Читать книгу Michael Korn & Liz Croll Trilogie - Matthias Boden - Страница 45
34. Kapitel Venezuela, Caracas
ОглавлениеAls die drei Interpolagenten am Flughafen eintrafen, wartete in einem bequemen schwarzen Ledersessel eine junge Lady auf sie. Ihre langen pechschwarzen Haare lagen nach vorne über dem Oberkörper und reichten bis zur Hüfte. Bereits seit über einer halben Stunde saß sie in der klimatisierten Lounge. Aufmerksam musterte sie die Drei. Die beiden Frauen waren fast so groß wie sie. Eine davon mit etwa schulterlangen blonden Haaren, die sie nach oben gesteckt hatte, war fast zu schmal, trotzdem besaß sie fein definierte Muskelfasern an ihren schlanken Armen. Neben ihr eine ebenso schlanke junge Frau mit schwarzen Haaren und ein bisschen rundlicher. Der Mann, neben dem die Blonde lief, überragte die beiden um mehr als einen Kopf. Seine Oberarme sprengten beinahe das schwarze T-Shirt, das er trug. Er war etwas füllig um die Hüfte, hatte aber einen so breiten Körperbau, dass sich die anderen beiden locker hinter ihm verstecken konnten. Er zog ein Gesicht, als hätte es drei Wochen ununterbrochen geregnet. Die zarte Blondine entdeckte sie zuerst, achtete aber nicht weiter auf sie als sie aufstand und auf sie zuging. Sie stellte sich der jungen Frau mit dem dunklen Haar in den weg und sprach sie an »Sie müssen Liz Croll sein! Ist das richtig?«
Liz tastete die Frau mit ihren Augen ab. Sie war eine orientalische Schönheit, die einfach nicht recht in das Bild von Caracas passte. Die langen schwarzen Haare waren glatt und reichten ihr bis an den Po. Ihre Haut glänzte im Sonnenlicht, als wären Tausende kleine Goldfäden mit eingewebt worden. Die fast schwarzen Augen und die gleichförmigen Züge ihrer Nase gaben ihrer Statur das Aussehen einer Königin.
»Das stimmt«, antwortete Liz, »Mit wem habe ich das Vergnügen?«
»Mein Name ist Karyani Sasmita. Mike Banks schickt mich, um ihnen alles zu geben, was sie brauchen«, gab sie mit einem leichten Akzent von sich.
»Vielen Dank das sie hier sind. Mike hat also Wort gehalten«, sagte Liz und wand sich dem Mann und der anderen Frau zu.
»Mike hat sie uns hier hergeschickt. Sie hat den Sender!«, rief sie.
Die beiden, die bereits weitergelaufen waren, blieben stehen und kamen zurück. Als Korn sie ansah, zuckte sie unwillkürlich zusammen. »Halt dich von dem Mann fern« hallte Mikes Stimme in ihr nach. Sein kalter Blick, aus den blauen Augen, schien sie zu durchbohren, aber in seiner Miene zeigte sich keine Regung. Die Blondine schenkte ihr ein kleines nicken, was sie aber nicht zu erwidern wagte.
»So was kann nur von Banks kommen. Sagten sie, ihr Name ist Sasmita?«, fragte der Mann mit tiefer Stimme.
»Ja, Karyani Sasmita«, sagte sie.
»Lea, Miss Croll, ich darf ihnen die bekannteste Verbrecherin vorstellen, die sie in ganz Südostasien nur finden können. Es gibt keine Fahndungsliste, auf der ihr Name nicht zu finden wäre. Das letzte Mal trat sie 2012 in Erscheinung, als sie einen Pornostreifen mit dem saudischen König in der Hauptrolle ins Internet gestellt hat. Daraufhin hat sie sich versteckt und blieb verschwunden«, erklärte Korn.
»Mister Korn, darf ich sie daran erinnern, dass sie selbst eine Haftstrafe absitzen müssten, ebenso wie ihr geliebte Lea, die wohl für immer hinter schwedischen Gardinen verschwunden wäre, hätten wir sie nicht rausgeholt?«, belehrte Croll ihn.
»Lea, ich glaube, es ist besser, wenn ich draußen warte, sonst zerreiße ich diese englische Schlumpfine noch in der Luft und schaue nach, ob in der hässlichen Verpackung wenigstens so etwas Ähnliches wie ein Gehirn vorhanden war!«, maulte Korn und stapfte zum Ausgang.
