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Die Macht der Stämme

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Die Regentschaft Heinrichs IV., der am 7. August 1106 in Lüttich stirbt, legt einige grundsätzliche Probleme offen, mit denen sich das ostfränkische Reich in viel höherem Maße als das westfränkische herumschlagen muss. Der deutsche König hat keine starke Machtbasis, von der aus er den Kampf gegen die Rivalen um die Krone hätte aufnehmen können. Die reichsinterne Opposition nutzt jede sich bietende Gelegenheit, um den König mit manchmal hemmungslosen Angriffen zu traktieren und zu schwächen. Die Fürsten und Herzöge können dagegen einen erheblichen Machtzuwachs verzeichnen. Der König wird durch sie gleichsam an die Kandare genommen, er kann nicht willkürlich über Krieg und Frieden entscheiden, ohne die Großen seines Reiches zu konsultieren. Im 12. Jahrhundert beginnt, zunächst auf der Ebene des Adels, ein Prozess gegenseitiger Abhängigkeit, aus dem sich später der Anspruch der Fürsten auf politische Teilhabe ableiten wird. In der feudalen Gesellschaft des Mittelalters bezieht sich diese Teilhabe nur auf die Großen im Lande. Das Volk bleibt von derartigen Konstellationen ausgeschlossen.

Parallel zum Macht- und Ansehensverlust des Königs entwickelt sich ein politisches Gegengewicht durch die Fürsten und Herzöge. Das führt zwar einerseits zu mitunter chaotischen Machtkonstellationen im deutschen Reich, verhindert aber andererseits eine zu starke, eventuell sogar despotische Macht des Königs. Aus dieser Balance der Kräfte entwickelt sich im Laufe der Jahre ein politisches System, das auf die Belange sowohl der königlichen Zentralmacht als auch auf die Wünsche der Stämme Rücksicht zu nehmen hat. Dieses Zusammenspiel ist eine der Grundlagen, aus denen der föderale Charakter hervorgeht, der die Bundesrepublik Deutschland bis heute prägt. Mit einem modernen Begriff könnte man dem deutschen Reich am Beginn des 12. Jahrhunderts eine ausgeprägte politische Heterogenität attestieren, die die eruptiven Kräfte im Lande bevorzugt und oft genug für heftigen internen Streit im Lande sorgt.

Im Gegensatz dazu haben die französischen Könige sehr rasch damit begonnen, ihre Krondomäne sorgsam auszubauen und als Basis der eigenen Macht zu etablieren. Für den französischen König – und das gilt besonders für die Zukunft – kommt die Bedrohung eher von außen als von innen, sodass dem Ausbau eines zentralistisch organisierten politischen Systems, in dem Paris schon früh die Rolle einer „Hauptstadt“ zukommt, nichts im Wege steht. Genau wie im östlichen Teil des Frankenreichs werden in diesen Jahren die grundlegenden Strukturen für den kommenden Staat gelegt: Frankreich ist bis heute ein zentralistisch organisierter Staat, in dem politische Macht nur von einem Ort ausgeht - Paris.

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