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c) Problematische Entfremdung
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Bei der Prüfung einer Verfassungsbeschwerde sollte nicht darauf gesetzt werden, dass das BVerfG die eigentlich im Verhältnis zu den Fachgerichten bestehenden Kompetenzgrenzen überschreitet und wie eine letzte Fachgerichtsinstanz entscheidet. Soweit dies in wenigen Fällen zutrifft, handelt sich schließlich erfahrungsgemäß nur um „Ausreißer“. Sie sind im Regelfall auch unproblematisch, wenn das Gericht eine überzeugende Begründung findet.
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Die Problematik besteht jedoch darin, dass gelegentlich eine fragwürdige Kompetenzüberschreitung erfolgt in Entscheidungen, die nicht zwingend oder überzeugend vom BVerfG begründet werden. Sie haben gelegentlich zu einem problematischen Spannungsverhältnis geführt. Es beruht nicht nur auf einer Uneinsichtigkeit der Fachgerichtsbarkeit und deren Angst vor einer Aushöhlung der Kompetenzen. Das BVerfG trifft vielmehr selbst eine erhebliche Mitverantwortung, weil seine Entscheidungen oftmals nicht zu überzeugen vermögen, die Qualität der Begründung jedoch von ausschlaggebender Bedeutung für ihre Akzeptanz ist.[4] Weist die Begründung Defizite auf, kann es vorkommen, dass Fachgerichte dem BVerfG die Gefolgschaft versagen.[5]
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Die gelegentliche Entfremdung zwischen den Gerichtsbarkeiten zeigte sich in der Vergangenheit an zahlreichen Entscheidungen. Verwiesen sei nur auf eine in den Urteilsgründen festgehaltene Passage des BGH, in der Vorgaben des BVerfG z.B. wie folgt kommentiert werden: Ein ordentliches Gericht hätte im Wege der Auslegung nicht zu dem Ergebnis kommen können und dürfen, welches das BVerfG für richtig hält; das positive Recht hätte entgegengestanden.[6] Dem BVerfG wird auch immer wieder angelastet, sich als „Superrevisionsgericht“ zu gerieren, das „in einer Frage des einfachen Rechts kompetenter sein will als ein Fachgericht.“[7] Der BGH[8] scheute sich auch nicht, unverhohlen zum Ungehorsam gegen Karlsruher Beschlüsse aufzurufen.[9] (Ehemalige) BGH-Richter kritisieren Kammerentscheidungen „als die Arbeit eines wissenschaftlichen Mitarbeiters“,[10] der „von der Materie, die er gerade abhandelt, nichts versteht.“[11] Letztlich richtet sich diese – meist unbegründete – Mitarbeiterrüge gegen die – jeweils verantwortlichen – Verfassungsrichter, die man aber nicht vergleichbar offen zu attackieren wagt, zumal es oftmals ehemalige Richterkollegen sind.