Lea verdrehte die Augen »Es tut mir leid, er ist heute nicht gerade ein Sonnenschein. Seid ihm bitte nicht böse!«
Karyani schaute etwas verwirrt zwischen den dreien hin und her. Liz schüttelte nur leicht den Kopf, als sie anhob »Hast du ihn nicht rangelassen heute, oder hat ihm die Sonne wieder das Hirn verbrannt?«
Lea konnte ihren Zorn nicht verbergen als sie »Wir haben noch nie miteinander geschlafen Liz. So einer ist er nicht. Der ganze Tag heute war eine einzige Tortur!«, sagte.
Nachdem sie am frühen Morgen ihren Plan entworfen hatten, mussten sie alles Mögliche besorgen. Caracas ist dafür berüchtigt ein Paradies für Taschendiebe zu sein. Korn und Lea hatten nicht nur mit der unzureichenden Warenversorgung, sondern auch mit zudringlichen Dieben zu kämpfen gehabt als sie, ohne viel Schlaf, in Caracas unterwegs waren. Selbst das Benzin war knapp und nicht überall erhältlich. Immer wieder kam es zu Stromausfällen, was den Straßenverkehr, der sowieso unüberschaubar war, zusammenbrechen ließ. Noch dazu wusste Michael, dass Mord in der Hauptstadt Venezuelas an der Tagesordnung war. Er hatte also einen sehr schweren Tag gehabt. Zusätzlich zu den Problemen beim Besorgen der Materialien war er um die Sicherheit seiner Lea besorgt und musste sich auch noch um die Taschendiebe kümmern. Er war den ganzen Tag hoch konzentriert, was jetzt nach den Strapazen seinen Tribut forderte. Lea musste sich nicht ganz so viele Sorgen machen, hatte aber gemerkt, unter welcher Anspannung ihr Freund den ganzen Tag gestanden hatte. Es war ihr nicht entgangen, welche Sorgen er sich um ihre Sicherheit gemacht hatte. Das zu sehen hatte ihr Glückshormone beschert. Sie konnte ihm förmlich seine bedingungslose Liebe zu ihr ansehen. Nun fiel die Anspannung ab und er benötigte einige Zeit für sich. Lea sah zu ihm nach draußen. Er stand in der untergehenden Sonne, wie ein Fels, und rauchte eine Zigarette. Sie gab ihm die Zeit, nahm sich aber vor während des anstehenden Fluges ihn mit Zärtlichkeiten zu überschütten.
»Wie dem auch sei. Mike hat Miss Sasmita zu uns geschickt und sie Gebeten ihr Spielzeug mitzubringen«, erklärte Liz freundlicher.
»Nennen sie mich Karyani. Ich habe alles in meinem Koffer, was sie benötigen, egal, um was es geht«, bestätigte sie und zeigte auf den großen Aluminiumkoffer, der neben ihrem Sessel stand.
»Wir brauchen einen kleinen, möglichst genauen Peilsender, der mindestens 16 Stunden zu orten ist. Dazu wenn möglich noch eine ebenso kleine wie hochempfindliche Abhöranlage die man vielleicht auch im Material verstecken kann. Und wenn es vielleicht noch möglich wäre, umgebendes Material elektrostatisch aufzuladen würde das auch helfen«, ratterte Liz ihre Liste herunter.
Karyani zog ihren Notfallkoffer heran und öffnete ihn. Tausende Platinen, Mikrofone, Drähte und sonstiges Gerät waren darin zu sehen. Es sah aus wie, wenn man im Lager eines Elektronikmarktes stand. Zielsicher fischte sie eine kleine runde Platine heraus. Sie war nicht größer als ein Centstück mit einem kleinen Draht daran.
»Das ist ein Ortungschip, bis auf einen halben Meter genau. Funktioniert weltweit bis zu einer Tiefe von 30 m unter der Erde.«, erklärte sie und hielt Liz die Platine hin. Dann zog sie eine kleine Plastiktüte aus ihrem Koffer. Darin war nichts zu sehen. Karyani hielt sie in das Licht und zeigte mit dem Finger auf die unter linke Ecke. Dort war ein schwarzer Punkt zu erkennen, nicht größer als der Kopf einer Stecknadel. Stolz erklärte sie »Das hier ist ein hochempfindlicher Mikrotransmitter. Damit könnt ihr den Furz eines Maulwurfs hören, wenn es sein muss!«
»Solange wir ihn nicht riechen müssen«, scherzte Lea.
