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Erste Bekanntschaft mit Axel Munthe

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In seinen phantastischen Lebenserinnerungen, dem Buch von San Michele,12 hat Axel Munthe die Causa Max literarisch verfremdet wie folgt skizziert: »Eines Tages schickte mir [der berühmte Pariser Neurologe] Charcot einen jungen ausländischen Diplomaten, einen ernsten Fall sexueller Inversion. Sowohl der berühmte Wiener Spezialist, Professor Krafft-Ebing wie auch Charcot selbst hatten diesen Mann nicht hypnotisieren können. Er selbst wünschte glühend, geheilt zu werden, er lebte in ständiger Angst vor Erpressung und war über die Mißerfolge der beiden sehr unglücklich. Er glaubte fest, daß die Hypnose seine einzige Rettung wäre, und war überzeugt, geheilt zu werden, wenn man ihn einschläfern könnte.« Munthe habe ihn daraufhin problemlos in einen hypnotischen Schlaf versetzt. »Es sah anfangs hoffnungsvoll aus. Nach einem Monat kehrte er in seine Heimat zurück voll Vertrauen in die Zukunft, ja viel vertrauender als ich. Er sagte, er wolle einer jungen Dame, die er gern hätte, einen Heiratsantrag machen, er wünschte sehr, sie zu heiraten und Kinder zu haben.« Ein Jahr nach der Behandlung habe er dann erfahren, daß sich sein Patient das Leben genommen habe. »Wenn dieser unglückliche Mann mich einige Jahre später konsultiert hätte, als ich über sexuelle Inversion mehr wußte, dann hätte ich nicht den aussichtslosen Versuch gemacht, ihn zu heilen.«13 Dichtung undWahrheit liegen hier eng beieinander. Wir müssenMunthes Verhältnis zum Hause Baden rekonstruieren, um Max’Lebens- und Leidensweg in dieser Geschichte nachzuvollziehen.

Doch zunächst einmal zu Munthe selbst. Geboren 1857 als Apothekersohn in einer südschwedischen Kleinstadt, studierte er zwischen 1877 und 1880 in Montpellier und Paris Medizin und wurde zunächst Gynäkologe. Er hörte Vorlesungen bei dem berühmten Neuropathologen Jean Martin Charcot, auf dessen Spezialgebiet er bald theoretisch wie praktisch sehr versiert war. Auch adaptierte er den beeindruckenden Habitus dieses großartigen Vermarkters seiner Wissenschaft.14 Nach kurzem Aufenthalt auf Capri, seiner Trauminsel, ließ sich Munthe – auch aus seiner finanziellen Notlage heraus – 1889 in Rom nieder, wo er bald mit Hilfe der schwedischen Botschaft in die Kreise der Reichen, Mächtigen, Hochadeligen geriet und geradezu kometenhaft vomHabenichts zum renommiertenWunderheiler aufstieg. 1891/92 kam Max’Cousine, die schwedische Kronprinzessin Victoria, in näheren Kontakt mit ihm. 1893 wurde er ihr Leibarzt, und als Lebensberater und Freund zu ihrem ständigen Begleiter.15 Das war insofern bemerkenswert, als Munthe in der medizinischen Fachwelt einen durchaus zweifelhaften Ruf besaß und es nicht wenige Ärzte gab, die in ihm – meist neiderfüllt – einen marktschreierischen Scharlatan sahen.16

Munthe war allerdings nicht nur ein attraktiver Modearzt, sondern auch ein gesellschaftliches Phänomen, das er selbst erfunden hatte: ein Genie der Lebenskunst.17 Im gesellschaftlichen Umgang plagten ihn keinerlei Vorurteile – ganz und gar unabhängiger Individualist, der glauben machte, er könne sich im Prinzip alles erlauben. Sein Erfolgsgeheimnis war seine Ungeniertheit, die aber einnehmend daherkam und sich zugleich als Lebensphilosophie gerierte. Er verstand es, sich ausgesprochen souverän zu geben. Engen Freunden zufolge lag »etwas Herrisches« in seiner manierierten Erscheinung.18 Gleichzeitig verstand er sich aber auch blendend darauf, mit schwierigen Situationen umzugehen – stets gelassen allem Aufregenden gegenüber.

