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dd) Konsequenz für das Verfassungsbeschwerdeverfahren

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Für die Verfassungsbeschwerdepraxis ist von entscheidender Bedeutung, dass der Beschwerdeführer nunmehr auch in einer Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Menschenrechten der EMRK bzw. einen Verstoß gegen Entscheidungen des EGMR rügen kann. Zwar ist nach dem BVerfG die EMRK weiterhin (noch) nicht unmittelbar Prüfungsmaßstab in Verfassungsbeschwerdeverfahren, da sie keinen Verfassungsrang hat.[26] Der EMRK kommt aber im Rahmen anderer Grundrechte des „völkerrechtsfreundlich“ auszulegenden Grundgesetzes i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip maßgebliche Bedeutung als „Auslegungshilfe“ zu.[27] Entscheidend und für die Verfassungsbeschwerdepraxis von großer Bedeutung ist, dass nach dem BVerfG Verstöße gegen die Einhaltung der EMRK wie auch die Beachtung der Entscheidungen des EGMR mit der Verfassungsbeschwerde und der Rüge der Verletzung des im konkreten Fall einschlägigen Grundrechts i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip geltend gemacht werden können.[28]

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Beispiel

BVerfGE 111, 307 ff. – Görgülü: Im konkreten Fall hatte der EGMR (Urt. v. 26.2.2004 – Nr. 74969/01) zugunsten des Kindesvaters eine Entscheidung im Hinblick auf das Umgangsrecht gefällt. Das OLG Naumburg hatte sie aber mißachtet. Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde des Vaters wegen Verletzung des Art. 6 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip statt. Zur Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gehöre die Berücksichtigung der Gewährleistungen der EMRK und der Entscheidungen des EGMR.

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Der Beschwerdeführer muss also einen Verstoß gegen das in seinem Schutzbereich berührte Grundrecht des Grundgesetzes i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip[29] – also z.B. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG – rügen.[30] Dann prüft das BVerfG auch die EMRK und detailliert die Judikatur des EGMR im Rahmen anderer Grundrechte des Grundgesetzes.[31]

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Beispiel

BVerfG Beschl. v. 14.3.2012 – 2 BvR 2405/11 – Sicherheitsverfügung: Hier ging es um die Verfassungs- und Menschenrechtskonformität einer Sicherheitsverfügung eines Gerichts. Das BVerfG führte u.a. aus: „Der Beschwerdeführer ist auch nicht in seinem Recht auf ein faires Strafverfahren (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt. (...) Die Sicherheitsverfügung widerspricht schließlich nicht den Anforderungen an eine öffentliche Verhandlung nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (vgl. zu deren Berücksichtigung BVerfGE 111, 307, 315 ff.; 128, 326, 366 ff.). (...) Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK gewährleistet das Recht auf eine öffentliche Verhandlung. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz EMRK kann die Öffentlichkeit während des ganzen oder eines Teils des Verfahrens ausgeschlossen werden – soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält –, wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde (...)“.

Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde

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