»Für den dritten Wunsch muss ich ein bisschen was basteln, gebt mir mal ein paar Minuten«, bat Karyani und setzte sich wieder in ihren Sessel. Nacheinander zog sie einige Bauteile aus ihrem Koffer, ein Vergrößerungsglas und eine kleine braune Werkzeugtasche. Die beiden Agentinnen beobachten wie sie mit flinken Fingern ein Bauteil, nach dem anderen aus seiner Hülle befreite und mit dem Miniwerkzeug verband. Dabei drehte sie mit einer Miniaturzange unter dem Vergrößerungsglas die Teile in die richtige Position und klemmte die Kontakte zusammen. Nach etwas weniger als zehn Minuten steckte sie das Ergebnis in einen Beutel und erhob sich.
»Ich habe euch eine kleine Ausgabe eines van de Graaff Generators gebastelt. Er erzeugt eine elektrische Ladung. Funktioniert allerdings nur bei leitendem Metall und wird über eine eingebaute Batterie betrieben. Reicht ungefähr für 7 bis 8 Stunden, je nach Temperatur des Materials. Nach dem Einschalten bekommt jeder eine gewischt, wenn er das Material berührt. Allerdings müsst ihr dafür sorgen das der Ortungschip und auch der Transmitter durch Plastik geschützt werden. Elektrostatische Spannung beschädigt diese Bauteile und sie funktionieren dann nicht mehr«, erklärte sie stolz.
»Reicht es, wenn wir den Chip und den Transmitter in so eine Plastiktüte packen?«, fragte Liz, während sie auf eine der Verpackungen zeigte.
»Ja, das sollte ausreichen«, bemerkte Karyani.
Lea stand fasziniert vor der kleinen Frau mit der schimmernden Haut. In Minuten hatte sie alle ihre Wünsche erfüllt. »Könnte man auch eine ferngelenkte Rakete auf den Chip abfeuern?«, fragte sie neugierig.
Karyani musste lachen »Das könnte man nicht nur, das wird auch so gemacht!«
»Lea, egal welchen Unsinn du im Kopf hast, die Antwort lautet Nein«, warf Liz ein.
»Alte Spielverderberin!«, kam es sofort zurück.
»Darf ich kurz etwas fragen?«, sagte Karyani und sah Liz in die Augen.
»Natürlich Karyani, was möchtest du wissen?«
»Mike hat mir gesagt, er arbeitet jetzt für Interpol. Ist das wirklich so oder hat er mich angeschwindelt?«, fragte sie zögernd.
»Er arbeitet wirklich, wie wir für Interpol, warum?«, murmelte Liz.
»Naja, Mike saß eine ganze Weile im Gefängnis. Sie Lea, wären da wohl auch, wie ich das gehört habe und der Mann da draußen hat wohl auch eine Strafe offen. Wie kann es sein, dass Interpol verurteilte Kriminelle zu Agenten macht?«
»Aufgrund unserer Fähigkeiten und Erfahrungen. Wir sind so etwas wie ein Probeteam. Korn da draußen ist Bodyguard und kann in Menschen lesen. Mike ist ein Genie am Computer, Lea eine Scharfschützin und ich bin gut darin, Sachen aufzuspüren«, zählte Liz auf.
»Ah, dann sollte ich mich wohl deshalb von dem Mann fernhalten«, überlegte sie laut.
»Nein, Korn ist sehr schwierig und ein richtiges gemeines Arschloch, auch wenn Lea dagegen protestiert«, erklärte Liz während Lea sofort eingriff »Michael ist ein total lieber Mensch, ihr wollt das nur nicht verstehen!«
Liz schüttelte den Kopf »Sie sieht das durch die rosarote Brille, deshalb verteidigt sie ihn so vehement!«
Karyani verstand sofort. »Verstehe, ihre Kollegin ist verliebt in den Mann und sie ist ihm wohl egal.«
»Nein, Michael liebt mich. Wenn wir unter uns sind, ist er ganz anders, als ihr euch das vorstellt. Er kann es einfach nur nicht so zeigen. Das, was ihr immer seht, ist die Mauer, die er um sich herum errichtet hat, nachdem ihm diese andere das Herz gebrochen hat. Ich arbeite dran, das zu ändern, aber 30 Jahre kann man nicht in einigen Wochen vergessen machen. Gebt uns einfach ein bisschen Zeit dafür!«, flehte Lea.
