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dd) Irrelevanz der Rechtsform/Berufsträgervorbehalt
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Entscheidend ist letztlich auch am Maßstab das RDG, dass allein sichergestellt sein muss, dass die Rechtsdienstleistungen allein durch die dazu Berechtigten erbracht werden. Nicht die Rechtsform wie z. B. BGB-Gesellschaft, KG oder GmbH sowie deren Zusammensetzung sind entscheidend. Erforderlich ist allein, dass bei der Leistungserbringung den Erlaubnisvorbehalten in den Berufsgesetzen Rechnung getragen wird. In einer Sozietät von Rechtsanwälten, Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern – oder auch möglicherweise zukünftig mit Ärzten oder Apothekern nach einer Aufhebung des § 59a – darf der Rechtsdienstleistende nur im Rahmen des nach seiner individuellen Zulassung sich bestimmenden Berufsgesetzes wie z.B, der BRAO, dem StBerG oder der WPO tätig sein.
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Das BVerfG[47] hat dementsprechend u. a. ausgeführt, dass der für Berufsausübungsgesellschaften geltende umfassende Berufsträgervorbehalt genüge, um die Einhaltung der Berufspflichten sicherzustellen:
„Zur Leistung ihrer rechtsbesorgenden Dienste sind die Gesellschaften aber auf natürliche Personen angewiesen. Dass diese Beratung und Vertretung der Rechtsuchenden nur durch hinreichend qualifizierte Personen geschieht, wird dadurch sichergestellt, dass für die Berufsausübungsgesellschaft nur Organe und Vertreter handeln dürfen, in deren Person die für die Erbringung rechtsbesorgender Leistungen gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen müssen.“
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Mithin bleibe die tatsächliche rechtsbesorgende Tätigkeit solchen Berufsträgern vorbehalten, die ihrerseits zur Rechtsanwaltschaft etc. zugelassen seine und damit die in den Berufsgesetzen wie z. B. § 4 BRAO bestimmten Qualifikationserfordernisse in eigener Person erfüllen müssen.
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„Aufgrund des umfassend geltenden Berufsträgervorbehalts ist sichergestellt, dass auch in interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaften, also bei Beteiligung verschiedener sozietätsfähiger Berufe … sämtliche rechtsbesorgende Dienstleistungen stets nur von Berufsträgern erbracht werden dürfen, die in ihrer Person die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Tätigkeit erfüllen … Ist somit bereits durch den umfassenden Berufsträgervorbehalt in jeder Hinsicht gewährleistet, dass auch für das Tätigwerden einer interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaft von Rechtsanwälten mit anderen Berufen die Qualifikationsanforderungen der jeweiligen Berufe in jedem Einzelfall erfüllt sind, so bedürfe es angesichts dieser Regelungen nicht noch eines strengeren Schutzes durch gesellschaftsrechtliche Mehrheitserfordernisse.“
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Auf die Maßgeblichkeit des Berufsträgervorbehalts lief auch die im Regierungsentwurf zum RDG noch vorgesehene Reform des § 59a BRAO hinaus. Dessen Absatz 4 sollte lauten:
(4) Rechtsanwälte dürfen ihren Beruf gemeinschaftlich mit Angehörigen vereinbarer Berufe ausüben. Sie dürfen auch im Einzelfall einen Auftrag gemeinsam mit Angehörigen vereinbarer Berufe annehmen oder im Auftrag eines Angehörigen eines vereinbaren Berufs für dessen Vertragspartner Rechtsdienstleistungen erbringen. Sie sind verpflichtet sicherzustellen, dass bei der Zusammenarbeit ihre Berufspflichten eingehalten werden. Ist die Einhaltung der Berufspflichten nicht gewährleistet, muss die Zusammenarbeit unverzüglich beendet werden. Personen, mit denen zusammengearbeitet wird, sind vor Beginn der Zusammenarbeit schriftlich auf die Einhaltung der Berufspflichten zu verpflichten. Bei gemeinschaftlicher Berufsausübung nach Satz 1 sind der Rechtsanwaltskammer die Verpflichtung unter Angabe des Familiennamens und Vornamens, des bei der Zusammenarbeit ausgeübten Berufs und der Geschäftsanschrift der verpflichteten Person sowie die Beendigung der Zusammenarbeit unverzüglich in Textform anzuzeigen.“
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Zur Begründung wurde ausgeführt:[48]
„Um es Dienstleistenden zu ermöglichen, Rechtsdienstleistungen als Teil ihres eigenen Leistungsangebots zu erbringen und um die Voraussetzungen für neue Formen der Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten zu schaffen, sollen die Vorschriften über die gemeinschaftliche Berufsausübung neu gefasst werden (vgl. Allgemeine Begründung, II.7.b) (…)
Zu Absatz 4
Das geltende Recht erlaubt Rechtsanwälten nur eine berufliche Zusammenarbeit mit Angehörigen der sog. sozietätsfähigen Berufe (Patentanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer). Die Beschränkung wird damit begründet, dass nur diese Berufe vergleichbaren berufsrechtlichen Beschränkungen unterliegen und nur auf diese Weise gewährleistet werden kann, dass das anwaltliche Berufsrecht – insbesondere Verschwiegenheit, Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen und Unabhängigkeit – beachtet wird.
