Читать книгу AKTE EUROPA - Matthias von Hellfeld - Страница 27

Der Erste Kreuzzug

Оглавление

1095 fühlt sich Kaiser Alexius in Konstantinopel von den Seldschuken derart bedrängt, dass er nicht nur um den Bestand seines Reiches, sondern auch um den des christlichen Abendlandes ernsthaft besorgt ist. Er fleht den Papst um Hilfe an und schreibt an Fürsten und Herzöge, in Palästina würden die Heiden argen Frevel gegen christliche Töchter begehen, wozu die Mütter unkeusche Lieder singen müssten, während im umgekehrten Fall die Töchter das Singen anzufangen hätten. Gleichwohl erwähnt Alexius auch, dass es von den „Heiden“ Goldschätze zu holen gebe und dass die „Weiber des Orients“ unvergleichlich schöner seien als die des Abendlandes. Derart angestachelt fällt der Aufruf zum Krieg gegen die „Heiden“ in Palästina auf ein überwältigendes Echo.

Papst Urban II. unterstützt den Kampfeswillen der christlichen Krieger noch dadurch, dass er Ablass für alle vergangenen und zukünftigen Sünden auf Erden und den somit garantierten Einzug ins Paradies in Aussicht stellt. Vor allem französische Ritter folgen dem Kriegsruf des christlichen Heerführers, der sie in den nächsten Jahren in große Gefahren und blutige Kämpfe verwickeln wird. In Deutschland ist die Kriegsbegeisterung nicht so ausgeprägt, dafür zeigt sich in deutschen Landen unter den wenigen Kreuzrittern zum ersten und leider nicht zum letzten Mal eine zum Blutrausch gesteigerte Judenfeindschaft. Vermutlich im Sog der „Schlacht gegen die Heiden“ wenden sich Fanatiker gegen die anderen „Ungläubigen“ im eignen Land und richten ein Massaker an, das im Jahr 1096 stattfindet und eine böse Ahnung von dem verbreitet, was noch kommen wird. In den „sächsischen Annalen“ findet sich der Bericht eines unbekannten Schreibers:

„In Mainz erschlugen sie neunhundert Juden und verschonten dabei weder Frauen noch Kinder. Bischof dieser Stadt war dazumal Rothard, in dessen Schutz sich die Juden mit ihren Schätzen geflüchtet hatten; doch vermochten weder Bischof noch seine Ritter, die eben in beträchtlicher Zahl zugegen waren, die Juden zu verteidigen und den Jerusalempilgern zu entreißen. (…) Nachdem dem Bischofshof, in dem Juden Schutz gesucht hatten, und sogar die Gemächer des Bischofs erstürmt worden waren, wurden alle Juden, die man daselbst fand, ermordet. Diese Niedermetzelung der Juden fand am Dienstag vor dem Pfingstsonntag statt; es bot einen kläglichen Anblick, als man die großen und zahlreichen Haufen der Erschlagenen mit Wagen vor die Stadt hinausfuhr. Auf gleiche Weise wurden die Juden zu Köln, Worms und in anderen Städten Frankreichs und Deutschlands ermordet. Nur wenige kamen davon, die in ihrer Not ihre Zuflucht zur Taufe nahmen.“