Liz sah sie mitleidig an als sie erklärte »Lea, er wird sich nie ändern, das musst du endlich einsehen.«
»Du hast keine Ahnung, weil du seine Geschichte nicht kennst. Er hat sie mir unter Tränen erzählt und ich würde das gerne ungeschehen machen. Du weißt nicht, was das alles angerichtet hat. Aber statt ein bisschen Verständnis zu zeigen, hackst du ständig auf ihm herum!«, erklärte Lea mit weinenden Augen.
Karyani sah die Tränen über Leas Gesicht laufen und nahm sie in den Arm. Leise flüsterte sie ihr ins Ohr »Nicht weinen! Ich weiß, wie das ist wenn immer auf dem Mann, den man liebt, eingeprügelt wird. Mir geht es mit Mike auch so.«
Lea löste sich von ihr und sah ihr tief in die Augen. Auch Karyanis Augen glänzten. Liz hatte nicht verstanden, was da gerade passiert war. Sie fühlte nur die Stimmung umschlagen. Karyani und Lea hatten etwas gemeinsam, was sie emotional verband. Ihre Augen weiteten sich, als ihr plötzlich klar wurde, was die beiden gemeinsam hatten. Sie warf Karyani einen wissenden Blick zu und fragte »Bist du in Mike verliebt Karyani?«
Sie hauchte ein leise »Ja!«, bevor sie hinzufügte, »Schon seit Jahren.«
»Weiß er davon?«, fragte sie neugierig hinterher.
»Natürlich weiß er es. Er liebt mich auch, nur glaubt ihm keiner, weil er all die Jahre vorher mit jeder Frau etwas hatte«, bestätigte sie.
Lea schluckte »Dann hab ich ihm unrecht getan, als ich ihm sofort zu verstehen gegeben habe, das er es gar nicht versuchen soll!«
Karyani nickte »Das ist immer so!«
»Aber bei mir hat er es versucht, als er mich gesehen hat!«, warf Liz ein.
»Nein, hat er nicht Liz. Er hat ihnen vielleicht Komplimente gemacht aber nicht mehr. Das ist seine Art. Mike macht jeder Frau Komplimente, aber das bedeutet nichts. Manchmal passiert das sogar am Telefon und er sagt etwas, was ihm einfach herausrutscht. Hinterher tut es ihm leid, aber er weiß dann nicht wie er damit umgehen soll«, erläuterte Karyani sein Verhalten.
»Wie lange seid ihr schon ein Paar?«, fragte Lea neugierig.
Karyani lachte »Seit vier Jahren, 5 Monaten und 23 Tagen!«
»Mit oder ohne Unterbrechung?«, kam von Liz.
»Mit Unterbrechung, aber die hatten wir nicht eingeplant. In den ersten Wochen haben wir jede Menge Unsinn angestellt. Unter anderem kamen wir auch auf die Idee der First Lady einen Bart zu verpassen, was wir dann auch getan haben. Kurz danach musste Mike nach Los Angeles. Ich konnte nicht mit, weil ich direkt bei der Einreise verhaftet worden wäre. Aber ich habe ihn zum Flughafen gebracht, gar nicht weit von hier. Dann ist er geflogen und wollte ein paar Tage später wieder hier sein. Daraus wurde leider nichts, weil man ihn abends als wir gerade telefonierten verhaftet hat. Dann saß er vier Jahre und ich hatte gehofft, er würde gleich hier herkommen. Heute Morgen rief er dann endlich an und sagte mir, dass er gerade bei Interpol sitzt. Nur das er jetzt dort arbeitet. Aber er hat mir versprochen, dass er das Geld für mich persönlich hierher bringt und wir danach nach Paris fliegen. Die Stadt der Liebe, nur wir beide«, sagte sie und begann zu träumen. Ein Liebesurlaub in Paris für sie und ihn.
»Dann habt ihr euch seit über vier Jahren nicht mehr gesehen?«, staunte Liz.
»Nein, Mike war ja im Gefängnis und ich kann Venezuela nicht verlassen.«
»Entschuldige uns einen Moment«, bat Liz und zog Lea einige Meter weiter.
»Meinst du, wir sollten Mike eine Freude machen und seine Freundin mitbringen?«, fragte Liz.