In all seinen Taten konnte Munthe zuallererst auf seine ausgeprägte Autorität als erfolgreicher Arzt und genialer Heilkundler bauen, sowie auf den Ruf, seine Therapie als wahre Kunst zu versehen. Seine Spezialität war die Seelenmassage. Auf diesem Gebiet – und nicht auf dem der heute so genannten Psychotherapie – entwickelte er ein außergewöhnliches Talent. Vielleicht gerade deshalb, weil diese Anwendung mit körperlicher Massage ebenso verbunden war wie mit ausgefeilter Gesprächstherapie. Seine Stärke war die Kunst der Suggestion, der persönlichen Einflußnahme. Ihm eilte der Ruf voraus, einen halb spiritistischen, somnambulen Umgang mit seinen Patienten zu kultivieren. Durch sein Interesse am Schicksal seiner Schützlinge sowie sein geduldiges Zuhören verstand er es, sie red- und vertrauensselig zu machen. Er gab ihnen das Gefühl, ihnen helfen zu können, ein neues Innenleben aufzubauen. Dabei machte er von seinem Talent Gebrauch, den Zustand seines Gemüts auf ein anderes zu übertragen. Wer sich diesem Arzt anvertraute, war erst einmal nicht mehr für seine seelische Not verantwortlich. Munthes Charisma schien mit dem gesellschaftlichen Prestige seiner Patienten zu wachsen, deren erfolgreiche Behandlung er sich zutraute. Besonders dem Adel muß imponiert haben, daß Munthe die Courage aufbrachte, auf allen Byzantinismus diesen hohen Herrschaften gegenüber zu verzichten. So konterkarierte er jeglichen fürstlichen Hochmut.

Im Buch von San Michele hatMunthe der Hypnose ein ganzes Kapitel gewidmet und darin erklärt, er »habe oft wunderbare Erfolge mit dieser noch unverstandenen Heilmethode erzielt«. Daß er in einem so »ungewöhnlichen Grade« über die »starke Waffe« der »hypnotischen Suggestion« habe verfügen können, betrachtete er als Gottesgabe. Die Wirkung dieser »geheimnisvollen Macht« beschreibt er wie folgt: Seine »langsam wiederholtenWorte« mit ihrem »monotonen Klang« hätten eine Kraft entfaltet, die »wie ein Befehl in der unterirdischen Seelenwerkstatt des Patienten« widerhallte und »verborgene Kräfte in Tätigkeit« setzte.19 In seiner hypnotischen Methode steckte ein nicht zu unterschätzendes Verführungspotential. Wer sich dem auslieferte, muß sehr großes Zutrauen in den Arzt gehabt haben – und dessen bedürftig gewesen sein. Solch blindes Vertrauen zu stiften und dauerhaft zu gewinnen, dürfte Munthes ganz besonderes Talent und sein Ehrgeiz gewesen sein. Dabei kam ihm das »nervöse Zeitalter« mit der enormen Erlösungssehnsucht zutiefst verunsicherter Menschen, namentlich aus höheren und höchsten Kreisen, entgegen.20 Diese Stimmung wußte er genial zu nutzen. Binnen kurzem hatte Munthe einen hochkarätigen persönlichen Wissensschatz über die besonderen Befindlichkeitsstörungen seiner hochwohlgeborenen Klientel gehortet.

DoktorMunthe war kreativ, sehr belesen, ja gebildet und ein Meister der Konversation. Er war weltläufig, vielsprachig, umgänglich, konnte gut unterhalten, liebenswürdig sein. Hoch gelobt wurden auch seine Musikalität, insbesondere sein Bariton, das Klavierspiel und sein außergewöhnliches Musikgedächtnis. Er liebte Schubert, aber auch Wagner gehörte zu seinen Favoriten. Durch seine zahlreichen persönlichen Kontakte zu Künstlern schon in den Pariser Jahren war er in Fragen der Ästhetik stets im Bilde, ja selbst eine ästhetische Existenz – und ein Menschen- und noch mehr vielleicht ein Tierfreund. Er wollte seinen Patienten Heiler und Vertrauter zugleich sein, was nicht wenige ansprach – und in Abhängigkeit von ihm brachte. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich in den neunziger Jahren eine ausgesprochen enge und vielschichtige Beziehung zwischen dem Heils- und Lebenskünstler und Angehörigen des Hauses Baden.