Der Zug der Ritter mit dem Kreuz auf der Rüstung, der im Jahr 1096 voller Begeisterung mit der Aussicht auf lohnende Beute ins Land der Verheißung aufbricht, umfasst 330.000 Menschen. Die Zahl der Opfer dieses ersten von insgesamt sieben Kreuzzügen wird mit 290.000 angegeben. Die Marschroute führt die Krieger Christi zuerst nach Konstantinopel, wo die Schwierigkeiten schon beginnen. Der dortige Kaiser Alexius will seine Stellung in Kleinasien schützen und verlangt von den Kreuzfahrern das Versprechen, alle eroberten Gebiete an ihn als Lehnsherren zu übereignen. Nach langem Verhandeln willigen Fürst Raymond von Toulouse und Herzog Gottfried von Bouillon ein und die Reise kann weitergehen. Aber das Unternehmen droht an einem zweiten Ungemach zu scheitern, denn die abendländischen Ritter befinden sich in unbekanntem Gebiet und sind auf Hilfe und Ehrlichkeit ihrer griechischen Führer angewiesen. Ohne sie würden die christlichen Heerscharen ihr Ziel vermutlich nie erreichen und in jeden Hinderhalt der türkischen Seldschuken laufen, die den Kriegern des Kreuzes ihren erbitterten Widerstand entgegenhalten. Zu den unablässigen Angriffen der Türken kommen noch sengende Sonne, Hunger und Durst, sodass manch einer der frommen Ritter seinen Entschluss spätestens in den Weiten der kleinasiatischen Tiefebene bereut.

1096 ist das Kreuzfahrerheer aufgebrochen, bis Anfang Juli 1098 werden Nicea und Antiochia erobert. Über Beirut geht es weiter nach Jaffa und Haifa. Zwischenzeitlich hat Gottfried von Bouillon Edessa eingenommen und den ersten so genannten Kreuzfahrer-Staat gegründet – die Grafschaft Edessa, die sich zu beiden Seiten des Euphrat ausbreitet. Drei Jahre nach ihrem Abmarsch erreichen die Kreuzfahrer schließlich Jerusalem. Was sie dort anrichten, spottet jeder Beschreibung, denn sie verhalten sich keineswegs besser als die, gegen die zu kämpfen sie vorgeben.

Im Juli 1099 beginnt der letzte Teil der Schlacht des inzwischen auf 21.000 Ritter zusammen geschrumpften Kreuzfahrer-Heeres um Jerusalem. Rammböcke und Wurfmaschinen richten ein Zerstörungswerk an, das von einem fürchterlichen Gemetzel begleitet wird. Mit dem Ruf „Gott will es!“ auf den Lippen erstürmen sie Jerusalem und richten ein bestialisches Blutbad unter den Bewohnern jener Stadt an, in der seit Jahrhunderten Menschen unterschiedlichen Glaubens leben. Mit gleichem Eifer vergewaltigen und rauben die christlichen Krieger, sodass nur wenige der Bewohner der Stadt mit dem Leben davonkommen. Dieses Massaker stilisieren die Gotteskrieger zur „Reinigung“ der Stadt von den Ungläubigen. Aber ihre „Säuberungsaktion“ stellt die Gräuel der vorangegangenen Belagerung der heiligen Stadt bei weitem in den Schatten. Nach dem Morden halten die christlichen Eroberer eine Dankprozession ab. Die Totenstille der Stadt wird nur von den Schritten der Sieger durch das Blut und die geschändeten Leiber der Opfer gestört. Dieser Tag kostet 70.000 Menschen das Leben.

An der Belagerung Jerusalems ist Gottfried von Bouillon an führender Stelle beteiligt. Das scheint ihn prädestiniert zu haben, im Anschluss an das Massaker zum „Vogt des heiligen Grabes“ ernannt zu werden. Er ist der erste christliche Herrscher Jerusalems, aber an seiner Regentschaft klebt das Blut tausender unschuldiger Opfer des ersten Kreuzzuges. Als Folge dieser unchristlichen Tat bilden sich neben der Grafschaft Edessa weitere so genannte Kreuzfahrer-Staaten: Klein-Armenien, das Fürstentum Antiochia, die Grafschaft Tripolis und eben das Königreich Jerusalem, das im Norden von Beirut bis an die Spitze des Roten Meeres reicht und an seiner östlichen Seite durch den Jordan begrenzt ist. Das alles geschieht mit dem Segen der römischen Kirche, die vor Beginn des Kreuzzuges zugesichert hatte, dass das den Heiden entrissene Land von den Kreuzfahrern in Besitz genommen werden darf. Um das Königreich Jerusalem liegen mächtige arabische Staaten, die auf das Treiben der Kreuzfahrer und ihre Hinterlassenschaft mit Wut und Empörung reagieren: Das Emirat von Damaskus, das Kalifat von Kairo, das Reich der Yubiden und das der Zengiden. Im Nahen Osten ist von nun an eine zweite Büchse der Pandora geöffnet – bis zum heutigen Tag.