»Bist du bescheuert? Wir können sie nicht einfach mit in die Staaten nehmen und sie dann nach Frankreich bringen. Egal wo sie gesehen wird, wandert sie in den Bau. Wenn Mike das mitkriegt, werden wir das nicht überleben! Außerdem, warum sollte dir das jetzt wichtig sein? Michael und mir gönnst du unsere Liebe nicht, aber für Mike willst du sogar eine Verbrecherin um die halbe Welt fliegen«, brachte Lea hervor.
»Lea, es tut mir leid. Dein Michael löst bei mir irgendwie eine Ablehnung aus. Ich wünsche euch ja das ihr zusammen glücklich seid, auch wenn ich ihn nicht leiden kann. Aber die beiden sind auch verliebt und konnten sich vier lange Jahre nicht sehen oder miteinander sprechen. Ich war auch ein bisschen gemein zu Mike. Vielleicht ist es eine Art Wiedergutmachung«, sagte Liz zögernd.
»Okay, aber du bringst Karyani nicht mal hier raus ohne einen anderen Pass. Wer sollte den ausstellen außer Mike selbst. Und dann liegt der Pass immer noch in Frankreich, obwohl wir ihn hier brauchen.«
»Wir verhaften sie einfach und bringen sie nach Frankreich zu einer Verhandlung«, schlug Liz vor, »Immerhin sind wir Interpol Agenten.«
»Du bist völlig verrückt, weißt du das? Aber den Schuh ziehe ich mir nicht an. Wenn dann ist das deine Sache!«
»Einverstanden!«, sagte Liz, drehte sich zu der wartenden Karyani um und rief, »Karyani Sasmita, sie sind verhaftet!«
Wie vom Blitz getroffen stand das Technikgenie in der Halle, als sie das hörte. Liz lächelte gefällig, als sie auf die junge Frau zuging, die jedoch versuchte ihre Chancen für eine Flucht abzuschätzen. Hektisch suchte ihr Blick die gesamte Halle ab. Liz bemerkte es und setzte hinzu »Ich bringe dich zu Mike, keine Angst. Nur offiziell muss es eben so aussehen.«
Argwöhnisch blickte Sasmita zu der nahenden Agentin. Sie konnte aber keine Böswilligkeit erkennen, eher so etwas wie kindliche Freude. Liz stellte sich vor sie »Es tut mir leid, wenn ich dich geschockt habe. Lea und ich haben überlegt, ob es eine Möglichkeit gibt, dich zu Mike zu bringen. Nur ohne falschen Pass wäre es schwierig gewesen, also hab ich dich einfach in Gewahrsam genommen und kann dich damit ausfliegen, wohin ich will. Einverstanden?«
»Hätte ich eine Waffe gehabt«, gab Karyani zu, »wärst du sofort umgefallen!«
»Das glaube ich dir sofort, aber es war die einzige Idee, die ich auf die schnelle hervorzaubern konnte.«, sagte Liz lächelnd.
»Und du bringst mich wirklich nur zu Mike, und nicht ins Gefängnis?«
»Versprochen. Wir nehmen dich mit zu Mike und dann werden wir eine Lösung finden wie ihr beiden wieder nach Venezuela kommt. Aber vermutlich denkt er dann eher daran, dir einen anderen Pass zu besorgen, so wie er es für Lea auch getan hat.«
»Moment«, stutze Karyani, »Mike hat ihr einen anderen Pass besorgt?«
»Ja, Lea die jetzt Taylor heißt, hieß zuvor noch Enis. Dein Mike hat dafür einen neuen Pass besorgt!«, grinste Liz.
»Lea Enis? Diese blonde Frau da ist die Lea Enis? Lady Sniper die über 60 Menschen erschossen hat?«, fragte sie mit offenem Mund.
»Um genau zu sein waren es bisher 127«, verbesserte Lea die neben Liz trat.
»Du, äh Verzeihung Sie sind eine lebende Legende in Asien!«, brachte Sasmita eingeschüchtert vor.
Lea lachte »Für dich Lea. Ich bin keine Legende, ich habe einfach nur meinen Job gemacht!«
»Dein Job war es Mörder umzubringen und dann heimlich still und leise zu verschwinden?«
»So in etwa. Ich wurde dafür bezahlt jemanden umzubringen, allerdings habe ich nur die erschossen, die selbst getötet haben!«
Hinter ihnen ging die Tür auf und ein Schwall feuchtwarmer Luft zog durch die Halle. Korn stand in der Tür und rief »Wenn die Damen ihr Kaffeekränzchen beenden könnten, wir haben noch etwas zu tun. Die Maschine wartet, ich aber nicht!«
Wie so oft verdrehte Liz wieder die Augen was ihr einen bösen Blick von Lea einbrachte die ihr leise »Bitte Liz!«, zuflüsterte. Als sich die drei Frauen zum Gehen wandten, war Korn etwas irritiert.