Angesichts des Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse (vgl. Allgemeine Begründung, I.4.c) ist eine weitgehende Aufhebung des Verbots angezeigt. Die Einhaltung des anwaltlichen Berufsrechts kann auf andere Weise gesichert werden als durch ein Zusammenarbeitsverbot, das die Berufsfreiheit erheblich einschränkt.
Rechtsanwälte können bereits nach geltendem Recht mit Angehörigen nicht sozietätsfähiger Berufe in Kooperationen zusammenarbeiten. Außerdem ist es zulässig, Angehörige nicht sozietätsfähiger Berufe in einem Angestelltenverhältnis zu beschäftigen. Angestellte können dabei im Rahmen des Anstellungsverhältnisses Rechtsangelegenheiten erledigen (Artikel 1 § 6 Abs. 1 Nr. 2 RBerG). In diesen Fällen – Kooperation, Anstellung – sind die Anwälte verpflichtet, die Einhaltung des anwaltlichen Berufsrechts sicherzustellen. Prinzipielle Mängel sind insofern nicht bekannt. Auch angesichts fließender Übergänge zwischen Anstellungsverhältnissen und der beruflichen Zusammenarbeit in gesellschaftsrechtlichen Formen erscheint es nicht geboten, die Einhaltung des Berufsrechts weiterhin durch ein striktes Verbot der beruflichen Zusammenarbeit mit Angehörigen nicht sozietätsfähiger Berufe zu sichern. Auch § 50 Abs. 3 des Steuerberatungsgesetzes und § 28 Abs. 2 der Wirtschaftsprüferordnung, die Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern bereits heute unter bestimmten Voraussetzungen die berufliche Zusammenarbeit mit Angehörigen nicht sozietätsfähiger Berufe gestatten (z. B. mit Mathematikern, Informatikern, Landwirten; vgl. BT-Drucks. 11/3915, S. 24), zeigen, dass Sozietätsverbote nicht erforderlich sind, um die Beachtung anwaltlicher Berufspflichten gewährleisten zu können.
Nach Satz 1 soll es Rechtsanwälten künftig gestattet werden, ihren Beruf gemeinschaftlich mit Angehörigen aller vereinbaren Berufe (§ 7 Nr. 8, § 14 Abs. 2 Nr. 8) auszuüben. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte selbst erschließen sich zunehmend neue Betätigungsfelder im Bereich der vereinbaren Berufe. Wenn Rechtsanwälte selbst „vereinbare“ Tätigkeiten als Zweitberuf ausüben können und ihr Betätigungsfeld entsprechend ausweiten, gibt es keinen Grund, ihnen eine berufliche Zusammenarbeit mit Professionals zu untersagen, die dieselbe Tätigkeit ausüben. Künftig sollen daher z. B. eine Sozietät einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts mit nichtanwaltlichen Mediatorinnen oder Mediatoren, die Aufnahme einer Ärztin oder eines Arztes als Gesellschafterin/Gesellschafter in eine medizinrechtlich ausgerichtete Anwaltskanzlei oder die berufliche Zusammenarbeit von Anwälten mit Unternehmensberatern möglich sein.
Satz 2 ermöglicht es Rechtsanwälten außerdem, außerhalb einer auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage und damit auf Dauer angelegten beruflichen Zusammenarbeit im Einzelfall, also im Rahmen einzelner vertraglicher Vereinbarungen über einzelne Dienstleistungsgeschäfte, mit Angehörigen vereinbarer Berufe zusammen zu arbeiten. Möglich sein sollen sowohl die gemeinschaftliche Entgegennahme von Aufträgen als auch die Tätigkeit für einen Angehörigen eines vereinbaren Berufs als dessen Erfüllungsgehilfe.
