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Deutschland, Berlin

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Die Sit­zung des Bun­des­ta­ges dau­er­te nun schon Stun­den. An­ge­li­ka Ro­ten­fels tipp­te ge­lang­weilt auf ih­rem Smart­pho­ne. Vor­ne am Red­ner­pult stand ge­ra­de ein Ab­ge­ord­ne­ter der Op­po­si­ti­on und hielt ei­ne Re­de über die viel zu ho­he Steu­er­be­las­tung der Bür­ger. Der Red­ner hielt sich nicht zu­rück. Er at­ta­ckier­te die Bun­des­re­gie­rung aufs schärfs­te. Da­bei griff er auch die Bun­des­kanz­le­rin an. Ro­ten­fels hör­te gar nicht hin. Für sie war das nichts wei­ter als ein Pf­licht­pro­gramm, was sie zu ab­sol­vie­ren hat­te. Ver­ba­le At­ta­cken auf sie und ih­re Ar­beit in­ter­es­sier­ten sie nicht. Sie saß nur hier, weil es ih­re Pf­licht war. Die Bür­ger des Lan­des, ih­re Be­las­tun­gen und Le­ben­sum­stän­de wa­ren ihr egal. Für An­ge­li­ka Ro­ten­fels war die­ses Amt nur ein Sprung­brett in ein Le­ben oh­ne Sor­gen. Die­ses Ziel rück­te im­mer nä­her. Sie hat­te be­reits seit ei­ni­ger Zeit ein Häu­schen in Ar­gen­ti­ni­en ge­kauft. Al­les, was ihr jetzt noch fehl­te, wa­ren ei­ni­ge Mil­lio­nen. Ei­gent­lich hat­te sie vor sich das schö­ne Le­ben durch den Steu­er­zah­ler fi­nan­zie­ren zu las­sen. Lei­der war es fast un­mög­lich, die Gel­der der Steu­er­zah­ler auf ihr Kon­to um­zu­lei­ten. Sie hät­te Finanz­mi­nis­te­rin sein müs­sen, dann wä­re das kein großes Pro­blem ge­we­sen, aber die­sen Pos­ten be­setz­te ein Par­tei­kol­le­ge, der tat­säch­lich glaub­te, er wür­de et­was für die Wäh­ler tun müs­sen. Ro­ten­fels hat­te sich nach oben ge­kämpft und sich vor zwei Jah­ren zur Kanz­le­rin wäh­len las­sen. Sie hat­te hart dar­an ge­ar­bei­tet ge­nug Dreck über ih­re Wi­der­sa­cher aus­zu­gra­ben und dann so ge­schickt ein­zu­set­zen, um die­ses Amt zu er­rei­chen. Als Bun­des­kanz­le­rin hielt man al­le Fä­den in der Hand. Sie hat­te da­für ge­sorgt, dass sie noch viel mehr in der Hand hat­te. Über je­den Mi­nis­ter ih­res Ka­bi­netts gab es un­zäh­li­ge Gau­ne­rei­en zu be­rich­ten. Über dem Bun­des­prä­si­den­ten wä­re so­fort ein Sturm her­ein­ge­bro­chen, wenn er sich ge­wei­gert hät­te ir­gen­det­was von ihr nicht zu un­ter­zeich­nen. Ih­re Mi­nis­ter­schäf­chen han­del­ten so, wie sie das woll­te bis auf die­sen ver­damm­ten Finanz­mi­nis­ter. Ihr ei­gent­li­cher Kan­di­dat für die­ses Amt muss­te sei­nen Pos­ten nach vier Mo­na­ten räu­men. Ein be­geis­ter­ter Berg­stei­ger war er ge­we­sen. Bei ei­ner Tour zum Ba­sis­la­ger des Mount Ever­est kam sein Trupp in ein mas­si­ves Un­wet­ter. Um zu über­le­ben, hat­ten er und sei­ne Kol­le­gen einen an­de­ren aus der Grup­pe ge­op­fert. Ro­ten­fels wuss­te fast al­les dar­über und sie hat­te ihn völ­lig in der Hand, so wie all die an­de­ren. Nach Amts­an­tritt aber wur­de er wäh­rend ei­nes Aus­flugs zum Ski­fah­ren von ei­ner Pis­ten­rau­pe über­rollt. Al­les, was ihr üb­rig blieb, war einen