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4. Gläubigerherrschaft
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Die Vorherrschaft der Gläubiger wurde bereits oben unter Rn 20 ff als Ausdruck einer starken Privatisierung des Insolvenzverfahrens dargestellt. Diese zentrale Rolle hat das ESUG weiter betont und mit diversen Mitbestimmungsrechten ausgebaut, so dass die Gläubigerautonomie nunmehr einen wesentlichen Verfahrensgrundsatz darstellt, der bei der Schaffung und Anwendung insolvenzrechtlicher Vorschriften zu beachten ist. Selbst die bisher dem Insolvenzrichter zustehende Auswahlfreiheit bei der Bestimmung der Person des (vorläufigen) Insolvenzverwalters oder Sachwalters wurde durch das gem. § 56 Abs. 2 und 3 InsO weitgehend bindende Vorschlagsrecht des vorläufigen Gläubigerausschusses (vgl § 21 Abs. 2 S. 1 Nr 1a InsO) aufgegeben. Die anfänglichen Bedenken gegen diese Beschneidung der richterlichen Unabhängigkeit bei der Auswahlentscheidung sind der Erkenntnis gewichen, dass gerade Großgläubiger die Verwalterszene auch überregional gut im Blick haben, so dass faktisch Zugriff auf einen größeren Verwalterpool besteht. Es ist auch nicht zu verkennen, dass die unabhängigen Auswahlentscheidungen der Insolvenzrichter mitunter von subjektivem Einschlag geprägt sind.
Die Gläubigerschaft ist in der InsO institutionalisiert und agiert durch ihre Organe, nämlich die Gläubigerversammlung (vgl §§ 29, 76 InsO) und den (vorläufigen) Gläubigerausschuss (§ 67 InsO); dort wird über die verfahrensleitenden Entscheidungen gemäß den jeweils einschlägigen Mehrheitserfordernissen (vgl §§ 76, 244 InsO) abgestimmt. Hervorzuheben sind die Art und Weise der Betriebsfortführung oder Betriebsstilllegung (§ 157 InsO), der Auftrag zur Ausarbeitung eines Insolvenzplans (§ 218 Abs. 2 InsO), die Annahme oder die Abänderung eines ausgearbeiteten Insolvenzplans (§§ 23, 240 S. 2, 244 ff InsO), die Anordnung oder Aufhebung der Eigenverwaltung (§§ 271, 272 InsO) oder die Versagung der Restschuldbefreiung (§§ 290, 296 InsO) sowie schließlich die Benennung (§ 56 Abs. 3 InsO) oder Abwahl (§ 57 InsO) des Insolvenzverwalters oder Treuhänders (§ 288 InsO). Der Sanierungsgedanke war in der InsO schon immer normiert (§ 1 S. 1 InsO) und hat im Zusammenhang mit dem Schutz der Insolvenzmasse in zahlreichen Vorschriften Niederschlag gefunden (zB §§ 21, 89 f, 103, 107, 113 InsO). Zu einem eigenen Verfahrensgrundsatz wird er dadurch noch nicht, denn es handelt sich um eine bloße Verfahrensoption. Es ist aber hervorzuheben, dass ein enger Zusammenhang mit der Gläubigerherrschaft besteht, die sowohl über das „Ob“ als auch über das „Wie“ der Sanierung weitgehend frei entscheiden kann, vgl insbesondere die §§ 270 Abs. 3, 270b Abs. 4 S. 1 InsO. Die sich zB aus § 245 InsO ergebenden Einschränkungen zeigen wiederum die Grenzen der Gläubigerautonomie auf, freilich im Dienste des übergeordneten Leitziels des gesamten Verfahrens, nämlich der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, § 1 InsO.