Bis zum Herbst 1893 war die Beziehung zwischen Axel Munthe und Victoria von Schweden, der geborenen Prinzessin von Baden, zu einem intimen Verhältnis geworden.21 Der Leibarzt nannte seine hohe und nun wichtigste Patientin ganz ungeniert »the Lady of my heart«.22 Umgekehrt scheint sich die Kronprinzessin ihrem Seelenheilsversprecher rückhaltlos anvertraut zu haben.23 Ihr Vertrauen ging so weit, daß sie Munthe in das Elend ihrer Ehe einweihte und auch, daß sie sich nicht als Schwedin fühlte, selbst nach mehr als einem Jahrzehnt in Skandinavien. Ja, sie schickte den Doktor sogar in heikler Mission nach Karlsruhe zu ihren Eltern.24 Bei dieser Unterredung teilteMunthe dem schon seit langem beunruhigten Großherzogspaar25 mit, daß ihre Tochter vor allem anderen nervös erkrankt und so etwas nicht medikamentös zu behandeln sei. Er scheint einen vertrauenerweckenden Eindruck hinterlassen zu haben – insbesondere bei Victorias Vater.26 Es wurde verabredet, daß die nach ihrer Rückkehr nach Schweden wieder schwer leidende Victoria baldmöglichst erneut nach Italien reisen solle.27 Als Munthe sie Anfang Februar 1894 in Karlsruhe zurWeiterreise in den Süden abholte, durfte der Leibarzt bereits im Residenzschloß logieren – ein Zeichen außerordentlicherWertschätzung seitens des Großherzogs.28 Auch in Rom, wo die angehende Königin von Schweden für das nächste Vierteljahr in einer komfortablen Suite im Grand Hotel (mit separatem Eingang) Quartier bezog, begleitete Munthe Victoria überallhin und erfuhr so eine enorme gesellschaftliche Aufwertung.29 Schon gab es neidvolle Kommentare über den Schweden, dem sein Ruhm angeblich zu Kopf steige. So berichtete etwa der norwegische Schriftsteller Bjørnstjerne Bjørnson, ein Künstlerfreund aus den gemeinsamen Pariser Jahren, nach einem Besuch bei Munthe in Rom Ende 1894: Munthe führe ständig »teils mit zwei Prachtpferden, teils mit zwei Ponys in der Stadt umher. Neben ihm sitzt entweder die Kronprinzessin von Schweden oder seine zwei Hunde, ein kleiner, ein großer, von Englands edelstem Blut, der kleine auf dem Rücksitz und der große auf dem Vordersitz. Ein Beifahrer neben dem Kutscher, beide in Uniform. Munthe selbst ist dagegen ebenso einfach gekleidet wie Napoleon.«30

