwicklungsangepassten stabilen Körperhaltung durch Sitzsituation, Gewicht der Ess- und Trinkwerkzeuge etc.

• Taktile Wahrnehmung: Von der Textur über die Temperatur der Speisen bis hin zur Kleidung sollten positive Wahrnehmungsmöglichkeiten gegeben sein

• Gustatorische Wahrnehmung: positive Geschmackseindrücke unter Berücksichtigung der höheren Geschmackssensibilität und der noch auszubildenden Geschmacksakzeptanz

• Olfaktorische Wahrnehmung: Geruchseindrücke durch Umgebung, Speisen und eigene Kleidung (Windel)

• Visuelle und auditive Wahrnehmung: Die Aufmerksamkeit des Kindes sollte vor allem der Speise und der fütternden Person bzw. am gemeinsamen Tisch der Mahlzeit gelten, und das Kind sollte nicht unnötig abgelenkt werden (vgl. Gutknecht, 2015a, S. 144 ff.; Gutknecht & Höhn, 2017; Kap. 7).

Die weitere Entwicklung der Sinne und die Fähigkeit, sie zu nutzen, muss gelernt werden. Zwischen Sinnesempfindungen und Wahrnehmungen sollte daher unterschieden werden.

Die Sinnesempfindung (»sensation«) ist der elementare Prozess der Reizaufnahme und -registrierung, z. B. das Sehen der Farbe Orange. Die Wahrnehmung (»perception«) ist demgegenüber der höhere Prozess der Organisation und Interpretation der Reizinformationen, z. B. das Sehen einer Orange als Objekt, vielleicht sogar als eines essbaren und werfbaren Objektes. (Krist et al., 2018, S. 375)

Am Ende des ersten Lebensjahres unterscheidet sich die Wahrnehmungskompetenz des Kindes nicht mehr wesentlich von der eines Erwachsenen (Krist et al., 2018, S. 393).

Um essen zu lernen, müssen Kinder ihre Nachahmungsfähigkeit, durch die »das Gesehene in Muskelbewegungen ›übersetzt‹ werden kann« (Draganski & Thelen, 2018, S. 133) nutzen und entwickeln. Dies gilt nicht nur für Bewegungen, sondern auch für Emotionen, wenn diese z. B. mimisch ausgedrückt werden ( Kap. 2.2).

Für die weitere Essentwicklung sind alle Sinne gefordert und zu fördern: Das Kind lernt

• visuell und haptisch, die Konsistenz(en) der Speisen wahrzunehmen,

• Farben und Formen einzelnen Lebensmitteln und Speisen zuzuordnen,

• Temperaturen abzuschätzen und mit Gerichten und Geschmack zu verbinden u. v. a. m.

Diese Differenzierungen, Gemeinsamkeiten und Verbindungen, diese Fähigkeiten und Fertigkeiten lernt ein Kind umso schneller, wenn es darin angeleitet und gefördert wird. Für die Essentwicklung ist besonders wichtig, dem Kind im Übergang von der ausschließlichen Milchnahrung zur Beikost und in den weiteren Lebensjahren einen neuen Geschmack mehrfach und regelmäßig anzubieten, damit es sich an diesen gewöhnen kann und möglichst positive Emotionen damit verknüpft ( Kap. 3.2).

Essen und Ernährungsbildung in der KiTa

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