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(3) Lissabon-Urteil

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Im heftig kritisierten Lissabon-Urteil[88] bejahte das BVerfG zwar die Verfassungskonformität des Lissaboner Vertrages und rügte nur partiell als verfassungswidrig die deutschen Umsetzungsgesetze. Wie bereits im Maastricht-Urteil stellte es jedoch seine eigene Prüfungskompetenz bezüglich der Entwicklung der Europäischen Union heraus unter Abstellung auf den nationalen Rechtsanwendungsbefehl durch das deutsche Zustimmungsgesetz, mit dem das Unionsrecht, dem kein autonom-europarechtlicher Vorrang zukomme, in Deutschland Rechtswirkung entfalte.[89] Der somit maßgebliche Vorrang kraft verfassungsrechtlicher Ermächtigung könne aber durch „verfassungsrechtliche Integrationsschranken“ begrenzt werden.

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Das Gericht beanspruchte für sich vor allem folgende – wenn auch „europafreundlich“ wahrzunehmende – Kontrollkompetenzen, welche es aus Art. 38 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 23 und 59 Abs. 2 GG und vor allem Art. 79 Abs. 3 GG herleitet.

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Es beharrte auf der im Maastricht-Urteil herausgestellten Ultra-vires Kontrolle im Hinblick auf das Handeln der EU-Organe, beschränkte sie aber auf offensichtliches und erhebliches kompetenzwidriges Handeln der Unionsgewalt. Weiter beanspruchte das BVerfG eine Kontrollkompetenz im Hinblick auf die Sicherung der demokratischen Legitimation sowie eine „Identitätskontrolle“: Damit solle geprüft werden, ob bei einer weiteren Kompetenzverlagerung auf die EU dem deutschen Verfassungsstaat noch hinreichend Kompetenzen verbleiben. Es seien – so das BVerfG – Grenzen des europäischen Integrationsprozesses erkennbar geworden, die nicht überschritten werden dürften. Dazu zählte es bestimmte „integrationsfeste“ Gebiete auf, die dem Zugriff der Europäischen Union dauerhaft entzogen bleiben müssten; dabei komme ihm ein Letztentscheidungsrecht zu.

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Die Lissabon-Entscheidung des BVerfG – so zu recht Schwarze[90] – war aber nicht notwendig gewesen, um die Durchsetzung der Verfassungsgebote des Grundgesetzes gegenüber dem europäischen Integrationsprozess zu sichern. Die Interpretation des deutschen Verfassungsrechts war weder angemessen noch wurde sie im Hinblick auf die Anforderungen der europäischen Integration vorgenommen.

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Auch der Lissabon-Entscheidung folgten keine „Taten“ des BVerfG.

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Beispiel

BVerfGE 126, 286 – Honeywell: In dem Beschluss des BVerfG v. 6.7.2010[91] (Honeywell) ging es um die Frage, ob der EuGH in der Mangold-Entscheidung jedenfalls insofern ultra vires gehandelt hatte, als er sich über den fehlenden Ablauf der Umsetzungsfrist hinwegsetzte; insofern kommt die Auslegung einer unzulässigen autonomen Vertragsänderung gleich. Das wurde von der abweichenden Meinung eines Richters und einem großen Teil der Literatur bejaht. Das BVerfG lockerte stattdessen den rigiden Lissabonner-Grenzkatalog unter ausdrücklicher Anerkennung des Anwendungsvorrangs des EU-Rechts.[92] Es hielt zwar an der Ultra-vires-Kompetenz fest, betonte aber zugleich die Notwendigkeit ihrer europarechtsfreundlichen Praktizierung. Als neues Kriterium führte es ein das des „hinreichend qualifizierten Kompetenzverstoßes“. Er liege aber nur vor, wenn er erstens „offensichtlich“ ist und zweitens „der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zu Lasten der Mitgliedstaaten führt.“

Verfassungsbeschwerden und Menschenrechtsbeschwerde

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