»Ich dachte an meine Herzdame und den englischen Köter nebenan, aber niemand hat etwas von einer goldenen Ziege gesagt!«, rief er.
»Schatz, bitte. Halte dich ein bisschen zurück. Ich werde es dir ausführlich erklären, versprochen! Sei ein bisschen freundlicher, mir zuliebe«, rief ihm Lea entgegen, bevor sie sich an die anderen beiden wandte »Er meint es nicht so!«
Liz Blick wurde düster und ihre Mundwinkel fingen an zu zittern. Gerade als sie explodieren wollte, legte ihr Karyani die Hand auf die Schulter und flüsterte ihr zu »Bitte nicht, das macht es nur schlimmer!« Die englische Agentin versuchte, ihren Ärger herunterzuschlucken, aber es gelang ihr nicht so recht. Immer noch wütend zischte sie »Ich werde ihm den Hals aufschneiden!«
Langsam stieg die Gulfstream mit den Agenten in den Himmel auf. Liz und Karyani saßen an einem Tisch zusammen, während Lea mit Michael im hinteren Teil der Kabine auf einem Sofa kuschelte. Sie hatte ihren kleinen Körper ganz eng um ihn geschlungen. Die beiden waren so miteinander beschäftigt, dass sie alles um sie herum vergaßen. Man hörte nur ihr leises tuscheln, immer wieder durch Kuss Geräusche unterbrochen. Karyani konnte nicht aufhören zu lächeln. Ihr würde es mit ihrem Mike genauso gehen. Nur Liz versuchte, es zwanghaft zu verdrängen. Um sich zu beschäftigen, nahm sie die besorgten Materialien zur Hand und begann damit ihre Falle zu bauen. Karyani sah ihr gespannt dabei zu. Kurz danach begann sie sich mit der Engländerin zu unterhalten.
»Was habt ihr Venezuela gemacht und wozu braucht ihr jetzt dieses ganze Zeug?«
Ohne ihre Konzentration zu unterbrechen, erzählte ihr Liz von ihrem Auftrag und wie es ihnen gelungen war die CIA aus dem Spiel zu nehmen. Detailreich schilderte sie die wilde Nacht, die sie hinter sich hatten und vom anschließenden Verhör der CIA Agentin in dem Gebäude. Die indonesische Schönheit hörte aufmerksam zu, bis sie schließlich fragte »Was habt ihr mit der Agentin gemacht und was soll das hier alles?«
»Wir haben sie heute Morgen den örtlichen Behörden übergeben, die eine Anzeige wegen Terrorismus vorbereiten.«
»Die CIA wird Venezuela unter Druck setzen, wenn bekannt wird, das eine ihrer Agentinnen dort festgehalten wird. Die Behörden sind nicht nur korrupt, sie kriechen den Amis auch bis zum Anschlag in den Arsch. Sie wird sicher schon wieder draußen sein!«, erklärte Sasmita sichtlich ungehalten.
»Nein, die sitzt noch. Wir von Interpol haben die Kontrolle übernommen. Die Anzeige kommt erst raus, wenn wir das genehmigen, bis dahin sitzt sie in Untersuchungshaft ohne das die USA etwas davon erfahren werden. Und jetzt sind wir gerade auf dem Weg nach Langley, um dieser ganzen Nation zu zeigen, was passiert, wenn man unbemerkt versucht, etwas zu klauen was der gesamten Menschheit gehört!«, beruhigte sie Liz.