Unter diesen Auspizien reiste der schwedische Kronprinz Gustaf im März 1894 zu seiner Gattin nach Rom – zusammen mit seinem angeheirateten Vetter, dem Prinzen Max von Baden. Die beiden sollten die unkonventionelle Lebensführung – monatelang getrennt von ihrer Familie und fern dem Land, das sie repräsentierte – gesellschaftlich absichern. Lange konnte Gustaf aufgrund seiner Verpflichtungen nicht in Italien bleiben, dafür hielt Max bis Ende Mai die Stellung und fungierte als Berichterstatter. »Wir haben keine guten Tage hinter uns«, ließ er Gustaf wissen, »zu meinem Schmerz muß ich Dir dies schreiben. Und eben meinten wir, daß eine Besserung eingetreten wäre, als gestern wieder eine Ohnmacht kam. Vicky war schrecklich nervös. Ihr Ausdruck und ihre Farbe wechselten oft. Des Abends traten regelmäßige Schwächezustände ein, welche sie sehr erschreckten und vor denen sie große Angst hatte. […] Fast jeden Tag sagte sie mir: wenn es so fortgeht, endige ich im Irrenhaus. Ich suche sie so sehr wie möglich zu beruhigen, und der Doktor selbst legt kein zu großes Gewicht auf diese Symptome, außer daß sie Vicky quälen und ihre Ruhe stören. […] Ich glaube Munthe stimmt mit mir überein, daß sie Anfang Juni noch nicht in Schweden sein kann. Ich fürchte die Zeit ist zu kurz, um den Zustand herbeizuführen, der nötig ist, um in Baden und Schweden sich unter Menschen bewegen zu können.« Zwei Tage später fuhr er fort: »Es ist augenblicklich nichts bestimmtes, aber die Nervosität ist ungeheuer. Sie selbst sagt, sie fühle ihre Nerven in allen Fasern vibrieren. […] Es wird mir leider klar, daß unendlich viele Schwierigkeiten, mit denen wir und Vicky zu kämpfen haben, aus ihrer Erziehung erwachsen. Es ist schrecklich zu sagen, aber wahr.«31

In diesem Teil seines Briefes spricht Max zumeist in der Wir- Form, fühlte sich offenbar zusammen mit Munthe verantwortlich für Wohl und Wehe seiner Cousine. Damit teilte er manches Geheimnis mit seiner Verwandten, wird aber auch dem Leibarzt Privates aus der badischen Herrscherfamilie zugetragen haben, zum Beispiel zum Thema Erziehung. So entstehen verschworene Gemeinschaften. Schließlich stand Victoria mit ihrer unorthodoxen Lebensweise in ihrer Familie unter einem großen Rechtfertigungszwang. Für die gekrönten Häupter in Karlsruhe und Stockholm war der badische Prinz in Rom als eine Art chaperon mit regelmäßiger Berichtspflicht im Einsatz. Tatsächlich aber hat er sich eher als Dolmetscher der speziellen Wünsche seiner Freundin Vicky betätigt; nicht zuletzt auch als Interessenvertreter von Munthe. Mag sein, daß es um die Gesundheit der Kronprinzessin tatsächlich nicht zum besten stand, aber Max verstand es, dies immer noch ein wenig ins Dramatische zu steigern, damit die Botschaft seines Rapports umso deutlicher zutage trat: Victoria so lange wie möglich aus dem Verkehr zu ziehen. Nicht nur, aber auch dafür hat sie Vetter Max »wie einen Bruder [ge]liebt«.32

Das Leben der Patientin in Rom spielte sich keineswegs ausschließlich in der Krankenstube ab. Zahlreiche Ausflüge mit dem Leibarzt sowie ein enger Kontakt mit dem schwedischen Botschafter unterhielten die Prinzessin. Das gilt auch für ihren badischen Vetter, der an dem Highlife von Rom ebenfalls nicht vorbeigehen mochte. »Ich war zweimal beim Lawn Tennis Match. […] Bei Blanc [Alberto de Blanc, italienischer Außenminister] war gestern ein charmantes Diner, und ich war ganz weg über die Schönheit der Wohnung.«33 In ein paar Tagen wolle er nach Neapel reisen. Max fand in den drei Monaten, die er in Italien verbrachte, Zutritt in das Gesellschaftsleben der höchsten Kreise Roms.34 Die erwähnte Reise an den Golf von Neapel hatte wahrscheinlich Munthe für den Prinzen arrangiert und ihn womöglich auch dorthin begleitet. Einen profunderen Kenner und Cicerone dieser für viele Mitteleuropäer noch reichlich fremdländischen Gegend dürfte der Prinz wohl kaum gefunden haben.35 So könnte es also sein, daß im Frühjahr 1894 eine weitere große Freundesliebe von Max begann – zu Axel Munthe, dessen Charisma und Verführungskunst er schließlich erlag.