So makaber es klingt: Dieser Kreuzzug, dem noch sechs weitere folgen werden, ist der erste Kontakt zwischen Orient und Okzident, zwischen Morgenland und Abendland. Während Christen und Muslime einander die Hälse durchtrennen, begegnen sich zum ersten Mal ihre Kulturen. Die Ritter des christlichen Heeres bemerken, dass es auch ihre Gegner an Tapferkeit und Mut nicht fehlen lassen. Hüben wie drüben geht es um die Verteidigung der eigenen Wertvorstellungen und nicht nur um die pure Lust am Krieg. Aus der Anerkenntnis der Unterschiedlichkeit entwickelt sich manchenorts auch so etwas wie Achtung vor den jeweils anderen Vorstellungen. Die Rückeroberung Edessas durch Fürst Zengi, dem Statthalter von Mosul, im Jahr 1144 bietet den Anlass für den zweiten Kreuzzug, dem der französische Abt Bernhard von Clairvaux die entsprechende ideologische Ausrichtung gibt: „Im Tod des Heiden sucht der Christ seinen Ruhm, weil Christus verherrlicht wird.“ Bernhard von Clairvaux’s Parole von der „vollständigen Ausrottung der Heiden oder deren sichere Bekehrung“ überzeugt dieses Mal nicht nur den französischen König Ludwig VII., sondern auch den deutschen König Konrad III., der, hingerissen von der Beredsamkeit des Abtes, am Weihnachtstag des Jahres 1145 „das Kreuz nimmt“. Im Mai 1147 brechen deutsche Truppen unter königlicher Führung auf, bald darauf erreichen etwa 30.000 Kreuzfahrer auf dem Landweg über Ungarn Konstantinopel. Auch dieses Mal ereignen sich unter dem Deckmantel des Kreuzzuges Judenpogrome, die angestachelt von einer Mischung aus Mordlust und religiöser Erregung in Prag, Würzburg und einigen rheinischen Städten ihre Opfer finden. Fanatische Prediger des Zisterzienserordens wiegeln zügellose Volksmassen auf, die die Juden vor die Wahl stellen: Tod oder Taufe!

Die Katastrophe dieses Kreuzzuges wird den christlichen Waffenbrüdern erst im Angesicht des eigentlichen Ziels ihrer Unternehmung klar. Denn die islamischen Heerführer haben Edes-sa in Schutt und Asche gelegt, bevor die Kreuzfahrer die Stadt erreichen. Es gibt nichts mehr zu befreien und das stürzt die Anführer der christlichen Heerscharen in helle Aufregung. Im Juni 1148 beschließen der Hochadel des Königsreichs Jerusalem und die Kreuzfahrer, anstelle der niedergebrannten Stadt Edessa nun Damaskus zu belagern, obwohl Damaskus die einzige muslimische Stadt ist, die den Christen zugetan ist. Dieses Unternehmen mündet in einem blutigen Debakel, an dessen Ende die Damaszener Jagd auf die Belagerer machen. Im Angesicht dieser Katastrophe ziehen die christlichen Ritter ihre Heerscharen ab und begeben sich auf die beschwerliche Heimreise, zwei Jahre nachdem sie von Regensburg aufgebrochen waren. Unter den heimkehrenden Kreuzfahrern ist auch ein schwäbischer Herzog namens Friedrich. Er kommt in ein Land zurück, das an einem dynastischen Streit zwischen zwei mächtigen Familien allmählich zu Grunde zu gehen droht - den Welfen und den Staufern.

AKTE EUROPA

Подняться наверх