»Und wie soll das funktionieren?«
»Das ist eigentlich ganz einfach, wir werden dem leitenden Agenten der CIA ein Päckchen schicken, dessen Inhalt ich hier gerade zusammenstelle. Sobald er das alles in der Hand hat, wird er unter Garantie telefonieren. Entweder mit dem Präsidenten oder einer anderen Person, die dahinter steckt. Deshalb die Wanze, weil wir wissen wollen, wer dahintersteckt. Durch den Ortungschip werden wir auch wissen, wo sich dieser John Clarkson versteckt. Dieses Büro nimmt dann Lea ins Visier und räuchert den Laden aus, ob mit Clarkson oder ohne ist uns dabei egal. Gleichzeitig wird Interpol alle Beteiligten zur Fahndung ausschreiben und das Beweismaterial, was wir aufgenommen haben jeder Nachrichtenagentur zur Verfügung stellen. Allerdings weltweit damit es wirklich jeder erfährt. Und dann wollen wir mal sehen, ob diese verfluchte Nation den Arsch in der Hose hat mit ihrem Militär gegen alle anderen Staaten einen Krieg anzufangen!«, bellte Liz.
»Nur damit ich das richtig verstehe«, entgegnete Karyani, »Ihr habt vor die USA als Verbrecher zu outen und sie dann spüren zu lassen, was es bedeutet alleine gegen alle zu stehen? So wie sie es mit ihren Angriffen immer machen?«
»Genau das ist der Plan«, schreckte sie Lea auf, die sich von Michael gelöst hatte. »Es wird mir ein besonderes Vergnügen sein, diesem Clarkson das Licht auszublasen!«
»Lea, du sollst das Büro zerstören und nicht jemanden ermorden«, rief Liz ihr ins Gedächtnis.
»Mach dich locker Liz. Ich werde nichts dafür können, wenn er mir gerade in die Schussbahn rennt. Kollateralschäden müssen wir in Kauf nehmen!«, sagte Lea kühl. Hinter ihr stand Korn, der wie ausgewechselt schien, als er seine Arme zärtlich um seine Freundin legte.
»Miss Croll, ich sollte mich vielleicht bei ihnen entschuldigen. Mein Tag war alles andere als leicht. Es tut mir leid, wie ich sie angegangen bin«, drang seine tiefe Stimme durch die Kabine.
Liz riss überrascht die Augen auf und blickte in sein Gesicht, das sanft und entspannt auf der Schulter seiner Freundin lag. Sie brauchte einen Moment, um das zu verarbeiten. Eine Entschuldigung von Korn? Gab es so etwas überhaupt schon mal? Sie konnte sich nicht an etwas Vergleichbares erinnern. Als sie sich wieder gefasst hatte, sagte sie »Ich sollte mir diesen Tag im Kalender anstreichen. Eine entschuldigende Geste von Mister Korn höchstpersönlich kommt vermutlich so häufig vor wie Schneefall in der Sahara!«
»Siehst du Schatz? Sie kann einfach nicht anders. Ich habe es versucht. Am besten ist, ich ignoriere sie jetzt einfach und rede keinen Ton mehr mit ihr. Und bitte mein Herzblatt, wenn du diesen Clarkson abknallst, könntest du es vielleicht so einrichten, das Croll von einem Querschläger getroffen wird?«, brummte er und zog sich wieder zum Sofa zurück.
Lea blickte streng auf die Kollegin, schüttelte leicht den Kopf und zischte »Er ist hier nicht das Arschloch, wie du immer behauptest. Nur um ganz sicherzugehen, werde ich dem ersten Querschläger noch ein paar weitere folgen lassen!« Dann drehte sie sich um und folgte Korn, der bereits wieder Platz genommen hatte.
»Autsch. Ich denke, das war die beste Möglichkeit, sich den Zorn der beiden zu sichern. Dir sollte klar sein, dass dich Lea killt«, flüsterte Karyani Liz zu.
Liz wurde blass auf ihrem Sessel. Korn, der in einem Moment noch um Verzeihung gebeten hatte, sagte im nächsten Moment völlig entspannt, das er sich wünscht, dass sie von einer Kugel getroffen wird. Seine Freundin hatte noch einmal nachgelegt und ihr offen gedroht das sie sichergehen wird. Karyani hatte den Finger tief in die Wunde gelegt.
»Was hätte ich tun sollen?«, fragte Liz unsicher.
»Die Entschuldigung annehmen und ihm keine verbale Ohrfeige geben! Lea hatte dich gebeten, ihr ein wenig, Zeit zu geben, um ihn aus seinen Mauern zu holen. Das wird sie vermutlich seit unserem Abflug getan haben und diese Entschuldigung war wohl das Ergebnis. So wie ich es bisher mitbekommen habe das größtmögliche Ergebnis. Aber mit deinem Angriff auf ihn hast du ihm gezeigt, dass er wohl besser in seinen Mauern bleibt. Lea, die versucht hat, euch auf eine kollegiale Ebene zu ziehen, hast du damit ebenfalls von dir gestoßen. Jetzt hast du dir den Hass der beiden gesichert, und man kann es ihnen nicht einmal verübeln«, analysierte Karyani die Situation.
