Читать книгу Michael Korn & Liz Croll Trilogie - Matthias Boden - Страница 51
Deutschland, Berlin
ОглавлениеDie Sitzung des Bundestages dauerte nun schon Stunden. Angelika Rotenfels tippte gelangweilt auf ihrem Smartphone. Vorne am Rednerpult stand gerade ein Abgeordneter der Opposition und hielt eine Rede über die viel zu hohe Steuerbelastung der Bürger. Der Redner hielt sich nicht zurück. Er attackierte die Bundesregierung aufs schärfste. Dabei griff er auch die Bundeskanzlerin an. Rotenfels hörte gar nicht hin. Für sie war das nichts weiter als ein Pflichtprogramm, was sie zu absolvieren hatte. Verbale Attacken auf sie und ihre Arbeit interessierten sie nicht. Sie saß nur hier, weil es ihre Pflicht war. Die Bürger des Landes, ihre Belastungen und Lebensumstände waren ihr egal. Für Angelika Rotenfels war dieses Amt nur ein Sprungbrett in ein Leben ohne Sorgen. Dieses Ziel rückte immer näher. Sie hatte bereits seit einiger Zeit ein Häuschen in Argentinien gekauft. Alles, was ihr jetzt noch fehlte, waren einige Millionen. Eigentlich hatte sie vor sich das schöne Leben durch den Steuerzahler finanzieren zu lassen. Leider war es fast unmöglich, die Gelder der Steuerzahler auf ihr Konto umzuleiten. Sie hätte Finanzministerin sein müssen, dann wäre das kein großes Problem gewesen, aber diesen Posten besetzte ein Parteikollege, der tatsächlich glaubte, er würde etwas für die Wähler tun müssen. Rotenfels hatte sich nach oben gekämpft und sich vor zwei Jahren zur Kanzlerin wählen lassen. Sie hatte hart daran gearbeitet genug Dreck über ihre Widersacher auszugraben und dann so geschickt einzusetzen, um dieses Amt zu erreichen. Als Bundeskanzlerin hielt man alle Fäden in der Hand. Sie hatte dafür gesorgt, dass sie noch viel mehr in der Hand hatte. Über jeden Minister ihres Kabinetts gab es unzählige Gaunereien zu berichten. Über dem Bundespräsidenten wäre sofort ein Sturm hereingebrochen, wenn er sich geweigert hätte irgendetwas von ihr nicht zu unterzeichnen. Ihre Ministerschäfchen handelten so, wie sie das wollte bis auf diesen verdammten Finanzminister. Ihr eigentlicher Kandidat für dieses Amt musste seinen Posten nach vier Monaten räumen. Ein begeisterter Bergsteiger war er gewesen. Bei einer Tour zum Basislager des Mount Everest kam sein Trupp in ein massives Unwetter. Um zu überleben, hatten er und seine Kollegen einen anderen aus der Gruppe geopfert. Rotenfels wusste fast alles darüber und sie hatte ihn völlig in der Hand, so wie all die anderen. Nach Amtsantritt aber wurde er während eines Ausflugs zum Skifahren von einer Pistenraupe überrollt. Alles, was ihr übrig blieb, war einen anderen zu ernennen. Sie hatte sich für diesen Idioten entschieden und erst hinterher bemerkt, dass es ihm um die Wähler geht und nicht um seinen eigenen Vorteil. Dieser Traumtänzer hatte ihre ganzen Pläne durcheinandergebracht. Man wird nicht Bundeskanzlerin, weil es so viel Spaß macht für Lügen und dämliches Gerede bezahlt zu werden. Die freie Wirtschaft bezahlte Unsummen an Minister und Abgeordnete, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Berlin war ein einziges Eldorado für Lobbyisten. Mal ging mal da, und mal hier Essen und ließ sich die Tasche voll Lügen füllen. Erhielt ab und zu mal die Einladung, einen Vortrag zu halten für einige Tausend Euro, und immer wieder gab es auch mal begehrte Posten in Firmenvorständen abzustauben. Rotenfels war für diese Pöstchen völlig ungeeignet. Zum einen hatte sie nichts im Kopf, was für Firmen interessant sein könnte, und sie sah aus wie eine Kuh nach der Bandwurmkur und für Vorträge gab es keine Angebote. Ihr Ziel war es so viel Geld aus den Steuerzahlern zu holen wie möglich, um sich damit ein sorgenfreies Leben in Argentinien sponsern zu lassen. Der Verdienst als Kanzlerin war lächerlich, das würde hinten und vorne nicht reichen. Entweder musste sie mindestens acht Jahre auf diesem Posten sitzen um eine, in ihren Augen, mickrige Pension einzustreichen, oder über dieses Amt an andere Verdienste kommen. Diese Tür hatte sich vor knapp vier Wochen endlich geöffnet, als sie von diesem CIA-Deppen angerufen wurde. Seine Abteilung hatte durch die lückenlose Überwachung der Bundesrepublik festgestellt, dass es mal wieder eine Erfindung zu holen gab. Da kaum jemand wusste, das Deutschland seit 1945 noch immer kein freies Land war, selbst Rotenfels wusste bis zu ihrer Ernennung nichts davon, klopfte nun die USA an ihre Tür. Das eröffnete für Rotenfels, völlig neue Möglichkeiten. Die CIA wollte eine Erfindung der SilOld AG. Rotenfels war das egal, denn sie hatte nur Argentinien und Millionen im Kopf. Also ließ sie sich von dem Anrufer einspannen für umgerechnet knapp 8 Millionen Euro dafür zu sorgen, dass diese Erfindung in den USA verschwindet. Das war ihre große Chance. Sie hatte alle möglichen Informationen direkt nach Langley übermittelt. Alles, was jetzt noch fehlte, war dieses verdammte Patent, das die SilOld AG eingereicht hatte. Heute nach der Sitzung sollte es so weit sein und dieses Papier würde auf unerklärliche Weise von der Bildfläche verschwinden. Rotenfels hatte den Beamten ausfindig gemacht der es in seinem Büro bearbeitete. Als Bundeskanzlerin war es ihr ein Leichtes diesen Beamten zu sich zu bestellen, mit der kompletten Akte, um sich ein Bild davon zu machen.
