Читать книгу Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde - Michael Kleine-Cosack - Страница 39

aa) Karlsruher Berührungsängste

Оглавление

32

Bis vor wenigen Jahren hat das BVerfG versucht, den EGMR weitgehend zu tabuisieren. Trotz der sachlichen Überschneidung der Jurisdiktionsbereiche hat es eine tatsächliche Konkurrenz der Gerichte lange verneint. Aufgrund der Rechtsnatur der EMRK und der Kompetenz des EGMR könne es keine echten Zuständigkeitskonflikte geben. Angesichts des bloßen Gesetzesrangs der EMRK wurde sie lediglich als „Auslegungshilfe“ für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes angesehen. Entscheidungen des Gerichts fanden meist keine Berücksichtigung in der verfassungsgerichtlichen Judikatur.[6] In „wolkigen“ Stellungnahmen versuchten sogar Richter des BVerfG die Bedeutung von EGMR und EMRK in Frage zu stellen. So sprach Papier[7] davon, dass die Rechte der EMRK allenfalls auf das Verständnis des Grundgesetzes „ausstrahlen“. Diffus bezeichnete sie Kirchhof[8] nur als eine „Quelle der Inspiration“. Erwähnt sei auch Limbachs[9] – bei allem Respekt – schlicht indiskutable These, gegen eine Beachtenspflicht der EMRK sowie der Auslegungspraxis des EGMR durch das BVerfG spreche neben der Arbeitsbelastung „das Ansehen des BVerfG“. Es könne dadurch leiden, dass es seinerseits der Kontrolle durch das Straßburger Gericht unterliege.

33

Der für die Grundrechtsfragen primär zuständige Erste Senat pflegte sogar — und das war im EMRK-Bereich nahezu beispiellos — den offenen Streit mit dem Straßburger Gerichtshof, den er viel stärker als den EuGH als den eigentlichen „Rivalen“ wahrnehmen muss. Zum Konflikt war es z.B. im Juli 2007 gekommen, als der EGMR angesichts des in der Geschichte des Europarats beispiellosen offenen Widerstands eines nationalen Verfassungsgerichtes im Fall Skugor gegen Deutschland[10] konstatierte, dass bei menschenrechtswidriger überlanger Verfahrensdauer in Zivilverfahren „die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht nicht als wirksame Beschwerde im Sinne des Artikels 13 der Konvention angesehen werden kann und ein Beschwerdeführer demnach nicht verpflichtet ist, von diesem Rechtsbehelf Gebrauch zu machen, auch wenn die Sache noch anhängig ist…..oder bereits abgeschlossen wurde……“. Der Konflikt trat auch zutage bei multipolaren Grundrechtskonflikten wie nach der Caroline-Entscheidung des EGMR. Das BVerfG und der EGMR haben auch hier offen der Rechtsauffassung des jeweils anderen Gerichts entgegenstehende Positionen vertreten.

Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde

Подняться наверх