Liz dachte einen Moment nach. »Ich konnte einfach nicht anders. Warum bin ich nur so?«, klagte sie.
»Ich kann dir nur sagen, was ich sehe Liz, und das meine ich wirklich nicht böse. Du und Korn sind beide Alphatiere. Er hat etwas, was man eine natürliche Dominanz nennt. Das zeigt er unbewusst, wie er sich bewegt, was er sagt und wie er es sagt. Er muss sich diese Dominanz nicht erst erkämpfen, weil sie einfach schon da ist. Du hast nicht das Auftreten von ihm. Du wirkst einfach nicht so wie er und versuchst dir, die Dominanz zu erkämpfen. Kennt man von Tieren, dort wird auch immer wieder der Stärkere bekämpft, um die Rangfolge zu klären. Du siehst dich ganz oben, dieser Platz ist allerdings schon von Korn besetzt. Du versuchst also ihn immer wieder herauszufordern, um den Platz zu erobern. Er allerdings nimmt diese Versuche nicht ernst, beziehungsweise er gibt dir nicht einmal die Möglichkeit darum zu kämpfen. Lea sitzt in dem Moment zwischen den Stühlen. Sie kann dich gut leiden und liebt Michael, also versucht sie zu vermitteln. Korn liebt sie und deshalb hört er auch auf sie. Da setzt sie an, um einen Friedensvertrag oder zumindest einen Waffenstillstand auszuhandeln. Korn stimmt dem zu und geht sogar so weit dir die Hand zu reichen. Du willst aber kämpfen und schlägst seine Hand weg. Damit verletzt du Korn nicht, dem ist es nämlich egal, aber du verletzt damit Lea. Da Korn Lea liebt, brauche ich dir nicht zu erklären, dass er sie verteidigt. Du hast Korns Hand ausgeschlagen und damit gleichzeitig Lea verletzt. Logische Konsequenz davon, beide bekämpfen sie jetzt dich.«
Die Polizistin aus London hatte sich den Monolog schweigend angehört. Obwohl Karyani die Drei erst einige Stunden kannte, mit Korn noch nicht einmal gesprochen hatte, schätzte sie die Situation schonungslos ein. Liz konnte keinen Fehler in ihrer Argumentation finden. Nach einer längeren Pause fragte sie schließlich »Was soll ich jetzt tun? Einfach warten, bis die beiden mich umbringen?«
»Hör auf, um etwas zu kämpfen, und beende die Feindseligkeiten«, riet Sasmita.
Liz versank in ihrem Sessel und dachte nach. Quälend langsam zogen die weißen Schleierwolken unter ihrem Fenster dahin. Karyani lehnte sich zurück, legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Es dauerte fast eine ganze Stunde, bis sich Liz durchringen konnte, etwas zu tun. Als sie aufstand und zu den beiden verliebten schaute, sah sie die beiden kuschelnd auf dem Sofa liegen. Korn lag auf der Seite und hielt Lea in seinen Armen. Sie schmiegte ihren Kopf an seine Schulter, flüsterte ihm ins Ohr und immer wieder hauchte sie ihm einen Kuss ins Gesicht. Sie schienen bester Laune zu sein. Karyani döste neben ihr als sie sich zwischen den Sesseln Hindurchwand und auf den Gang trat. Vorsichtig näherte sie sich den beiden auf dem Sofa. Ihr Atem ging stoßweise, als sie die beiden fast unbemerkt erreicht hatte. In dem Moment drehte sich Lea ruckartig um, warf ihr einen eisigen Blick zu und drohte »Du hast exakt zwei Sekunden, um zu verschwinden, bevor ich dich aufschlitze und ausnehme!«
Ihr Herzschlag setzte einen Schlag aus, bevor er sich beschleunigte. Schweiß trat ihr auf die Stirn und ihr Mund fühlte sich staubtrocken an. »Es tut mir leid!«, stammelte sie, »Ich benehme mich wie die letzte Idiotin. Vergebt mir!«
Dann drehte sie sich um und ging über den Mittelgang davon. Alleine setzte sie sich auf einen Sessel nahe dem Cockpit und vergrub ihr Gesicht in den Händen.