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c) Beratung des Mandanten

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Bei der Beratung des Mandanten erwarten den Verteidiger neue Konfliktbereiche, die sich insbesondere aus den unterschiedlichen Rechten und Pflichten von Beschuldigtem und Verteidiger ergeben. Dabei kommt insbesondere der Konflikt zwischen dem „Lügerecht“ (siehe Rn 67) des Beschuldigten und der Wahrheitspflicht des Verteidigers zum Tragen.

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Folge der Wahrheitspflicht des Verteidigers soll sein, dass der Verteidiger seinen Mandanten zwar auf die Straflosigkeit der Lüge für den Beschuldigten hinweisen,[179] nicht jedoch ihm hierzu raten oder gar bei der Lüge unterstützen darf.[180] Die von der Rechtsprechung hierbei vorgenommene Unterscheidung zwischen „Auskunft“ und „Rat“ des Verteidigers stellt allerdings bereits deshalb ein untaugliches Abgrenzungsmerkmal zwischen straflosem und strafbarem Verhalten des Verteidigers dar, weil der Grad der Einwirkung auf den Mandanten in der Praxis nicht nur von den vom Verteidiger verwendeten Worten abhängig ist, sondern von einer Vielzahl weiterer Faktoren, insbesondere dem Grad des zwischen den Parteien bestehenden Vertrauensverhältnisses. Der eine Mandant wird eine bloße Auskunft seines Verteidigers als verbindlichen Rat begreifen, der andere einen verbindlichen Rat als bloße Auskunft. Es kann daher im Ergebnis für den Rat nur das Gleiche gelten wie für die Auskunft.[181] Solange die Lüge vom Mandanten stammt, ist sie für diesen straflos. Eine Strafbarkeit des Verteidigers kann sich daher erst dann ergeben, wenn er selbst Tatherrschaft besitzt, nicht hingegen dann, wenn er sich im Rahmen einer (straflosen) Beihilfe oder Anstiftung zum (straflosen) Selbstschutz des Mandanten bewegt.[182]

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Mit dieser Begründung hat auch das OLG Karlsruhe[183] die Empfehlung des Verteidigers an seinen Mandanten, sich zum Zwecke eines erschwerten Wiedererkennens die Haare schneiden zu lassen, als straflos angesehen. Der Senat weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass der Verteidiger sehr wohl die Wahrheitsfindung erschweren dürfe, ohne dass bereits deshalb die Grenze zur Strafbarkeit wegen (versuchter) Strafvereitelung überschritten sei. Soweit sich der Verteidiger lediglich durch Beratungen oder Empfehlungen darauf beschränke, den Mandanten zu straflosem Selbstschutz zu veranlassen, so könne darin kein strafbares Verhalten des Verteidigers gesehen werden.

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Nicht nur zulässig, sondern für eine sachgerechte Verteidigung unabdingbar ist es, dass der Verteidiger seinen Mandanten umfassend über die materielle und prozessuale Rechtslage informiert.[184] Der Beschuldigte hat „ein Recht auf die Vermittlung der erforderlichen materiell- und prozessrechtlichen Informationen, ohne die er seine Rechte nicht wirkungsvoll wahrnehmen könnte“.[185] Nutzt der Mandant diese Informationen, um sich auf dieser Grundlage durch eine geschickte wahrheitswidrige Einlassung seiner Bestrafung zu entziehen, so zeigt sich darin nicht mehr und nicht weniger als das Ergebnis einer wirksamen und effizienten Verteidigung. Der Verteidiger darf seinen Mandanten auch auf die Straflosigkeit einer Flucht oder die geltenden Rechtshilfeabkommen oder die Auslieferungspraxis von Drittländern hinweisen, auch wenn damit die Möglichkeit verbunden ist, dass der Beschuldigte hiervon Gebrauch macht.[186] Die Grenze zur strafbaren Strafvereitelung soll der Verteidiger allerdings dann überschreiten, wenn eine Täterschaft des Anwalts mit Rücksicht auf einen durch seine Stellung als Rechtsanwalt bedingten Wissensvorsprung und eine hierauf beruhende Einflussmöglichkeit anzunehmen ist.[187]

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Auf dieser Linie liegt auch eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach sich der Verteidiger der Strafvereitelung schuldig machen soll, wenn er dem Mandanten Informationen über Eigenschaften, Wirkungsweise und Dosierung von tatsächlich nicht eingenommenen Medikamenten beschafft, um damit unter Verletzung seiner Wahrheitspflicht wissentlich wahrheitswidrige Einlassungen seines Mandanten zu ermöglichen.[188] Weshalb der Verteidiger in diesem Fall Tatherrschaft erlangen soll, ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht. Nahe liegt es vielmehr, in dem Verhalten des Verteidigers eine (straflose) Beihilfe zur (straflosen) Selbstbegünstigung seines Mandanten zu sehen, wenn die wahrheitswidrige Einlassung vom Mandanten selbst kommt und der Verteidiger diese auch nicht initiiert, sondern lediglich durch Rat gefördert hat. Der Bundesgerichtshof sieht darin eine „sachwidrige Erschwerung der Strafverfolgung“, welche „den Tatbestand der Strafvereitelung nach § 258 StGB erfüllen“ könne.[189] Wann sich die Erschwerung der Strafverfolgung – als ureigenste Aufgabe des Verteidigers – als „sachwidrig“ darstellen kann, teilt der Bundesgerichtshof dem Verteidiger allerdings nicht konkret mit. Auch der Rückgriff auf die vom Bundesgerichtshof verwendete Formel, der Verteidiger habe sich jeder bewussten, aktiven Beweisverfälschung zu enthalten,[190] führt zu keiner genaueren Abgrenzung.

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Praxistipp

Der Verteidiger tut angesichts der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gut daran, sich jeder aktiven Unterstützung des Mandanten beim Entstehen einer wahrheitswidrigen Einlassung zu enthalten. Dass er keine Einlassung für den Mandanten vortragen darf, von der er positiv weiß, dass sie unwahr ist, ergibt sich bereits aus seiner Wahrheitspflicht. Hat der Verteidiger jedoch lediglich Zweifel an deren Wahrheitsgehalt, so ist er an einem entsprechenden Vortrag nicht gehindert, sondern dazu verpflichtet, wenn und soweit es dem Mandanten nützen kann.[191]

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Der Verteidiger kann dem Mandanten explizit dazu raten, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen[192] und ihm auch von einem Geständnis oder einer Selbstanzeige abraten[193] unter Hinweis darauf, dass andernfalls seine Verurteilung voraussichtlich nicht zu erwarten steht. Höchst problematisch hingegen ist der Rat zu einem falschen Geständnis (vgl. § 145a StGB) oder einer wahrheitswidrigen Beschuldigung eines Unschuldigen (vgl. § 164 StGB); beides kann wie für den Mandanten unstreitig auch für den Verteidiger strafbar sein.

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