Die Sätze 3 bis 6 enthalten Vorschriften, die die Einhaltung des anwaltlichen Berufsrechts gewährleisten. Für die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten in allen Fällen beruflicher Zusammenarbeit mit Angehörigen vereinbarer Berufe sind die beteiligten Rechtsanwälte verantwortlich. Sie sind verpflichtet, die Personen, mit denen sie zusammenarbeiten, auf die Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten zu verpflichten. Im Falle der gemeinschaftlichen Berufsausübung in Sozietät, Partnerschaftsgesellschaft, Bürogemeinschaft und in Gesellschaften anderer Form (Satz 1) ist die Zusammenarbeit der Rechtsanwaltskammer anzuzeigen. Die Kammer überprüft die Zusammenarbeit im Rahmen der ihr obliegenden Berufsaufsicht (§ 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO).
Von besonderer Bedeutung für die anwaltliche Tätigkeit ist die Verschwiegenheit (§ 43a Abs. 2 BRAO). Sie bildet die Basis für die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Mandant und Rechtsanwalt. Zur Absicherung des Vertrauensverhältnisses sollen daher die Strafvorschrift zur Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) und die Norm über die Straflosigkeit der Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 139 StGB) an die neuen Zusammenarbeitsmöglichkeiten angepasst werden (Artikel 17). Zudem sollen die strafprozessualen Regeln zur Zeugnisverweigerung und zum Beschlagnahmeverbot über eine Erstreckung des § 53a StPO auf die Angehörigen vereinbarer Berufe ausgeweitet werden, die mit Rechtsanwälten zusammenarbeiten (Artikel 6). Weitere gesetzliche Vorschriften zur Absicherung des anwaltlichen Berufsrechts in den neu eröffneten Fällen beruflicher Zusammenarbeit sind nicht erforderlich. Nicht angezeigt erscheint es insbesondere, auch § 356 StGB (Parteiverrat) auszuweiten. Diese Vorschrift erfasst – beschränkt auf Vorsatztaten – nur Personen, deren Haupttätigkeit die Rechtsberatung und Rechtsbesorgung ist. Das ist bei den Angehörigen vereinbarer Berufe, mit denen Rechtsanwälte künftig zusammenarbeiten können sollen, nicht der Fall. Im Gegenteil: Ziel der Neuregelung ist es, dass die Rechtsdienstleistungen von den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten erbracht werden, die dafür am besten qualifiziert sind. Die Angehörigen der vereinbaren Berufe sollen ihre fachspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten in die gemeinsame Berufsausübung mit den Anwälten einbringen können, nicht jedoch im Bereich der den Rechtsanwälten vorbehaltenen Rechtsdienstleistungen tätig werden. Interessenwiderstreitenden Tätigkeiten wirkt – auch in den Fällen der neu eröffneten Zusammenarbeit mit Angehörigen vereinbarer Berufe – zudem bereits § 45 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2 BRAO entgegen, dessen Tätigkeitsverbote gemäß § 45 Abs. 3 BRAO bei gemeinschaftlicher Berufsausübung auch auf die Sozien erstreckt sind. Im Übrigen soll es der eigenverantwortlichen Entscheidung der Rechtsanwälte (vgl. BVerfG, 1 BvR 238/01 v. 03.07.2003, NJW 2003, 2520, 2521: zu § 43a Abs. 4 BRAO, Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen) obliegen, für die Zusammenarbeit die erforderlichen Regelungen zu treffen. Das Nähere zu den gesetzlichen Vorschriften in der Bundesrechtsanwaltsordnung kann durch Satzung in der Berufsordnung geregelt werden (§ 59b Abs. 1, 2 Nr. 8 BRAO).“
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Es ist bedauerlich, dass der Gesetzgeber die mit § 59a IV BRAO angedachte Reform nicht vorgenommen hat. Sie würde die verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen den Erlaubnisvorbehalt der §§ 2, 3 reduzieren und dem Bedürfnis der Berufsträger wie auch der Rechtsuchenden nach einer verstärkten Zusammenarbeit Rechnung tragen. Auf Grund des rechtspolitischen Versagens des Gesetzgebers ist es nun Sache der Gerichte, den § 59a BRAO zu „sprengen“. Der BGH[49] hat mit seinem Vorlagebeschluss einen Schritt in diese Richtung getan.