Als Max von Baden Ende Mai 1894 seine Cousine zurück nach Karlsruhe brachte, zeigte sich ihr Bruder Fritz sehr angenehm überrascht vom »guten Aussehen« seiner Schwester.36 Ihrer beider Mutter sah das allerdings anders, sie »soll gewünscht haben, daß Vicky in eine Nervenanstalt in Konstanz eingewiesen werden sollte!!« Das schrieb Anfang Mai Königin Sophie von Schweden an ihren Gatten, fügte aber noch hinzu: »Die höchst beunruhigte Vicky hat mich gebeten dagegen Einspruch zu erheben, was ich auch getan habe.«37 Konnte dieser Anschlag auf ihre Freiheit auch erst einmal abgewehrt werden, so mußten die Kronprinzessin und ihr Mann auf Drängen der badischen Eltern doch einer gründlichen Untersuchung eines Ärzteteams unter der Leitung des renommierten Heidelberger Neurologen Wilhelm Erb einwilligen.38 Auf ausdrücklichen Wunsch der Patientin wurde auch Munthe zu dieser Konsultation hinzugezogen. Der war zwar von vornherein davon überzeugt gewesen, daß »das Ganze zu nichts führt«. Er sei aber nun einmal der einzige, so brüstete er sich, dem die Kronprinzessin vertraue.39

Ergebnis dieser Untersuchung war, daß die Experten der Prinzessin einen weiteren Italienaufenthalt unter der Obhut ihres Kollegen Munthe empfahlen, den diese bereits im November des Jahres tatsächlich antrat.40 Auf den Leibarzt kam damit »sehr viel Verantwortung [zu], denn sie hängt ganz und gar von mir ab und oft genug wünsche ich, ich wäre frei von solchen Mitgliedern der königlichen Familie.« Aber – so bekannte er freimütig – sei er nun mehr auf dem besten Wege zu völliger »ökonomischer Unabhängigkeit«, was seinem Befinden sehr zugute komme: »I am the master of my mind/I am the captain of my soul.«41 Kaum, daß ihn die Kronprinzessin nach fünfmonatigem Italienaufenthalt verlassen hatte, kaufte er sich auf dem Capodimonte in Anacapri ein Anwesen in bester Lage mit einem Panoramablick über den Golf von Neapel und die Halbinsel von Sorrent, zunächst nur bestehend aus einem kleinen Haus, einer zerfallenen Kapelle und etwas Gartenland. Noch vor der Jahrhundertwende sollte er aus diesem Ensemble mit seiner Villa San Michele ein Domizil erschaffen, um das ihn bald die halbe Welt beneidete – die Welt der Reichen und Mächtigen.42

Dort, »am idealen Golf von Neapel«, verlebte Max von Baden im Herbst 1895 erneut »einige Tage reinsten Naturgenusses bei herrlichstem Wetter«. Fortan kam ihm Munthes pittoreskes Königreich nachgerade wie ein »Traum« vor.43 Allem Anschein nach hatte der schwedische Fürstenfischer den nach Lebenssinn suchenden Prinzen als einen weiteren kapitalen Fang in sein Boot gezogen. Zumal dem eindringenden Blick des Seelenarztes nicht verborgen geblieben war, daß sein Bewunderer akute Probleme mit Frauen hatte. Mit diesem Problem der »sexuellen Inversion« hatte sich Munthe bereits bei Victorias Gatten beschäftigt, der auch daran litt.44 Dies besondere Interesse motivierte ihn wohl auch, im Vorjahr die Dichter Lord Alfred Douglas und Oscar Wilde nach Capri einzuladen. Wilde hat nach dem persönlichen Kennenlernen auf Capri im Oktober 1897 in dem charmanten Hausherrn von San Michele eine »wunderbare Persönlichkeit« gesehen.45 Die aufgeschlossene Begegnung mit den beiden Geächteten war dem Therapeuten sicher auch insofern ein persönliches Anliegen gewesen, als sie ihn befähigte, sich nun noch besser in die spezielle Befindlichkeit und das Lebensgefühl bekennender Homosexueller hineinzufühlen.

Der Endzeitkanzler

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