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2. Besonderheiten bei Gesellschaften
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Aus § 15 InsO ergibt sich, welche natürlichen Personen aufgrund ihrer mitgliedschaftlichen oder organschaftlichen Position berechtigt sind, im Namen des Schuldners einen Eigenantrag zu stellen. Diese Vorschriften verdrängen sowohl die allgemeinen Vertretungsvorschriften als auch abweichende Satzungsbestimmungen; man will die Insolvenzantragstellung von kompetenzrechtlichen Binnenstreitigkeiten lösen. Da jeder Vertretungsberechtigte ein eigenes Antragsrecht hat, hat das Gericht die anderen anzuhören, wenn nur Einzelne den Antrag stellen, § 15 Abs. 2 S. 2 InsO. Bei der organschaftlich vertretenen GmbH sind folglich die Geschäftsführer (§ 35 GmbHG), Liquidatoren (§ 66 GmbHG) und faktischen Geschäftsführer[45], nicht aber Prokuristen, Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat oder einzelne Gesellschafter zum Eigenantrag befugt.
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Hat die Gesellschaft keinen Geschäftsführer mehr, ist sie führungslos (vgl §§ 10 Abs. 2 S. 2 InsO, 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG) und wird dann von den Aufsichtsratsmitgliedern, hilfsweise von den Gesellschaftern passiv vertreten, vgl § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG. Zumindest können dann Zustellungen an die GmbH bewirkt werden (§§ 170 f ZPO), selbst wenn sie keinen Geschäftsführer mehr hat; man will damit Missbräuche im Rahmen der Firmenbestattung (dazu schon Rn 51) bekämpfen. Nicht geregelt ist allerdings die Frage der Aktivlegitimation in den Fällen der Führungslosigkeit, die insbesondere für die Zulässigkeit eines Versäumnisurteils gegen die GmbH von Bedeutung ist; insoweit bietet sich eine Doppelanalogie zu § 35 Abs. 1 S. 2 GmbHG an; alternativ muss ein Prozesspfleger oder Notgeschäftsführer bestellt werden. Diese gesetzlich geregelte Vertretungsbefugnis bei Führungslosigkeit hat schließlich zur Folge, dass Gesellschafter und Aufsichtsratsmitglieder (§ 52 GmbHG) nicht nur antragsbefugt (§ 15 Abs. 1 S. 2 InsO), sondern sogar verpflichtet sind, den Insolvenzantrag binnen drei Wochen ab Kenntniserlangung zu stellen, § 15a Abs. 3 InsO, vgl unten Rn 71. Da die Antragspflicht der Gesellschafter nichts daran ändert, dass die GmbH nicht aktiv vertreten wird, müsste die Eröffnung des Verfahrens aber an der Prozessunfähigkeit der Schuldnerin scheitern. Nach hM kann der Gesetzgeber kein solches widersinniges Ergebnis gewollt haben, so dass man die GmbH unbeschadet der fehlenden Aktivvertretung insoweit nicht als prozessunfähig behandeln dürfe[46].
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Wird der Eigenantrag von allen Vertretungsberechtigten gestellt, geht man von seiner Zulässigkeit aus. Die Glaubhaftmachung des Insolvenzgrundes ist nur bei (zulässiger) Einzelantragstellung (§ 15 Abs. 2 S. 1 InsO) erforderlich; Entsprechendes gilt in Bezug auf die Führungslosigkeit bei Antragstellung durch Gesellschafter oder Aufsichtsratsmitglieder, § 15 Abs. 2 S. 2 InsO. Durch die bloße Abberufung des antragstellenden Organs wird der gestellte Antrag nicht unzulässig, es bleibt trotzdem bei dem Grundsatz, dass nur der Antragsberechtigte zur Rücknahme des Antrags befugt ist[47], die Angelegenheit ist also auf gesellschaftsrechtlicher Ebene zu klären. Wenn aber der ursprüngliche Antragsteller als organschaftlicher Vertreter vor einer etwaigen Rücknahme aus seinem Amt ausscheidet, könnten nicht einmal dessen Nachfolger oder die verbliebenen Berechtigten den Antrag zurücknehmen. Da dies auch der ausgeschiedene Antragsteller nicht mehr kann, ließe sich der Antrag in dieser Situation gar nicht mehr zurücknehmen. Dann bleibt nur noch die sofortige Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss, § 34 Abs. 2 InsO. Um hier keine Zeit zu verlieren, ist mit dem BGH dem verbliebenen Geschäftsführer das Rücknahmerecht zuzugestehen, sofern sich dies nicht als rechtsmissbräuchlich erweist, beispielsweise weil man den Ausgeschiedenen nur wegen dessen Antragstellung ausgeschlossen hat; dies könne man ggf mittels Anhörung des Ausgeschiedenen analog § 15 Abs. 2 S. 3 InsO herausfinden[48].
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Das Antragsrecht ist bei der oHG mit der Haftungssituation verknüpft, so dass jeder persönlich haftende Gesellschafter antragsbefugt ist, auch wenn er satzungsmäßig von der Vertretung ausgeschlossen ist[49]. Entsprechendes gilt bei der GbR, folglich auch bei der Vorgründungsgesellschaft einer GmbH[50]. Kommanditisten einer KG sind demzufolge nicht zur Eigenantragstellung befugt, anders ist es aber im Falle des § 176 HGB. Bei einer GmbH & Co KG müssen entweder alle Geschäftsführer der Komplementär-GmbH den Antrag stellen oder einzelne den Eröffnungsgrund glaubhaft machen, § 15 Abs. 2 InsO.
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Eine Besonderheit gilt nach § 18 Abs. 3 InsO für die Antragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. Hier müssen entweder alle Vertretungsberechtigten gemeinsam oder selbstständig Vertretungsberechtigte den Antrag stellen, denn wegen des immanenten Prognoserisikos (vgl Rn 114) und der weitreichenden Folgen sollen nur diejenigen handeln dürfen, die über das Schicksal der Gesellschaft eigenständig entscheiden können. In der Praxis erweisen sich die wegen „drohender Zahlungsunfähigkeit“ gestellten Anträge bei näherem Besehen regelmäßig als überfällig; in solchen Fällen ist nicht auf die Behauptung, sondern auf die aus der Begründung ersichtliche (tatsächliche) Liquiditätslage abzustellen.
§ 2 Die Zulässigkeit des Insolvenzantrags › V. Antragsberechtigung und Antragspflicht › 3. Formale Besonderheiten des Eigenantrags