an­de­ren zu er­nen­nen. Sie hat­te sich für die­sen Idio­ten ent­schie­den und erst hin­ter­her be­merkt, dass es ihm um die Wäh­ler geht und nicht um sei­nen ei­ge­nen Vor­teil. Die­ser Traum­tän­zer hat­te ih­re gan­zen Plä­ne durch­ein­an­der­ge­bracht. Man wird nicht Bun­des­kanz­le­rin, weil es so viel Spaß macht für Lü­gen und däm­li­ches Ge­re­de be­zahlt zu wer­den. Die freie Wirt­schaft be­zahl­te Un­sum­men an Mi­nis­ter und Ab­ge­ord­ne­te, um ih­re Schäf­chen ins Tro­cke­ne zu brin­gen. Ber­lin war ein ein­zi­ges El­do­ra­do für Lob­by­is­ten. Mal ging mal da, und mal hier Es­sen und ließ sich die Ta­sche voll Lü­gen fül­len. Er­hielt ab und zu mal die Ein­la­dung, einen Vor­trag zu hal­ten für ei­ni­ge Tau­send Eu­ro, und im­mer wie­der gab es auch mal be­gehr­te Pos­ten in Fir­men­vor­stän­den ab­zu­stau­ben. Ro­ten­fels war für die­se Pöst­chen völ­lig un­ge­eig­net. Zum einen hat­te sie nichts im Kopf, was für Fir­men in­ter­essant sein könn­te, und sie sah aus wie ei­ne Kuh nach der Band­wurm­kur und für Vor­trä­ge gab es kei­ne An­ge­bo­te. Ihr Ziel war es so viel Geld aus den Steu­er­zah­lern zu ho­len wie mög­lich, um sich da­mit ein sor­gen­frei­es Le­ben in Ar­gen­ti­ni­en spon­sern zu las­sen. Der Ver­dienst als Kanz­le­rin war lä­cher­lich, das wür­de hin­ten und vor­ne nicht rei­chen. Ent­we­der muss­te sie min­des­tens acht Jah­re auf die­sem Pos­ten sit­zen um ei­ne, in ih­ren Au­gen, mick­ri­ge Pen­si­on ein­zu­strei­chen, oder über die­ses Amt an an­de­re Ver­diens­te kom­men. Die­se Tür hat­te sich vor knapp vier Wo­chen end­lich ge­öff­net, als sie von die­sem CIA-Dep­pen an­ge­ru­fen wur­de. Sei­ne Ab­tei­lung hat­te durch die lücken­lo­se Über­wa­chung der Bun­des­re­pu­blik fest­ge­stellt, dass es mal wie­der ei­ne Er­fin­dung zu ho­len gab. Da kaum je­mand wuss­te, das Deutsch­land seit 1945 noch im­mer kein frei­es Land war, selbst Ro­ten­fels wuss­te bis zu ih­rer Er­nen­nung nichts da­von, klopf­te nun die USA an ih­re Tür. Das er­öff­ne­te für Ro­ten­fels, völ­lig neue Mög­lich­kei­ten. Die CIA woll­te ei­ne Er­fin­dung der SilOld AG. Ro­ten­fels war das egal, denn sie hat­te nur Ar­gen­ti­ni­en und Mil­lio­nen im Kopf. Al­so ließ sie sich von dem An­ru­fer ein­span­nen für um­ge­rech­net knapp 8 Mil­lio­nen Eu­ro da­für zu sor­gen, dass die­se Er­fin­dung in den USA ver­schwin­det. Das war ih­re große Chan­ce. Sie hat­te al­le mög­li­chen In­for­ma­tio­nen di­rekt nach Langley über­mit­telt. Al­les, was jetzt noch fehl­te, war die­ses ver­damm­te Pa­tent, das die SilOld AG ein­ge­reicht hat­te. Heu­te nach der Sit­zung soll­te es so weit sein und die­ses Pa­pier wür­de auf un­er­klär­li­che Wei­se von der Bild­flä­che ver­schwin­den. Ro­ten­fels hat­te den Be­am­ten aus­fin­dig ge­macht der es in sei­nem Bü­ro be­ar­bei­te­te. Als Bun­des­kanz­le­rin war es ihr ein Leich­tes die­sen Be­am­ten zu sich zu be­stel­len, mit der kom­plet­ten Ak­te, um sich ein Bild da­von zu ma­chen.