Nach der Sitzung ging sie direkt in ihr Büro und wartete auf das Erscheinen des Beamten. Es war kurz vor 18 Uhr, als er endlich kam. Rotenfels bot ihm einen Platz an und ließ sich die gesamte Akte aushändigen. Zur Durchsicht, wie sie ihm versicherte und natürlich, wie man die Gesetze anpassen musste, um diese Technologie für die Bürgerinnen und Bürger nutzbar zu machen. Politik konnte so einfach sein.
»Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten, während sie warten?«, fragte sie in ruhigem Ton.
»Ein Wasser, wenn es keine Umstände macht Frau Bundeskanzlerin«, antwortete er.
»Nein, das macht keine Umstände. Einen Augenblick bitte.«
Angelika Rotenfels ging aus dem Büro in ihr kleines Nebenzimmer und brachte dem Beamten ein Glas und eine Karaffe mit Mineralwasser. Sie stellte ihm beides auf den Tisch und nahm sich die Akte zur Hand. Der Beamte schenkte sich ein Glas Wasser ein und trank gierig einige Schlucke. Rotenfels registrierte es mit einem lächeln. Sie blätterte in der Akte. Lesen wollte sie nicht, was darin aufgeführt war. Zum einen verstand sie davon nichts und zum anderen ging es nur darum, diesen Vorgang verschwinden zu lassen. Nach einer Dreiviertelstunde, der Beamte saß bereits ungeduldig auf seinem Stuhl, hatte aber brav einige Gläser getrunken sagte sie, »Diese Akte ist ziemlich umfangreich Herr Kreuzer, und ich werde wohl viel mehr Zeit benötigen, sie durchzusehen. Wäre es ihnen möglich, sie bis morgen hier zu lassen. Sie haben sicher einen langen Tag hinter sich und ich würde ihre Familie ungern warten lassen bis ich damit durch bin.«
»Eigentlich widerspricht es den Vorschriften, eine Akte außerhalb des Büros aufzubewahren Frau Bundeskanzlerin«, sagte Kreuzer.
»Das verstehe ich nur zu gut, Herr Kreuzer. Ich werde wohl sehr viel länger benötigen, um sie durchzugehen. Es wäre nicht fair, sie hier bis in die frühen Morgenstunden sitzen zu lassen während ich daran arbeite. Ich bin sicher, sie haben etwas Besseres zu tun, als mich alte Schachtel beim Lesen zu beobachten.«
»Wie lange werden sie die Akte benötigen Frau Bundeskanzlerin?«
»Nur bis morgen. Ich werde dafür sorgen, das sie sie bereits noch vor dem Frühstück wieder auf dem Tisch haben.«
»In Ordnung Frau Bundeskanzlerin. Im Kanzleramt dürfte sie genauso sicher aufgehoben sein wie in einem Safe.«
»Natürlich, Herr Kreuzer! Das versichere ich ihnen. Morgen wird sie dann ein Bote persönlich bei ihnen abliefern«, versicherte sie ihm.
»Das genügt mir Frau Bundeskanzlerin!«
Rotenfels stand von ihrem Schreibtisch auf und verabschiedete den Beamten. Sie brachte ihn noch zur Tür und ließ ihn von einem Bediensteten durchs Gebäude zum Ausgang begleiten. Als sie ihre Bürotür schloss, nahm sie das Glas und die Karaffe und kippte das Wasser weg. Sorgfältig spülte sie das Geschirr aus und stellte es wieder in einen Schrank zurück. Zurück am Schreibtisch schlug sie die Akte zu und steckte sie in einen Umschlag. Endlich war es so weit. Sie hatte alles zusammen, um es der CIA zu übergeben.
Der Beamte Kreuzer verließ das Kanzleramt und setzte sich in seinen dunkelblauen Audi. Er fuhr durch die belebten Straßen Berlins, um nach Hause zu kommen. Es fehlten nur noch sieben Kilometer, bis zu seinem Häuschen als er für immer die Augen schloss. Der Audi prallte in den Seitengraben. Der Beamte saß tot hinterm Steuer.