Nach der Sit­zung ging sie di­rekt in ihr Bü­ro und war­te­te auf das Er­schei­nen des Be­am­ten. Es war kurz vor 18 Uhr, als er end­lich kam. Ro­ten­fels bot ihm einen Platz an und ließ sich die ge­sam­te Ak­te aus­hän­di­gen. Zur Durch­sicht, wie sie ihm ver­si­cher­te und na­tür­lich, wie man die Ge­set­ze an­pas­sen muss­te, um die­se Tech­no­lo­gie für die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger nutz­bar zu ma­chen. Po­li­tik konn­te so ein­fach sein.

»Darf ich ih­nen et­was zu trin­ken an­bie­ten, wäh­rend sie war­ten?«, frag­te sie in ru­hi­gem Ton.

»Ein Was­ser, wenn es kei­ne Um­stän­de macht Frau Bun­des­kanz­le­rin«, ant­wor­te­te er.

»Nein, das macht kei­ne Um­stän­de. Ei­nen Au­gen­blick bit­te.«

An­ge­li­ka Ro­ten­fels ging aus dem Bü­ro in ihr klei­nes Ne­ben­zim­mer und brach­te dem Be­am­ten ein Glas und ei­ne Kar­af­fe mit Mi­ne­ral­was­ser. Sie stell­te ihm bei­des auf den Tisch und nahm sich die Ak­te zur Hand. Der Be­am­te schenk­te sich ein Glas Was­ser ein und trank gie­rig ei­ni­ge Schlu­cke. Ro­ten­fels re­gis­trier­te es mit ei­nem lä­cheln. Sie blät­ter­te in der Ak­te. Le­sen woll­te sie nicht, was dar­in auf­ge­führt war. Zum einen ver­stand sie da­von nichts und zum an­de­ren ging es nur dar­um, die­sen Vor­gang ver­schwin­den zu las­sen. Nach ei­ner Drei­vier­tel­stun­de, der Be­am­te saß be­reits un­ge­dul­dig auf sei­nem Stuhl, hat­te aber brav ei­ni­ge Glä­ser ge­trun­ken sag­te sie, »Die­se Ak­te ist ziem­lich um­fang­reich Herr Kreu­zer, und ich wer­de wohl viel mehr Zeit be­nö­ti­gen, sie durch­zu­se­hen. Wä­re es ih­nen mög­lich, sie bis mor­gen hier zu las­sen. Sie ha­ben si­cher einen lan­gen Tag hin­ter sich und ich wür­de ih­re Fa­mi­lie un­gern war­ten las­sen bis ich da­mit durch bin.«

»Ei­gent­lich wi­der­spricht es den Vor­schrif­ten, ei­ne Ak­te au­ßer­halb des Bü­ros auf­zu­be­wah­ren Frau Bun­des­kanz­le­rin«, sag­te Kreu­zer.

»Das ver­ste­he ich nur zu gut, Herr Kreu­zer. Ich wer­de wohl sehr viel län­ger be­nö­ti­gen, um sie durch­zu­ge­hen. Es wä­re nicht fair, sie hier bis in die frü­hen Mor­gen­stun­den sit­zen zu las­sen wäh­rend ich dar­an ar­bei­te. Ich bin si­cher, sie ha­ben et­was Bes­se­res zu tun, als mich al­te Schach­tel beim Le­sen zu be­ob­ach­ten.«

»Wie lan­ge wer­den sie die Ak­te be­nö­ti­gen Frau Bun­des­kanz­le­rin?«

»Nur bis mor­gen. Ich wer­de da­für sor­gen, das sie sie be­reits noch vor dem Früh­stück wie­der auf dem Tisch ha­ben.«

»In Ord­nung Frau Bun­des­kanz­le­rin. Im Kanz­ler­amt dürf­te sie ge­nau­so si­cher auf­ge­ho­ben sein wie in ei­nem Sa­fe.«

»Na­tür­lich, Herr Kreu­zer! Das ver­si­che­re ich ih­nen. Mor­gen wird sie dann ein Bo­te per­sön­lich bei ih­nen ab­lie­fern«, ver­si­cher­te sie ihm.

»Das ge­nügt mir Frau Bun­des­kanz­le­rin!«

Ro­ten­fels stand von ih­rem Schreib­tisch auf und ver­ab­schie­de­te den Be­am­ten. Sie brach­te ihn noch zur Tür und ließ ihn von ei­nem Be­diens­te­ten durchs Ge­bäu­de zum Aus­gang be­glei­ten. Als sie ih­re Bü­ro­tür schloss, nahm sie das Glas und die Kar­af­fe und kipp­te das Was­ser weg. Sorg­fäl­tig spül­te sie das Ge­schirr aus und stell­te es wie­der in einen Schrank zu­rück. Zu­rück am Schreib­tisch schlug sie die Ak­te zu und steck­te sie in einen Um­schlag. End­lich war es so weit. Sie hat­te al­les zu­sam­men, um es der CIA zu über­ge­ben.

Der Be­am­te Kreu­zer ver­ließ das Kanz­ler­amt und setz­te sich in sei­nen dun­kelblau­en Au­di. Er fuhr durch die be­leb­ten Stra­ßen Ber­lins, um nach Hau­se zu kom­men. Es fehl­ten nur noch sie­ben Ki­lo­me­ter, bis zu sei­nem Häu­schen als er für im­mer die Au­gen schloss. Der Au­di prall­te in den Sei­ten­gra­ben. Der Be­am­te saß tot hin­term Steu­er.

Michael Korn & Liz Croll Trilogie

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